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In „Crossing“ folgt Levan Akin einer älteren Frau und einem Jugendlichen von Georgien  in die Türkei – und entdeckt im urbanen Raum eine Verbundenheit zwischen den Menschen.

Crossing (2024)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Spurensuche in Istanbul

Levan Akin ist ein schwedischer Filmemacher mit georgischen Wurzeln. In seinem kraftvollen queeren Liebesdrama „Als wir tanzten“ (2019) befasste er sich mit einem jungen Mann, der gegen das homophobe Umfeld an der Akademie des Georgischen Nationalballetts in Tiflis rebelliert. Auch Akins neues Werk „Crossing“ beginnt in Georgien, wandelt sich jedoch rasch zu einem Roadmovie, das die beiden Hauptfiguren nach Istanbul führt.

Bei dem zentralen Duo handelt es sich um ein spannendes odd couple: Lia (Mzia Arabuli) ist eine Lehrerin im Ruhestand, Achi (Lucas Kankava) ein orientierungsloser Teenager, der bei seinem älteren Bruder und dessen Familie auf der Couch schläft. Als Achi erfährt, dass Lia auf der Suche nach ihrer verschwundenen Nichte Tekla ist, behauptet er, dass diese ihm eine Adresse in Istanbul hinterlassen habe. Da Achi nichts in seiner Heimat hält, begibt er sich gemeinsam mit Lia in die türkische Stadt, wo sie in einem billigen Hostel übernachten. Die Suche erweist sich indes als ziemlich zermürbend – zumal Tekla womöglich gar nicht gefunden werden möchte.

Zunächst in einer Parallelhandlung begleiten wir zudem die trans Aktivistin und frischgebackene Anwältin Evrim (Deniz Dumanlı), die sich unter anderem für Sexworker:innen aus der Community stark macht. Evrim ist – nicht zuletzt dank der sehr einnehmenden Verkörperung durch Deniz Dumanlı – eine wunderbare Heldin in ihrem Erzählstrang, der alsbald mit der Reise von Lia und Achi verbunden wird. Kompetent und voller Empathie unterstützt die engagierte Jungjuristin die beiden Suchenden.

Schön ist vor allem, wie Akin das Netz aus Solidarität sichtbar macht, das zwischen vielen Einwohner:innen herrscht. So versucht Evrim, auf einen kleinen Jungen aufzupassen, dessen Mutter gerade nicht vor Ort sein kann. Der Junge wiederum kümmert sich um ein noch kleineres Mädchen. Ohne die Lebensumstände der Menschen in Istanbul zu romantisieren und dadurch alles zum Kitsch zu stilisieren, hebt Crossing das Humanistische hervor.

Mit seiner Kamerafrau Lisabi Fridell, die schon bei Als wir tanzten eine hervorragende Arbeit leistete, findet der Regisseur faszinierende Bilder abseits eines touristischen Blicks. Achi schließt sich in einer schlaflosen Nacht einer sympathischen Gruppe zum Feiern an, Lia flirtet bei einem Restaurantbesuch mit einem älteren Herrn, an späterer Stelle landen Lia, Achi und Evrim als Trio auf einer Hochzeitsparty. Tanz und Musik spielen in Akins Inszenierung abermals eine wichtige Rolle und werden mitreißend eingefangen.

Der Film erzählt von den Schwierigkeiten vieler trans Personen, von ihren Familien anerkannt zu werden – und vom späten Bedauern der Familienmitglieder. Die Konflikte werden feinfühlig thematisiert. Durch Evrims Geschichte wird hingegen auch eine erfreulich positive, empowernde Perspektive eröffnet. Ihre Begegnung mit einem charmanten Typ, der ein „Piratentaxi“ fährt, um sich sein Studium finanzieren zu können, ist ein derart bezaubernd gespielter Subplot, dass beim Zuschauen direkt der Wunsch nach einem RomCom-Sequel mit den beiden im Mittelpunkt aufkommt. Neben geografischen Grenzen und inneren Hürden werden in Crossing gekonnt auch Genres, vom Sozialdrama zur humorvollen Romanze, beherzt übertreten.

Gesehen auf der Berlinale 2024.

Crossing (2024)

Lia, eine Lehrerin im Ruhestand, hat versprochen, ihre vor langer Zeit verschwundenen Nichte Tekla zu finden. Ihre Suche führt sie nach Istanbul. Hier trifft sie Evrim, eine Anwältin für Trans-Rechte, und plötzlich fühlt sich Tekla so nah an wie nie zuvor. (Quelle: Berlinale)

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