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In „Die Herrlichkeit des Lebens“ zeigen Georg Maas und Judith Kaufmann den vor 100 Jahren verstorbenen Franz Kafka von einer verblüffenden Seite.

Die Herrlichkeit des Lebens (2024)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Eine zarte Romanze

Kafka am Strand“ – so lautet der Titel eines sehr schönen Romans von Haruki Murakami, in dem es indes nicht um den Schriftsteller Franz Kafka geht. Mit diesen drei Worten lässt sich zugleich die Ausgangslage des biografischen Dramas „Die Herrlichkeit des Lebens“ des Regieduos Georg Maas und Judith Kaufmann beschreiben: Das Drehbuch, das Maas zusammen mit Michael Gutmann auf Basis des gleichnamigen literarischen Werks von Michael Kumpfmüller verfasst hat, erzählt vom finalen Lebensabschnitt Kafkas im Jahre 1923, ein Jahr vor seinem frühen Tod – angefangen mit einer Begegnung am Ostseestrand.

Dort lernt der 40-jährige Franz, verkörpert von Sabin Tambrea, die 25-jährige, aus Polen stammende Erzieherin Dora Diamant (Henriette Confurius) kennen. Er verbringt gerade Zeit bei seiner Schwester Elli (Daniela Golpashin) und deren Familie. Zu Beginn sehen wir, wie er in betont schicker Aufmachung, im schwarzen Jackett, mit Krawatte, edlem Hut und in polierten Schuhen, in einem Strandkorb sitzt und für eine Gruppe von Kindern „die kleine Fabel von der Maus“ zum Besten gibt.

Dieser Anblick hat durch den auffälligen Kontrast zwischen hochsommerlicher Urlaubskulisse und feinem Zwirn etwas ziemlich Wunderliches; allerdings drängt sich hier nicht der Begriff „kafkaesk“ auf, dem der Protagonist durch seine rätselhaften, unheimlichen und absurden Geschichten (etwa Der Prozess und Das Schloss) seinen Namen gab. Die Herrlichkeit des Lebens ist kein Film, der den Stil des weltberühmten Schriftstellers zu imitieren versucht, noch einer, der das klischeehafte Bild von Genie und Wahnsinn reproduzieren möchte. Stattdessen verfolgen wir die überraschend stille und zärtliche Entwicklung einer Liebe. Er befinde sich „auf der Schwelle des Glücks“, schreibt Franz seinem engen Freund Max Brod (Manuel Rubey).

Zunächst fängt die von Co-Regisseurin Kaufmann geführte Kamera die gemeinsam verbrachte Zeit in unbeschwert-träumerischen Bildern ein. Franz und Dora baden in der Ostsee, sie lachen, parlieren, spazieren. Sabin Tambrea und Henriette Confurius vermitteln das Gefühl der frischen Verliebtheit absolut glaubhaft. Zugleich ist von Franz’ Seite aus eine tiefe Melancholie zu spüren. „Ich bin ein kranker Mann, Dora!“, gesteht er ihr schließlich. Franz hat Tuberkulose. Diese bestimme sein Leben, sagt er an einer Stelle. Dora will ihn dennoch näher kennenlernen. Ohne auf übertriebene Dramatik und Pathos zu setzen, enthält Die Herrlichkeit des Lebens eine Botschaft, die trotz ihres historischen Settings nichts an Relevanz verloren hat: Krank zu sein bedeutet nicht, sich aufgeben zu müssen. Es heißt keineswegs, nicht lieben und nicht geliebt werden zu können.

Nicht zuletzt kann dieser Film als späte Coming-of-Age-Story verstanden werden. Es geht um den Versuch, unabhängig zu sein – von den Eltern, von den Meinungen und Bedenken anderer. So folgt Franz Dora zunächst nach Berlin, wo diese lebt und arbeitet. Die Liebe zwischen den beiden ist ein Triumph über das (Ver-)Zweifeln, über die demütige Schicksalsergebenheit.

„Im Kino gewesen. Geweint.“ Diese ikonische Kafka-Aussage trifft auch hier zu, da Die Herrlichkeit des Lebens vom frühen Tod erzählt. Aber ebenso lassen die Regie- und Schauspielduos Maas/Kaufmann und Tambrea/Confurius das Lachen, das Glück kleiner Augenblicke zu. Vielleicht sollten wir zum 100-jährigen Todestag Kafkas diesen Juni vor allem an seinen Humor und an sein Streben nach innerer Stärke denken. „Kafkaesk“ ist die Welt ja ohnehin schon genug.

Die Herrlichkeit des Lebens (2024)

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michael Kumpfmüller aus dem Jahre 2011 erzählt der Film von der späten Liebe zwischen Franz Kafka und Dora Diamant.

1923: Dora Diamant und Franz Kafka lernen sich zufällig am Ostseestrand kennen. Er ist ein Mann von Welt, sie aus dem tiefen Osten, er kann schreiben, sie kann tanzen. Sie steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden, er schwebt immer etwas darüber. Sie umarmt den Indikativ, er verheddert sich im Konjunktiv. Aber als die beiden einander kennenlernen, wird alle Verschiedenheit einerlei. Ein einziges Jahr ist ihnen vergönnt, bis Franz Kafka viel zu früh stirbt. Auch wenn Kafkas Gesundheitszustand sich mehr und mehr verschlechtert, das gemeinsame Jahr lässt die beiden die Herrlichkeit des Lebens spüren.

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Meinungen

Lydia · 15.04.2024

So großartig, Hymne an das Leben voller Demut.

Maria · 23.03.2024

Ich habe viel mehr von ein Kafka Film erwartet