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Maria Schrader – Das Multitalent

Ein Beitrag von Markus Fiedler

Sie ist Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin, wirft in ihren Arbeiten seit vielen Jahren kritische Blicke auf Gesellschaft und Politik und könnte mit ihrem neuesten Film „She Said“ auch bei den Academy Awards 2023 ein gewichtiges Wort mitsprechen. Zum Start des Films werfen wir einen Blick auf das Leben und Schaffen von Maria Schrader.

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Maria Schrader
Maria Schrader

Die 1965 in Hannover geborene Maria Schrader begann — wie so viele deutsche Schauspielerinnen vor und nach ihr — ihre Karriere im sogenannten leichten Fach: der Komödie. „RobbyKallePaul“, ein Film ihres langjährigen Lebensgefährten Dani Levy, bei dem sie 1989 nicht nur als Darstellerin debütierte, sondern auch als Co-Drehbuchautorin, war der Startschuss. Die nette Komödie über eine schräge Männer-WG wurde zumindest in Studentenkreisen damals ein Erfolg und sorgte für weitere Kollaborationen mit Levy, auch nach dem Ende ihrer Beziehung. In „Stille Nacht“ (1996) und „Meschugge“ (1998) übernahm sie sowohl eine Rolle vor der Kamera als auch den Job der Mit-Autorin des Drehbuches.

 

Schrader und das Judentum

Ob Maria Schrader über Dani Levy für das Thema sensibilisiert wurde oder schon immer ein Interesse daran hatte, ist unklar. Fakt ist hingegen, dass Schrader sich in ihrer Karriere einige Male auf ganz verschiedene Arten mit Aspekten jüdischen Lebens in unterschiedlichen Epochen beschäftigt hat – als Schauspielerin und Regisseurin. In Aimee und Jaguar, 1998 von Max Färberböck inszeniert und 1999 veröffentlicht, spielt sie nach einer wahren Geschichte die Jüdin Felice, die in Berlin während des Dritten Reiches ihre große Liebe findet. Die vierfache Mutter Lilly Wust, gespielt von Juliane Köhler, hat es Felice derart angetan, dass sie trotz akuter Gefahr für ihr Leben in Berlin bleibt, um Lilly nicht zu verlieren. Die Rolle der klugen, gerissenen und unfassbar mutigen Felice brachte Maria Schrader nicht nur den Silbernen Bären als beste Darstellerin bei der Berlinale 1999 ein, sondern gab ihr möglicherweise auch eine Inspiration für ihr Privatleben: Die 1998 geborene Tochter aus der Beziehung mit Regisseur Rainer Kaufmann heißt Felice.

2007 war Schraders Regiedebüt ein deutsch-israelischer Film namens Liebesleben, 2011 spielte sie im polnischen Oscar-Beitrag des Jahres unter der Regie von Agnieszka Holland die Jüdin Paulina, die sich mit anderen Juden vor den Nazis in der Kanalisation von Lemberg versteckt und unerwartete Hilfe bekommt – von einem polnischen Kanalarbeiter. Zu dieser Zeit war Schrader nach mehr als 20 Jahren im deutschen Film längst eine Institution geworden, dennoch nahm sie die Rolle in In Darkness an, offenkundig weil die Rolle sie interessierte. 

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2020 schließlich inszenierte sie die Mini-Serie Unorthodox für Netflix. Darin bricht eine junge Frau aus einer ultra-orthodoxen jüdischen Gemeinde in New York aus und flieht nach Berlin, um selbstbestimmt zu leben und wieder Kontakt zu ihrer Mutter zu finden, die die Familie vor vielen Jahren verlassen hatte. Deren Erzählung deckt sich so gar nicht mit dem, was die junge Esty Zeit ihres Lebens über ihre Mutter zu hören bekam, und öffnet ihr die Augen für einige unangenehme Wahrheiten.

Unorthodox bekam zwar viele gute Kritiken, einige jüdische Intellektuelle wie der Historiker Michael Wolffsohn warfen der Serie aber auch antijüdische Stereotype vor und fanden, die Serie bediene antisemitische Klischees. Klar war im Vorfeld schon: Wenn eine deutsche Regisseurin sich einem jüdischen Thema kritisch nähert, ist das ein besonders heikles Unterfangen, das dürfte auch Maria Schrader bewusst gewesen sein, als sie den Job annahm. Angst gehört also offenbar nicht zu ihren Problemen. Dem Erfolg der Serie schadete die Kritik nicht: Maria Schrader wurde beim renommierten US-Fernsehpreis Emmy Awards als beste Regisseurin einer Serie ausgezeichnet, Unorthodox selbst war als beste Mini-Serie ebenfalls nominiert.

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In ihrem dritten Film als Regisseurin, Vor der Morgenröte (2016), beleuchtet Maria Schrader die letzten Lebensjahre des jüdisch-österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig (Schachnovelle), der 1942 im Exil durch Selbstmord starb. In Drehbuch und Inszenierung spürt Schrader hier besonders der Entwurzelung nach, die den sensiblen und vor seiner Flucht eher unpolitischen Schriftsteller schließlich in den Freitod treibt. Selbst negative Kritiken gestehen ihr dabei „feinfühlig bebilderte Zeitgeschichte“ zu.

Auch in ihrer neuesten Regie-Arbeit She Said, der als einer der möglichen großen Filme für die kommende Oscar-Verleihung gehandelt wird, nimmt sie sich in einer kurzen, aber umso stärkeren Szene des Themas an. Beim Gespräch einer der beiden Journalistinnen mit einem potenziellen Informanten befragt der sie über ihr Schreiben an ihn, in der sie Gemeinsamkeiten hervorhebt, unter anderem Urlaub in einem bestimmten Gebiet. Sie erzählt ihm daraufhin davon, dass sie dort zum ersten Mal die bloßen Arme ihrer Großmutter sah, mit den Tätowierungen aus dem Konzentrationslager. Ein bleibender Eindruck für sie – und für das Publikum von She Said.

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Der Sprung nach Hollywood

Natürlich ist She Said Schraders bislang größter Film als Regisseurin. Und ein ungemein wichtiger dazu. Denn ihre fast dokumentarische Aufarbeitung des Harvey-Weinstein-Skandals um jahrzehntelange Übergriffe auf weibliche Angestellte und junge Schauspielerinnen bis hin zur Vergewaltigung, der in den USA nicht nur die #MeToo-Bewegung auslöste, sondern auch zu zahlreichen Änderungen in Gesetzgebung und Regeln am Arbeitsplatz führte, verleiht dem Thema die notwendige Wucht. Schrader inszeniert diesen Film nicht nur konsequent aus weiblicher Sicht, was in Anbetracht der erdrückenden Beweise gegen Weinstein die einzig richtige ist, sondern sie vermeidet auch jegliches Pathos, das die Dringlichkeit der Botschaft verwässern könnte. So zeigt sie kein einziges von Weinsteins Verbrechen, sondern nutzt die pure Erzählung der Frauen, um die Bestie zu entlarven. 

Maria Schrader deshalb auf eine Regisseurin schwerer Stoffe zu reduzieren, tut ihr aber Unrecht. Denn ihr vorheriger Film Ich bin dein Mensch von 2021 glänzt mit vielen Tugenden, für die sie in She Said keine Verwendung hatte. Mit leichter Hand inszeniert sie hier eine Sci-Fi-Dramedy mit klarer Botschaft, verhandelt klug, aber nie schwer über ewige Fragen und moderne Probleme und beweist immer wieder beißenden, aber nie verletzenden Humor, den sie erst ins Drehbuch und dann auf die Leinwand transportiert. Kein Wunder also, dass Ich bin dein Mensch beim Deutschen Filmpreis 2021 kräftig abräumte.

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Die Magie der Maria Schrader

Was Maria Schrader als Schauspielerin und Regisseurin ausmacht, ist dabei nicht so leicht zu fassen. Auffällig ist, dass sie sich in jeder der Rollen in den Dienst des Films stellt. Als Schauspielerin agiert sie am besten, wenn sie mit anderen spielt, als Regisseurin verzichtet sie auf eine allzu sichtbare Handschrift und passt ihre Inszenierung dem Thema an. Ein Stärke, die nicht unbedingt weit verbreitet ist bei Regisseur:innen. Die Schauspielerin Maria Schrader hingegen hat oft bewiesen, dass sie in lustigen wie ernsten Rollen gleichermaßen faszinieren kann; eine Fähigkeit, die gerade im deutschen Film eher selten zum Tragen kommt. Sie ist eine der Wenigen, der das Publikum gerne zusieht, egal was sie macht.

Ob das deutsche Kino Maria Schrader als Schauspielerin und Regisseurin nun endgültig an Hollywood verliert, das bleibt abzuwarten. Die Chancen stehen gut, dass sich Schrader zumindest hinter der Kamera in der Traumfabrik etablieren kann und künftig häufiger mit Stars wie Carey Mulligan zusammenarbeitet. Es bleibt aber zu hoffen, dass Deutschland 89 aus dem Jahr 2020 nicht ihre letzte Rolle vor der Kamera war. Denn so ein Mulitalent sollte sein Können weiterhin weiträumig nutzen und sich nicht nur auf eine Sache versteifen. Auch wenn nach She Said die Angebote wahrscheinlich deutlich in die Höhe schnellen werden. Wenn Maria Schraders Gespür für gute Stoffe dabei erhalten bleibt, können wir uns auf weitere starke Filme von ihr freuen. Und vielleicht spielt sie ja irgendwann in einem ihrer Filme sogar mit.

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