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In „The Royal Hotel“ lässt Kitty Green ihre Protagonistinnen in einem abgelegenen australischen Pub arbeiten – und baut dabei langsam und geschickt ein Thriller-Szenario auf.

The Royal Hotel (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Don’t Go Down (Under)

In Backwoods-Horrorfilmen wie „Wrong Turn“ (2003) geraten junge Menschen in der Abgeschiedenheit in Lebensgefahr. Wer diese zumeist attraktiven und wenig sympathischen Leute sind, ist üblicherweise kaum von Bedeutung. Es geht lediglich darum, sie leiden (und häufig sterben) zu sehen. Wüssten wir nicht, dass die 1984 in Melbourne geborene Regisseurin Kitty Green mit „The Assistant“ (2019) ein überaus vielschichtiges Werk über sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz geschaffen hat, könnten wir ihren neuen Film „The Royal Hotel“ zunächst für einen beliebigen Beitrag zu besagtem Subgenre halten.

Denn anfangs sind die Kanadierinnen Hanna (Julia Garner) und Liv (Jessica Henwick) auch nicht unbedingt mehr als zwei feierwillige Studentinnen, die im Rahmen eines Work-and-Travel-Programms gerade ohne Geld in Sydney gelandet sind, nachdem sie sich zuvor auf einem Kreuzfahrtschiff amüsiert haben. Um rasch an Kohle zu gelangen, nehmen sie das Angebot an, in einem Pub irgendwo im rötlich-braunen Nirgendwo des Landes zu jobben. Kein Wi-Fi, defekte Duschen – und umgeben von Betrunkenen. Klingt doch total entspannt; wird bestimmt alles ganz toll laufen…

Der Laden gehört dem Paar Billy (Hugo Weaving) und Carol (Ursula Yovich). Während Carol sich eher kurz angebunden gibt, wird Billy schnell unflätig und rastet aus. Bei der Ankunft der zwei Freundinnen sind noch die etwa gleichaltrigen Engländerinnen Jules (Alex Malone) und Cassie (Kate Cheel) vor Ort, die allerdings alsbald verschwinden und ins Auto des zwielichtigen Stammgastes Dolly (Daniel Henshall) steigen, der insbesondere Hanna sofort suspekt ist. Hat Dolly die beiden einfach nur zu ihrem nächsten Ziel gefahren? Oder ist ihnen womöglich etwas zugestoßen?

Der Film lässt seine Thriller-Elemente lange Zeit im Hintergrund rumoren. Nur hin und wieder blitzt die Gefahr einer Eskalation auf, meist verursacht durch übermäßigen Alkoholkonsum. Das Drehbuch, das Green gemeinsam mit Oscar Redding geschrieben hat, formuliert die biografischen Hintergründe der zwei Protagonistinnen nicht aus. Dennoch fühlen wir uns ihnen nahe, was zum einen am guten, resoluten (Zusammen-)Spiel von Julia Garner (die schon in The Assistant großartig war) und Jessica Henwick liegt, und zum anderen an der präzise erfassten Dynamik zwischen den beiden Figuren. Die charakterlichen Unterschiede des Duos und die Art und Weise, wie dessen Freundschaft funktioniert, sind letztlich der Kern der Geschichte.

Die bedrohlichen Situationen, in denen sich das gängige Backwoods-Horror-Personal wiederfindet, ergeben sich in der Regel schlicht aus der nicht weiter spezifizierten Bosheit des Umfeldes – was im schlimmsten Falle xenophobe Klischees bedient. In The Royal Hotel hingegen wird das gezeigte Milieu sehr genau betrachtet, und auch die Lage von Hanna und Liv als junge Frauen in einem ziemlich aggressiven Ambiente wird überzeugend vermittelt.

Es geht dabei weniger um strikten Realismus, vielmehr um eine glaubhafte Beobachtung und Schilderung. Etwa wenn sich im Umgang mit den (überwiegend männlichen) Gästen Augenblicke des Unbehagens ergeben – wenn zwischen Getränkebestellungen und Bezahlung samt Trinkgeldvergabe sexistische Witze gerissen werden oder sich verstörende Übergriffigkeiten ankündigen. Als Hanna dem Studenten Matty (Toby Wallace) näherkommt, der sich ebenfalls in der Gegend aufhält, demonstriert der Film im Verlauf einer kleinen Party, wie rasch sich ein ausgelassener Flirt in eine Grenzüberschreitung wandeln kann.

Im letzten Drittel von The Royal Hotel weicht das Subtile zuweilen dann doch dem eher Plakativen. Der finale Knall ist weniger effektiv als die ambivalenten und äußerst intensiven Momente zuvor. Die Mischung aus feiner Betrachtung und gärender Genre-Spannung unterstreicht im Gesamten aber ohne Zweifel noch einmal, dass Green eine bemerkenswerte Stimme des Indie-Kinos ist, die ihre Figuren nicht zu austauschbaren Funktionsträgerinnen der Dramaturgie, sondern zu interessanten Heldinnen macht.

Gesehen beim Internationalen Filmfestival von San Sebastián.

The Royal Hotel (2023)

Im Film spielen Julia Garner und Jessica Henwick zwei Rucksacktouristinnen, die in einer Bar im australischen Outback etwas Geld verdienen wollen und sich dort den Annäherungsversuchen der männlichen Gäste erwehren müssen. Doch dann nehmen die Dinge eine beängstigende Wendung.

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