Red Sparrow (2018)

Rote Vöglein vögeln

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

„Der kalte Krieg ist nicht vorbei. Er ist nur zersprungen in tausend kleine Teile, doch er wütet mehr denn je. Und er ist gefährlicher denn je“, konstatiert die hart-verwitterte Matrone (Charlotte Rampling) der Ausbildungsanstalt für russische AgentInnen, die man Red Sparrow nennt. Und da sind wir schon beim ersten Problem, zu dem sich noch viele anderen reihen werden: Dieser Satz ist voller Gemeinplätze nur so dahin palavert, ohne dass sich der Film jemals um die politischen Positionen kümmert, die hier suggeriert werden. Aber das mag vielleicht mit viel Toleranz noch erträglich sein. Es ist auch gar nicht das größte Problem dieses Filmes.

Red Sparrows Schwerpunkt liegt nur oberflächlich auf den Verwicklungen zwischen Ost und West, letzteres hier repräsentiert vom oft barbusigen Nate Nash (Joel Edgerton), der als amerikanischer Spion zum Anfang des Films fast seinen besten Informanten verliert. Gleichzeitig – in einer holperigen Parallelmontage arrangiert – tanzt die Primaballerina Dominika (Jennifer Lawrence) ihren letzten Tanz im Bolschoi, denn eine fiese Widersacherin lässt ihr das Bein brechen und die Karriere ist vorbei. Besonders bitter: Dominika ist Alleinversorgerin ihrer kranken Mutter (im Endstadium: Joely Richardson) und die Wohnung sowie Pflegerin wird vom Bolschoi bezahlt. Da kommt ihr schmieriger Onkel Wanja (Matthias Schoenaerts) auf den Plan, ein hohes Tier in Sachen Spionage, welcher sie zu einem Einsatz zwingt. Sie soll einen Mann bezirzen und sein Telefon austauschen.

Wieso ausgerechnet Dominika dies kann? Die Antwort darauf gibt der Film sofort: weil sie eine gut aussehende Frau ist und jeder Mann sie flachlegen will. Der Einsatz verläuft anders als erwartet und Dominika muss sich entscheiden: sterben, weil sie Zeugin war oder ein Red Sparrow werden. Sie entscheidet sich, offensichtlich, für letzteres.

Was sind sie also nun, diese roten Spatzen, diese perfekt ausgebildeten Spione und Spioninnen? Die Antwort, die das Drehbuch von Justin Haythe (Lone Ranger) und Eric Warren Singer (No Way Out- Gegen die Flammen) gibt, ist erstaunlich. Zunächst ist da die Idee von Spionage, die hier in einem digitalen Zeitalter, in dem Russland ganze Wahlen für sich beeinflussen kann, äußerst plump und old school daherkommt. So sieht man bei der Ausbildung der Red Sparrows vor allem Montagen mit Jogging, Schießen und dem Knacken von Schlössern. Doch noch erstaunlicher ist der große Twist von Red Sparrow, der hier erstmals zum Tragen kommt: Anfangs tut der Film wenigstens noch so, als sei er ein Action- oder Spionagefilm, aber je weiter er voranschreitet, desto deutlicher zeigt sich: er ist ein Fetischfilm. Denn niemand interessiert sich dafür, dass Jennifer Lawrence durchaus gutes Körperkino tragen kann und sich als Heroine, vor allem der psychologisch zerrissenen Art, schon gut gemacht hat (Winter’s Bone). Nein, Red Sparrow will sie einzig als Fetischobjekt, das es benutzen, erniedrigen, zerstören kann.

Das beginnt schon damit, dass ihr beim ersten Einsatz befohlen wird, sich auszuziehen und darauf eine brutale Vergewaltigung folgt, infolge derer sie in Blut getränkt wird. Doch das ist nur der Anfang. Es folgen unzählige, nur schwach motivierte Szenen, in denen Lawrence sich immer wieder nackt zeigen, sich anbieten, ihre Beine spreizen muss. Begleitet werden diese von brutalen Momenten. Sie wird genüsslich gefoltert, sie wird gedemütigt, mit Messern zerschlitzt, verprügelt etc. Dazwischen darf sie wie ein verwundetes Reh in die Kamera schauen und emotionale Tiefe suggerieren, die nirgends zu finden ist. Wie auch, ihre Figur ist wortkarg und konstant fremdbestimmt, sich zu großen Teilen in ihr Schicksal fügend und hoffend, dass ein Mann sie rettet.

Der aktive Teil ihrer Rolle besteht aus dem Ausleben von Verführungsfantasien. Der Film will uns glauben machen, dass eine dreimonatige Grundausbildung, die nicht einmal zu Ende gebracht wurde, genügt, um aus Dominika eine Superagentin zu machen, die es schafft, alle Seiten zu verführen. Und das ist in der Tat die einzige weibliche Agentinnen-Kraft, die den Drehbuchautoren hier eingefallen ist: sie ist verführerisch. Sie kriegt sie alle rum, weil sie hier angeblich Skills hat, die darüber hinausgehen, dass sie jung und gutaussehend ist. Und diese Kunst wird folgendermaßen zusammengefasst: Dominika gibt den Männern, wo nach sie sich sehnen. Sie formt sich zu dem, was sie jeweils gern wollen. Und genau diese völlige Objektivierung versucht das Werk dann als einen Emanzipationsprozess zu verkaufen.

Red Sparrow soll so eine Art Hardcore-Version der Femme Nikita sein. Gleich so, als würde diese Figur die Brutalität brauchen, damit sie auch hart wird und dann zur klassischen Revanche übergeht. Doch auch wenn Anleihen vorhanden sind und das Drehbuch einen langweiligen, rudimentären Versuch in diese Richtung unternimmt, so bemerkt man jederzeit die absolute Fadenscheinigkeit, die hier wie eine Patina über ein Werk gelegt wird, das daran gar nicht interessiert ist. Es geht einfach nur um Exzess, um Sex-, Blut- und Machtrausch. Und dieser ist eindeutig nur für ein Geschlecht bestimmt: das männliche. Sowohl im Film selbst als auch in der Art der Inszenierung. Die Kamera kann es nicht lassen, wie ein geifernder alter Sack über die nackten Frauenkörper zu streifen, allein Lawrence Hinterteil kommt so oft vor wie ihr Gesicht in Großaufnahme.

Erschwerend kommt hinzu, wie viele großartige SchauspielerInnen sich für dieses Werk zur Verfügung stellten. Charlotte Rampling als Ausbilderin, Jeremy Irons als hochrangiger, russischer General, Mary-Louise Parker als Mitarbeiterin eines amerikanischen Politikers, Matthias Schoenarts als sadistischer Onkel, Joel Edgerton als der amerikanische Ritter auf dem weißen Pferd. Und natürlich Jennifer Lawrence selbst, die hier die wohl tragischste Rolle spielt, wenn man von der eigentlichen Figur, die sie verkörpert, einmal absieht. Keines dieser Talente wird genutzt, niemand hat hier das Glück, auch nur einen Hauch von Mehrdimensionalität zu erreichen oder über das Klischee hinausgehen zu können. Und noch dazu sind alle gezwungen, in den schlimmsten pseudo-russischen Akzenten zu sprechen, die Red Sparrow schon fast einen trashig-lustigen Twist geben könnten, wäre der Rest des Filmes nicht so unfassbar klischeehaft und ekelhaft.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/red-sparrow