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Der Essayfilm des schwedischen Filmemacher-Duos Axel Danielson und Maximilien van Aertryck ist eine tour de force durch die Geschichte des Bewegtbilds.

And the King Said, What a Fantastic Machine (2023)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Bewegte Bilder überall

Was für eine fantastische Maschine die Kamera doch ist, so soll es der britische König Edward VII. ausgerufen haben, als er den Film über seine eigene Krönung gesehen hatte, inszeniert von George Méliès schon vor dem eigentlichen Ereignis. Und so ruft es auch aus dem Titel dieses dokumentarischen Essayfilms, aber man wird seiner Majestät wie dem Film nur dann gerecht, wenn man den zweiten Teil des Zitats auch noch ergänzt: „Was für eine fantastische Maschine die Kamera ist! Sie hat sogar einen Weg gefunden, jene Teile der Zeremonie zu filmen, die gar nicht stattgefunden haben.“

Die Regisseure Axel Danielson und Maximilien Van Aertryck beginnen ihren Trip durch Foto- und Bewegtbildgeschichte mit einer Camera Obscura und dem Staunen zufälliger Passant*innen, als diese zum ersten Mal erleben, wie ohne großen technischen Aufwand ein Bild projiziert wird. Wie einfach die Grundlage aller Foto- und Videografie ist: Man braucht nicht einmal eine Linse, nur Licht, Dunkelheit und eine Projektionsfläche.

Das ist der Beginn einer wunderbaren Reise bis hin zur Gegenwart allgegenwärtiger Videoaufnahmen, aber Danielson und Van Aertryck haben sich nicht fürs gemessene Flanieren entschieden, sondern für flotte Siebenmeilenstiefel. Gerade noch wurde das Thema der Inszenierung politischer Fotografien kurz angetippt, schon freut sich Leni Riefenstahl mit breitem Lächeln über die Kunstfertigkeit ihrer Schnitte und Kamerabewegungen in Triumph des Willens. Und dann darf man ein paar unsicher scherzenden Männern zusehen, die ein Propagandavideo für eine islamistische Organisation aufnehmen.

Kaum sah man ein paar Stimmen, die zur Einführung des Fernsehens von Sorgen und Hoffnungen sprechen, von Bildung und Völkerverständigung durch das neue Medium, schon führt eine Montagesequenz alle Höhen und Tiefen des linearen TV vor: Shopping-Kanäle, Berichte von Hungersnöten, Cicciolina im italienischen Fernsehen und Mauerspechte in Berlin, das ist dann wohl im Herbst 1989.

Lange nicht alle Szenen werden erläutert, eingeordnet oder auch nur datiert, und so erfordert And the King Said, What a Fantastic Machine zumindest gewisse medienhistorische Vorkenntnisse – nicht, um seine Wirkung, aber doch, um seine ganze Komplexität entfalten zu können. Die Vielfalt der Perspektiven verschwimmt schnell in ihrer reinen Menge; zumal durchaus widersprüchliche Sequenzen gerne durch suggestive Musik miteinander verbunden werden.

Der Film macht dadurch also zumindest in Teilen genau das, was er problematisiert: Er inszeniert und suggeriert Zusammenhänge, wo nur ergänzendes Wissen trennscharfe Unterscheidungen vornehmen könnte. Damit fordert der Film das Vertrauen ein, dass die Bilder, die wir sehen, sich tatsächlich sinnvoll und ohne Verfälschung und Verdrehung in einem Puzzle zusammenfügen, das der Film selbst nur unvollständig wiedergibt (und wiedergeben kann). Sollen, können wir uns aber dem Film, seinen Schnitten und Suggestionen blind überlassen? Wo der Film doch offensiv gerade Inszenierung und Intention problematisiert und hinterfragt wissen will?

„Die Kamera nimmt auf, was vor ihr ist. Was machen wir mit dieser Möglichkeit?“ Das ist so ein Satz, den And the King Said, What a Fantastic Machine in den Raum wirft und aber eigentlich nicht stehen lassen will. Denn jede Szene, jede Wendung fragt danach, ob die Aussage im ersten Satz so stimmt und wie sich die Frage im zweiten Satz dementsprechend verändert hat und stets noch verändert.

Da geht es um Inszenierung ebenso wie um wirtschaftliche Produktionsbedingungen. In einem Interview spricht Ted Turner (einige Jahre vor der Gründung von CNN) klar aus, dass seine Sender nur Unterhaltung, „Shows“, produzieren, um auf diese Weise ein gutes Umfeld für Werbung zu erzeugen, die er dann verkaufen kann. Und, ergänzt er, wenn alle Sender nur noch Shows zeigen, dann steige er halt auf Nachrichten um. Gesagt, später auch getan – aber Danielsons und Van Aertrycks Mediengeschichte dreht dann halt gleich weiter zu US-amerikanischen Wahlkämpfen, die spätestens mit Trump auch Nachrichtensendungen zu Shows werden ließen, auf Sensationen fokussiert statt auf – ja, was eigentlich?

Eine Antwort liefert dieser Essay nicht, nur einen Anfang; Versuche eben. Am Ende wendet sich der Blick auf YouTuber, auf Live-Streaming in jeder denkbaren Variante, auf die Verschiebung der Aufmerksamkeit hin zu digitalen Bildern, ihrer ständigen Verfügbarkeit. Was macht das mit uns, was machen wir damit?

And the King Said, What a Fantastic Machine (2023)

„And the King Said, What a Fantastic Machine“ ist ein Sprung in das weite Meer der Mediengeschichte. Von der Geburt der Camera obscura zur ersten Filmvorführung, von der Erfindung der Webcam zum ersten viralen Video jagt der scharfsinnige und nachdenklich stimmende Dokumentarfilm dem Aufstieg der Bildkultur hinterher. Die Collagen aus historischem Archivmaterial, Diktatoren vor jubelnden Mengen, erschütternder, Gewalt-ausstellender Pressebilder, Amateurvideos, Live-Streaming-Material und Videoschnipseln von Adrenalinjunkies, die an der Spitze von Wolkenkratzern hängen, bilden eine sinnbildliche Studie des Kinos und der von ihm mitgeformten Gesellschaftsgeschichte: Was bedeutet es, den Milliarden Bildern, die um unsere Aufmerksamkeit wetteifern, ausgesetzt zu sein? (Quelle: Berlinale 2023)

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