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Mit „Back to Black“ hat Sam Taylor-Johnson das viel zu kurze Leben der Soulsängerin Amy Winehouse verfilmt – ohne in den Skandalmodus zu verfallen.

Back to Black (2024)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

I died a hundred times

2009 lieferte die zunächst als Bildhauerin und später in erster Linie als Fotografin und Videokünstlerin tätige Britin Sam Taylor-Johnson mit ihrem Langfilmdebüt „Nowhere Boy“ ein Porträt der Jugendjahre und der künstlerischen Anfänge von John Lennon (verkörpert von Aaron Taylor-Johnson). Es gelang ihr, einen einfühlsamen, angenehm unaufgeregten Blick auf eine Musik-Ikone zu werfen – und ihrem Hauptdarsteller eine beeindruckende Leistung zu entlocken, die sich einerseits nah am Original bewegte und andererseits eine ganz eigene Interpretation dieser berühmten Persönlichkeit bot.

In ihrem neuen Werk Back to Black knüpft die Regisseurin erfolgreich daran an. Ein Biopic über die britische Soulsängerin Amy Winehouse, die im Jahre 2011 mit nur 27 Jahren verstarb, geht unweigerlich mit der Gefahr einher, die schrecklich skandalisierende Haltung der Boulevardpresse zu reproduzieren. Der Dokumentarfilm Amy (2015) von Asif Kapadia erhielt zwar überwiegend positive Kritiken und etliche Preise (darunter einen Oscar) – ganz abstreiten lässt sich indes nicht, dass er selbst oft auf das fragwürdig gewonnene Material, etwa auf Paparazzi-Videos und -Fotos zurückgreift, um das sensationslüsterne Verhalten der Medien zu kritisieren. Auch die für eine Yellow-Press-Berichterstattung übliche Form der Schuldzuweisung und der Dämonisierung einzelner Personen wird von Kapadia übernommen.

Taylor-Johnson geht auf Basis des Drehbuchs von Matt Greenhalgh (der auch schon das Skript zu Nowhere Boy schrieb) deutlich differenzierter und sensibler vor. Abermals profitiert ihr Film von einer sehr starken zentralen Performance. Die Schauspielerin Marisa Abela sieht Winehouse mit stilechter Beehive-Frisur, auffälligen Tattoos auf den Armen und betont kurzen, engen Outfits (von Fred-Perry-Polohemden, Shorts, Westen und BHs bis zu maßgeschneiderten Fifties-Kleidern) verblüffend ähnlich. Sie wirkt in diesem ziemlich einzigartigen Look allerdings nie verkleidet, nicht wie eine bemühte Kopie des Vorbildes. Die detailreichen Kostüme und das expressive Make-up hindern Abela in keiner Szene daran, glaubhafte Gefühle zu vermitteln und die Ausnahmesängerin als vielschichtige und doch stets greifbare Protagonistin zu zeigen. Obendrein singt sie durchweg selbst – und demonstriert uns dabei kongenial die traurige Schönheit jedes einzelnen Winehouse-Songs.

Während diverse Biopics über Künstler:innen den Aufstieg zum Star oft allzu schematisch in Montagesequenzen erfassen, ohne das Besondere eines Talents zu ergründen, arbeitet Back to Black nachvollziehbar heraus, wie (und wo) Amy ihre Inspiration findet. Von ersten Auftritten in kleinen Clubs im Londoner Viertel Camden bis zu umjubelten internationalen Festival-Gigs – die Faszination, die Amy mit ihren Soul- und Jazz-Hits auslöst, ist jederzeit spürbar. Und auch das Private, das in einem Film zwangsläufig verdichtet erzählt werden muss, verkommt hier nicht zur Seifenopfer, wie dies etwa bei Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody (2022) zuweilen geschah. Das enge Verhältnis zur Großmutter (Lesley Manville), die ambivalente Beziehung zum Vater (Eddie Marsan) und nicht zuletzt die komplizierte Liebe zu ihrem On-and-off-Boyfriend Blake Fielder-Civil (Jack O’Connell) – all das wird nicht formelhaft abgehakt, sondern in seiner jeweils speziellen Dynamik beleuchtet.

Der Film übernimmt Amys Sicht auf die wichtigsten Menschen in ihrem Leben, wodurch er eine Schwarz-Weiß-Malerei umgeht. Wir verstehen, auch durch Jack O’Connells zunächst überaus charmante Darstellung, was Amy und Blake trotz extremer Dysfunktionalität als Paar verbindet. Ebenso begreifen wir Amys Bindung an ihre Familie. Und vor allem wird uns wieder bewusst, wie unfassbar begabt und originell die Porträtierte war. Back to Black schlachtet das kurze Leben von Amy Winehouse nicht aus, sondern würdigt es.

Back to Black (2024)

In „Back to Black“ erzählt die britische Regisseurin Sam Taylor-Johnson („Nowhere Boy“, „Fifty Shades Of Grey“) von einer Musikerin mit einem einmaligen Talent und einer außergewöhnlichen Ausstrahlung. Ihr Film beschreibt die Reise von Amy Winehouse vom alternativen, rauen Camden Town der 90er Jahre bis auf den Gipfel der Popwelt, bei der die Schattenseiten von Aufstieg und Ruhm immer mit dabei sind.

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