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Filmgeschichte(n)

10 Filme für einen halben Dollar

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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Kinetoskop-Salon in San Francisco
Kinetoskop-Salon in San Francisco

New York City, 1155 Broadway, Ecke 27. Hier eröffnete gestern vor 125 Jahren das erste kommerzielle Filmhaus. Kein Kino, wohlgemerkt. Vielmehr ein Salon und darin 10 Kinetoskope in zwei parallelen Fünferreihen. Für 25 Cent konnte man alle Filme einer Reihe sehen, für einen halben Dollar gab es Zugang zu allen Kinetoskopen. Die zehn gezeigten Filme trugen deskriptive Namen wie Wrestling, Highland Dance oder Horse Shoeing.

Für die kurzen Momente des Filmgenusses waren die Kinetoskope ein teures Vergnügen. Im Jahr 1894 konnte man für 25 Cent auch einer ganzen Vaudeville-Aufführung beiwohnen oder im Jahr darauf den Eintritt in den neu eröffneten Vergnügungspark Coney Island zahlen. Trotzdem war der Laden am Broadway ständig voll und bald schon eröffneten weitere Dependancen in San Francisco und Chicago. Aber was hatte es mit diesen Kinetoskopen eigentlich auf sich?

Innenansicht des Kinetoskops von Gaston Tissandier; Gemeinfrei
Innenansicht des Kinetoskops; Gemeinfrei

Im Februar 1888 hatte der Erfinder Thomas Edison eine Lesung des Fotografenpioniers Eadweard Muybridge besucht und angesichts seiner Bildsequenzen die Idee zu einem Filmbetrachter bekommen. Er beauftragte seinen talentiertesten Mitarbeiter William Kennedy Laurie Dickson mit der Umsetzung seiner Grundidee. Heraus kam dabei nach einer kurzen Entwicklungsphase ein hölzerner Kasten, durch dessen Deckel ein einzelner Zuschauer auf einen Zelluloidfilmstreifen schauen konnte, der von einem Elektromotor angetrieben in Endlosschleife über eine Glühlampe lief.

Die Projektion von Filmen an eine Leinwand habe keine Zukunft und würde sich wirtschaftlich nicht rechnen, befand Edison. Dafür gründete er das erste kommerzielle Filmstudio der Welt, wegen seiner schwarzen Wandfarbe in Anspielung auf die schwarz lackierten Gefangenentransporter Black Maria genannt. Dort brachte er den neu entwickelten Kinetographen zum Einsatz, eine elektrisch betriebene Filmkamera, mit der Filmrollen 46-mal in der Sekunde belichtet werden konnten.

Genau diese Filme waren es, die die Menschen schließlich in den Kinetoskopen zu sehen bekamen. In die Filmgeschichte ging etwa Fred Ott’s Sneeze ein. Nach einer Anfrage der Zeitschrift Harper’s Weekly filmte Dickson seinen Assistenten Fred Ott dabei, wie er eine Prise Schnupftabak nahm und daraufhin nieste. Harper’s Weekly druckte die Einzelbilder des Films in einer Märzausgabe 1894 ab — und Dickson meldete das Werk als ersten Film der Geschichte für ein US-amerikanisches Copyright an. Hier kann man eine Karte mit allen 45 Einzelbildern sehen.

Fred Ott Sneeze L

Der durchschlagende Erfolg des Kinetoskops (allein in den ersten 11 Monaten brachte der Spaß Edisons Firma rund 85.000 US-Dollar Profit ein) sorgte für viel Konkurrenz. Die Folge waren zahlreiche Weiterentwicklungen des Konzepts. Das Kinetophon etwa war Edisons und Dicksons erster Versuch eines Bild-und-Ton-Systems und kombinierte das Kinetoskop mit dem kurz zuvor erfundenen Phonographen. Weil Edison kein Patent für Europa angemeldet hatte, konnten sich die Lumière-Brüder bei einer Vorführung dazu inspirieren lassen den ersten erfolgreichen Filmprojektor zu entwickeln. Mit der Verbreitung dieser Technik war schließlich auch das Ende des Kinetoskops besiegelt. 

35mm-Filmstreifen von "Butterfly Dance" mit Annabelle Whitford Moore; Gemeinfrei
35mm-Filmstreifen von „Butterfly Dance“ mit Annabelle Whitford Moore; Gemeinfrei

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