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Eine Idee geht um die Welt. Nach dem deutschen Remake („Steig. Nicht. Aus.“) und dem koreanischen („Hard Hit“), nimmt sich Regisseur Nimrod Antal nun zum dritten Mal den Plot des spanischen Thrillers „El Desconocido“ vor – und setzt Liam Neeson auf eine Bombe.

Retribution (2023)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Ein Actionstar sitzt es aus

Der Geschäftsmann Matt (Liam Neeson) fährt auf Wunsch seiner Frau (Embeth Davidtz) seine beiden Kinder zur Schule, als er einen besorgniserregenden Anruf auf einem Smartphone erhält, das offenbar jemand in seinem Wagen für ihn deponiert hat. Eine Stimme teilt ihm mit, dass sich unter den Sitzen des Wagens Bomben befinden und sofort detonieren würden, sollte Matt nicht tun, was die Stimme von ihm verlangt. Ein mörderisches Katz-und-Maus-Spiel beginnt, in das auch Matts Geschäftspartner Anders (Matthew Modine) verwickelt wird. Kann Matt sich und seine Kinder retten?

Wenn Hollywood-Produzenten einem nicht englischsprachigen Film Respekt erweisen wollen, drehen sie ihn neu. Es gibt zahlreiche französische Filme, die eine US-Version bekamen, nun hat Regisseur Nimrod Antal sich ein spanisches Vorbild namens El Desconocido auserkoren. Auf diese Idee kam vor ihm auch der Deutsche Christian Alvart, der die Hauptrolle mit Wotan Wilke Möhring besetzte. Durch Alvarts spanische Wurzeln war ihm der Originalfilm bekannt, und ihm gelang 2017 ein gelungenes Remake in den Straßen von Berlin.

Antal bedient sich derselben Kulisse und drehte seinen Film ebenfalls in der deutschen Hauptstadt, gab Möhrings Filmtochter Emily Kusche sogar einen sehr gelungenen Kurzauftritt. Leider orientierte sich der Drehbuchautor Chris Salmanpour nicht so sehr an der Vorlage, was sich vor allem am Ende negativ bemerkbar macht. Denn statt sich an den Schluss zu halten, den das Original vorgibt und den auch Alvart übernahm, änderte Salmanpour das Finale, wie er es für ein US-Publikum offenbar als passender empfand. Damit überspannt er aber den Bogen der ohnehin recht kruden Story, die mehr von ihrer Spannung lebt als von ihrer Glaubwürdigkeit, eindeutig. Die letzten fünf Minuten von Retribution sind die schlechtesten des ganzen Films.

Davor aber zeigt Liam Neeson, dass er trotz seines Wechsels ins Actionfach noch immer ein Schauspieler ist, der auch ohne Explosionen und Prügeleien überzeugen kann. Denn sein Protagonist Matt Turner ist weder ein Held noch ein sonderlich netter Kerl. Sondern ein sogar recht unsympathischer Typ, der angesichts einer Notsituation über sich hinauswächst und einige Werte in sich wiederentdeckt, nach denen er schon lange nicht mehr gelebt hat. Neeson erweckt diesen Archetyp des wenig heldenhaften Charakters, der zwangsweise zum Helden werden muss, routiniert zum Leben und bringt dabei sogar hin und wieder die emotionale Kälte seines Charakters aus 96 Hours ein. Obwohl in der schwächeren Position, gelingt es Neeson, nur durch seine Stimme am Telefon den Eindruck zu vermitteln, dass es keine gute Idee ist, sich mit ihm anzulegen.

Neesons Leistung muss dem Publikum allerdings auch genügen, denn in Sachen Action hält sich Retribution weitgehend zurück. Zwar inszeniert Antal die ganz normale Autofahrt durch Berlin bereits wie einen Actionfilm mit zahlreichen Schnitten und Perspektiven, dennoch bleibt Retribution im Kern ein Thriller, in dem ein Mann gegen einen Unbekannten antreten muss, um sich und seine Kinder zu retten. Dieser Hitchcock-Vibe ist es, der Alvarts Film schon sehenswert machte und der auch Antals Version vorantreibt. In Neesons Gesicht kann das Publikum förmlich die rotierenden Gedanken sehen, kann mitfühlen, wie Matt immer wieder überlegt und durchspielt, wer ihm diese Falle gestellt haben könnte. Und deshalb stellen sich die Zuschauer:innen auch innerlich an Neesons Seite – und überlegen mit.

Das trägt zwar nicht den ganzen Film – und enttäuscht ein wenig am Ende –, aber es hält über weite Strecken von Retribution das Interesse an der Geschichte aufrecht. Und dieser Umstand macht den Film als Thriller durchaus sehenswert, wenn ihm auch wirklich originelle Momente fehlen. Wer allerdings das Original oder eines der Remakes bereits kennt, bekommt mit der neuesten Version des Stoffes keinen weiteren Nährwert. Dazu bleibt die Story dann doch zu dicht am bereits bekannten Plot. Und dann gilt: Retribution ist definitiv nicht die beste Version der Geschichte.

Retribution (2023)

Natürlich hatte Matt vergessen, dass er heute die Kinder zur Schule bringen muss. Doch aus dem kleinen Streit mit seiner Frau Heather wird schnell ein großer Albtraum. Kaum sitzt der Investmentbanker mit Emily und Zach im Auto, meldet sich ein Unbekannter. Der Anrufer behauptet, in Matts Auto sei eine Bombe versteckt. Wenn auch nur ein Passagier aussteigt, werden alle sterben. Matt erfasst die Panik. Wer ist der Unbekannte? Was will er? Ist die Drohung wahr? Während Matt mit seinen Kids durch ein friedliches Berlin fährt, liegen die Nerven immer mehr blank. Es geht um viele Millionen – und um ein schmutziges Geheimnis…

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Meinungen

Sade · 16.08.2023

Das Original ist der spanische film El Desconocido von 2015. Scheinbar haben auch die deutschen keine "eigenen Ideen"

Kerk · 26.07.2023

wusste gar nicht, dass die Amis jetzt schon Filme von uns kopieren...
(Steig nicht aus) heißt die deutsche Fassung von 2018...
keine eigenen Ideen mehr???