Elvis (2022)

Lang lebe der King!

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Auf den ersten Blick passen Regisseur Baz Luhrman und Elvis Presley hervorragend zueinander. Der australische Regisseur liebt den Pomp und das Schrille, lässt in seinen Filmen gern beim Set und den Kostümen dick auftragen und hat keinerlei Angst vor Pathos und viel Gefühl. Wer da keine Parallelen zum Jahrhundert-Sänger erkennt, der ebenfalls die große Show zelebrieren konnte wie kaum ein zweiter und in ausgefallenen Outfits über die Bühne tobte, hat vermutlich nie einen Auftritt des King im Fernsehen gesehen. 

Und zu Beginn des Films scheint sich die Erwartung zu bestätigen. Luhrmann inszeniert Elvis‘ frühe Phase der Karriere als ungemein dynamischen, fast fiebrigen Traum voller schneller Schnitte, wirbelnder Kamera und deutlich überhöhter Bilder. Wenn der junge Elvis im Gottesdienst-Zelt einer schwarzen Gemeinde seine musikalische Erweckung durch Gott erfährt und später quasi im Auftrag des Herrn unterwegs ist, sind das exakt die Momente, für die Fans des Regisseurs ihn schätzen. Wie im Rausch wird der junge Elvis durch die kluge Strategie Parkers zum Idol der rebellischen Jugend und Schwarm der jungen Frauen, was Luhrmann mit viel Lust am Detail beim ersten Live-Auftritt Presleys als hormonelle Erweckung der weiblichen Jugend inszeniert. In der ersten Hälfte des Films zeigt Luhrmann Elvis vor allem als das Kunstprodukt, in dem sich der junge, sensible Musiker immer wieder zu verlieren droht.

Doch der Australier hält seinen typischen Stil nicht durch. Im dritten Akt tritt aller Glamour und inszenatorischer Einfallsreichtum zugunsten des Dramas um Elvis‘ letzte Jahre, seine kaputte Ehe und seine immer stärker werdende Abhängigkeit von Medikamenten und der Liebe seiner Fans in die zweite Reihe. Luhrmann kürzt den klassischen Luhrmann zurück und verlässt sich ganz auf die Story, die keine Ziselierung braucht um zu glänzen. Der Regisseur, der auch am Script mitarbeitete, zeigt den Sänger als tragischen Helden, der von seinem skrupellosen Manager in den Tod getrieben wird. Kein Wunder also, dass Elvis‘ Familie um Ex-Frau Priscilla und Enkelin Riley Keough voll des Lobes war. Allerdings muss sich Luhrmann den Vorwurf gefallen lassen, bestimmte Bereiche in Elvis‘ Leben nur wenig oder gar nicht zu beleuchten.

Gerade in Bezug auf seine Ehe betreibt Luhrmann fast schon Geschichtsfälschung, wenn er Elvis und Priscilla auf einer Party während der Soldatenzeit Presleys in Deutschland zeigt. Dass seine spätere Ehefrau damals gerade einmal 14 Jahre alt war und Presley sieben Jahre warten musste, bis er sie heiraten durfte, verschweigt Luhrmann taktvoll. Ebenso wie Presleys große Liebe zum Karatesport, den er in Deutschland für sich entdeckte und den nicht wenige Chronisten des King als einen wichtigen Faktor für die große Disziplin Presleys in seinem Job als Sänger sahen. Auch die Hollywood-Kariere, immerhin Elvis‘ Schwerpunkt von 1960 bis 1968, ist Luhrmann nur wenige Minuten Film wert. Und das nach Meinung vieler Fans und Kritiker letzte große Karriere-Highlight des King of Rock’n’Roll, das über Satelliten weltweite übertragene Konzert „Aloha from Hawaii“, also das Elvis-Pendant zum Live-Aid-Konzert in Bohemian Rhapsody, tut der Film in einem Standbild ab. Warum sich Luhrmann für diese Seiten Presleys nicht interessiert und ihnen etwas mehr Raum einräumt, bleibt wohl sein Geheimnis.

Uneingeschränktes Lob verdient der Regisseur hingegen für die Wahl seines Hauptdarstellers. Austin Butler sieht Elvis zwar nicht sonderlich ähnlich, aber Kamerafrau Mandy Walker gelingen dennoch ein paar kurze Momente, in denen Butler dem King frappierend gleicht. Lässt man aber die Optik außen vor und konzentriert sich auf das, was Butler beeinflussen kann, bleibt nichts außer Begeisterung für den 30-jährigen, der bislang eher durch seine Beziehungen mit prominenten Frauen wie Vanessa Hudgens und Kaia Gerber von sich reden machte als durch große Rollen. 

Denn wer sich Elvis im englischen Original ansieht, hört eine unglaubliche Ähnlichkeit zwischen Presley und Butler, sowohl was die Tiefe der Stimme angeht, aber auch bei Akzent und Ductus. Der Schauspieler trifft den Klang des tiefen Südens der USA perfekt. Ebenso beeindruckend sind die Bewegungen, die sich Butler für den Film antrainierte und die ebenfalls auch kritischen Vergleichen mit dem Original standhalten. Ob das lockere Becken, das Presley seinen Spitznamen „Elvis the pelvis“ einbrachte, oder auch seine großen Gesten während seiner Zeit in Las Vegas, die Ähnlichkeit ist verblüffend. Hier drängen sich die Vergleiche zur Oscar-prämierten Leistung von Rami Malek als Freddy Mercury in Bohemian Rhapsody geradezu auf. Und wie Malek gelingt es auch Butler, mit seinem Spiel den Menschen hinter dem Künstler sichtbar zu machen und die spannende Diskrepanz zwischen dem Megastar und Musiker Elvis und dem schüchternen Jungen aus einfachsten Verhältnissen herauszuarbeiten.

Optisch kann Tom Hanks mit Butler vor allem deshalb konkurrieren, weil seine Maske als Colonel Tom Parker auch bei genauem Hinsehen absolut natürlich wirkt und sich jede Falte so mitbewegt, als wäre sie tatsächlich vorhanden. Gegen die wenig komplexe Rolle des gewissenlosen Schurken kann Hanks hingegen nicht anspielen. Und man kann als Zuschauer nicht umhin, die Beziehung zwischen Elvis und Parker deutlich ambivalenter zu vermuten, als Luhrmann sie hier zeigt. Zwar wurde Parker tatsächlich nach Elvis‘ Tod verklagt, dass er seinen Schützling aber wissentlich in den Tod trieb und ihn nur als Geldmaschine sah, dürfte nicht ganz der historischen Wahrheit entsprechen. 

Die hatte Baz Luhrmann aber wohl auch nicht im Sinn, als er dem erfolgreichsten Solo-Künstler, der jemals lebte (etwa eine Milliarde verkaufter Platten), ein hochemotionales, wenn auch leicht geschöntes Denkmal setzte, das Elvis-Fans und Kinoliebhaber gleichermaßen abholt.

Fazit: Bei Elvis, seinem ersten Kinofilm seit neun Jahren, verlässt sich Regisseur und Co-Autor Baz Luhrmann mehr auf die Faszination der Person Elvis Presley und dessen Geschichte als auf seine typischen Regie-Ideen. Der furios aufspielende Austin Butler, die mitreißende Musik und die tragische Komponente machen Elvis trotz einiger kleiner Schwächen zur würdigen Kino-Biographie des King of Rock’n’Roll. 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/elvis-2022