Black Swan (2010)

Mörderische Hingabe hinter den Kulissen

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Ihre Zeit ist gerade erst gekommen. Nina (Natalie Portman) spielt die Hauptrolle in Tschaikowskis "Schwanensee", mit dem das New Yorker Ballett seine Saison eröffnen wird. Für die Tänzerin kann es der große Durchbruch werden, doch die Proben geraten zur Qual. Der exzentrische Regisseur Thomas (Vincent Cassel) beginnt an ihr zu zweifeln, weil Nina ihm nicht verführerisch genug für die Rolle des schwarzen Schwans erscheint. Damit wächst der Konkurrenzdruck, vor allem durch die neue Tänzerin Lily (Mila Kunis). Die Hoffnung auf die ganz große Karriere wird für Nina schleichend zum Alptraum.

Das ist die Ausgangshandlung von Darren Aronofskys neustem Film Black Swan. Doch was zunächst wie ein Ausflug in die Welt des Balletts wirkt, entwickelt sich rasant zu einem paranoiden Thriller, der gerade in seinen stärksten Momenten an ein Meisterwerk wie Frantic von Roman Polanski erinnert. Dabei fasziniert vor allem der Tonwechsel, den der Regisseur mit seinem fünftem Spielfilm vollführt. Nach seinem geradlinig erzähltem letzten Film The Wrestler, der sich vor allem dadurch auszeichnete, dass Aronofsky jegliche stilistischen Spielereien zugunsten der Erzählung aufgab, kehrt der Regisseur nun wieder zu wesentlich komplexeren Erzählmustern zurück.

Bereits die erste Szene in Black Swan macht deutlich, dass es sich bei diesem Film um einen Alptraum handeln wird. Darin tanzt Nina mit dem bösen Zauberer aus dem Schwanensee. Dann wacht sie auf und fährt zu ihren Proben. Das ständige Wechseln zwischen Traum und Wirklichkeit, Einbildung und Realität gibt Black Swan seinen Rhythmus vor. Aronofsky hat seinen Film, in dem es nie richtig hell wird, fast ausschließlich in Innenräumen inszeniert. Es sind kalte, leere Flure und Probenräume, unpersönliche und lieblose Empfangssäle, durch die sich die Figuren bewegen. Schnelle Schnitte, Nahaufnahmen und gelegentlich reißende Kameraschwenks prägen den visuellen Stil von Black Swan. Dabei verliert sich der Regisseur manchmal zu sehr in vorhersehbaren Versuchen, einen Schockmoment herbeizuführen. Außerdem vermag er es nicht immer sich vollkommen von Vorbildern wie Lynch, Cronenberg oder Polanski zu trennen.

Aber wie bei The Wrestler hat Black Swan einen Vorteil, der über so manche inszenatorische Entgleisung hinwegsehen lässt – und zwar die Besetzung. Natalie Portman ist eine Performance von nahezu unbeschreiblicher Wucht gelungen. Sie ist in fast jeder Szene des Films zu sehen. Sie ist der Film. Eine Figur wie Nina zu spielen, das hätte durchaus schnell lächerlich werden können. Nina ist weinerlich, hat fast ständig Tränen in den Augen. Sie lebt noch bei ihrer Mutter (ziemlich toll: Barbara Hershey), hat keine Freunde und kein Leben außerhalb des Balletts. Es gibt nichts sympathisches oder liebenswertes an diesem fast bis zur Magersucht heruntergehungertem Mädchen. Dennoch vermag es Portman dieses Porträt einer vom Ehrgeiz zerfressenen Tänzerin plausibel und interessant genug zu machen, dass der Zuschauer ihr bis zum furiosen Finale folgt.

Dabei ist - hier zeigt sich erneut eine Parallele zu The Wrestler – interessant, wie genau und manchmal auch grausam Aronosfky die Körper hier zeigt. Die Anstrengung während der Proben, die blutigen Fußnägel, das nervöse Kratzen – all das vermittelt zum einen die Aufopferung der Tänzer, zum anderen aber auch, wie unwürdig und schlicht und einfach quälend Ballett doch sein kann. Natalie Portman bewirbt sich jedenfalls mit dieser one-woman-show ganz laut um einen Oscar für die beste Hauptdarstellerin.

Am Ende ist Black Swan ein erstaunlich involvierender Film geworden, der seine Doppelbödigkeit selbst inszenatorisch ständig untermauert. Ein Film voller Spiegel und Trugbilder, die allerdings niemals Selbstzweck sind. Aronofsky findet in seinem neusten Film eine großartige Balance zwischen Erzählung und visueller Ausgestaltung, die in Kombination mit der mächtigen und opulenten Musik von Tschaikowski eine enorm eindrucksvolle Geschichte von Selbstzerstörung und absoluter Hingabe auf die Leinwand bannt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/black-swan-2010