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Zwei verlorene Seelen suchen ihr Glück in Berliner Kneipen und verrauchten Hinterzimmern. Aber wer betrügt eigentlich wen? „Night To Be Gone“ ist ein Billardthriller im Neo-Noir-Stil mit niedrigem Budget und großen Träumen.

Night to be Gone (2023)

Eine Filmkritik von Lukas Hoffmann

In Berliner Hinterzimmern

Billard-, Poker- und Sportfilme im Allgemeinen sind häufig formelhaft strukturiert. Sie folgen einer meist männlichen Hauptfigur, die ausgezeichnet in ihrer Sportart ist, aber den größten Wettkampf noch vor sich hat. An seiner Seite steht ein meist weiblicher ‚Love Interest‘ der nach einem Streit im zweiten Drittel wieder zur Hauptfigur zurückfindet, um sie in einem finalen Wettkampf gegen den wichtigsten Rivalen zu unterstützen. Angereichert wird dieses Konzept mit strengen Mentoren, technisch unterlegenen Konkurrenten oder illegalen Geschäften im Hintergrund. Spannung wird nicht zwangsweise durch den Sport an sich erzeugt, sondern durch das, was für die Figuren auf dem Spiel steht.

Night To Be Gone vom amerikanischen Regisseur und Autor Loren David Marsh ist keine Ausnahme: Der begnadete Billardspieler Omer (Omer Cissé) ist aus Mali nach Europa geflüchtet und hält sich mit dem Ausspielen unterlegener Gegner finanziell über Wasser. Dabei hilft ihm seine Partnerin Carine (Sylvaine Faligant), eine Französin, die ursprünglich nach Deutschland gezogen ist, um ihrer Drogensucht zu entgehen. Gemeinsam täuschen sie vor, zufällig in eine Bar geraten zu sein. Er verliert mehrere Runden am Billardtisch und sie gibt ihm widerwillig Geld, um sich in eine Rückrunde einkaufen zu können, welche er dann problemlos gewinnt. Mit dieser „Sandbagging“ oder übergreifend „Hustle“ genannten Methode erarbeiten sie 10.000 Euro. Während sie eine Strandbar eröffnen und sich gemeinsam mit Omer zur Ruhe setzen will, plant er, den besten Billardspieler Europas herauszufordern: Den „Sultan“ (Yotam Ishay). Der ist aber nicht nur ein ebenbürtiger Gegner, sondern weiß auch die Beziehung zwischen Carine und Omer für sich auszunutzen.

Der in Berlin gedrehte Billardthriller zeichnet ein zeitloses Bild der Hauptstadt in düster inszeniertem Schwarzweiß. Moderne Bars und Clubs, Smartphones oder LED-Werbetafeln scheinen nicht zu existieren und weichen verrauchten Hinterzimmern, verlassenen Seitenstraßen und leeren Billardhallen. Einzig kleine Details wie parkende Autos oder „ja!“-Wasserflaschen lassen einen Rückschluss auf den zeitlichen Rahmen der Handlung zu. Die 40er-Jahre-Ästhetik wird nicht forciert, sondern mit so simplen Mitteln erzeugt, dass sie fast ein natürliches Nebenprodukt der Berliner Hinterzimmer zu sein scheint. Über die Atmosphäre hinaus wirkt die Erzählung allerdings wie zweigeteilt. In Präsentation und Stimmung repliziert Night To Be Gone die eines (Neo)-Noir-Films. Die Stadt ist ein trostloser Ort, es scheint nur Nächte zu geben, Carine ist die ‚Femme Fatale‘ die immer wieder in Omers Leben zurückfindet und keine der Figuren ist bereit, ihre wahren Absichten zu kommunizieren. Inhaltlich erinnert die Handlung wiederum stark an moderne Billard- oder Pokerfilme wie Rounders und Die Farbe des Geldes, mitsamt der schematischen Struktur, vorhersehbaren Wendungen und einem großen Showdown am Ende.

Als wären bei der Produktion zwei Genres unabhängig voneinander abgearbeitet worden, wechselt Night To Be Gone immer wieder zwischen langsam und emotional inszenierten Dialogsequenzen und konventionellen Billard- bzw. „Hustle“-Szenen. Am besten funktioniert diese Mischung in den Momenten, in denen die Grenzen zwischen den Genres verschwimmen – dann, wenn man sich zwischen aufeinanderprallenden Billardkugeln und verlorenem Geld selbst fragen muss, wer hier eigentlich wen betrügt und ob überhaupt eine der behaupteten Hintergrundgeschichten der Wahrheit entspricht.

Night To Be Gone wirkt wie ein Studentenfilm: Das niedrige Budget fällt an allen Ecken und Enden auf, die Handlung ist häufig vorhersehbar und strukturell scheint der Film aus zwei unfertigen Hälften zu bestehen. Die Schauspielleistungen sind durchwachsen, die behauptete Emotionalität der Handlung wird nicht immer erfolgreich transportiert. Und doch spürt man die zugrundeliegenden Träume des Regisseurs und Autors, wird von der grundlegenden Atmosphäre eingesogen und fiebert mit, wenn Omer in einem letzten Spiel gegen den „Sultan“ alles aufs Spiel setzt.

Night to be Gone (2023)

Omer und Carine sind zwei Gauner, die am Billiardtisch versuchen, schnelles Geld zu machen. Beide sind auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit, die sie immer noch verfolgt: Omer als afrikanischer Flüchtling, Carine als Französin, deren Leben von Drogen geprägt war. Als die beiden in Berlin ankommen, fordert Omer einen legendären Billardspieler, den Sultan, zu einem Showdown heraus, der ihnen beiden endlich genug Geld einbringen könnte, um weiterzuziehen. Doch am Ende werden sie selbst abgezockt, was sie zwingt, ihre Pläne zu überdenken — und was sie sich gegenseitig bedeuten.

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