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Couchperle: Die Pulp-Wurzeln von Indiana Jones

Ein Beitrag von Mathis Raabe

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Jäger des verlorenen Schatzes, Melt
Like ice in the sunshine... schmelzende Nazis

Am 29. Juni startet der fünfte Teil der legendären Indiana-Jones-Reihe in den deutschen Kinos. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit der letzte sein, ist doch Hauptdarsteller Harrison Ford inzwischen 80 Jahre alt. Da muss er sich nicht unbedingt noch für unsere Unterhaltung um die Welt prügeln oder lebensgefährliche Verfolgungsjagden spielen – Verjüngungs-CGI hin oder her. Entsprechend groß ist die Hoffnung auf einen letzten Kick aus der Nostalgiespritze durch Indiana Jones und das Rad des Schicksals. Aber ist es wirklich nur die Nostalgie, sind es wirklich nur unterhaltsame Abenteuerfilme, oder hielten Steven Spielberg und George Lucas doch einen Blockbuster der besonderen Art in den Händen, als sie 1981 Jäger des verlorenen Schatzes in die Kinos brachten? Immerhin gab es wohl nie ein Duo, das das Blockbusterkino gemeinsam mehr geprägt hat als diese beiden Regisseure.

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Neben den meisterhaft in Szene gesetzten Action-Achterbahnfahrten (im Wortsinn, viele Set-Pieces folgen der Logik einer Rummelattraktion) und dem eher schlecht gealterten Exotismus der Reisen in fremde Kulturen liegt ein besonderer Charme darin, dass Indiana Jones eine waschechte Pulp-Figur ist. Pulp, das ist nicht nur die Hälfte eines Tarantino-Filmtitels, sondern vor allem ein Stück US-Kulturgeschichte. 1896 kamen die Macher des Magazins Argosy auf die geniale Idee, billige Druckerpressen, billiges Papier und billige Autoren zu kombinieren, um mit populären Stoffen Geld zu machen. Das hiesige Äquivalent ist Tankstellenliteratur wie vom Bastei-Verlag, oft Groschenromane genannt. Das Erbe der Pulps auf die Popkultur ist aber gar nicht zu unterschätzen: Tarzan, Conan, Zorro, Flash Gordon, Buck Rogers und Vampirella haben allesamt dort ihren Ursprung.

Indiana Jones ist noch keine hundert Jahre alt, aber er ist vom selben Figurentypus wie etwa Doc Savage, seinerseits ein multitalentierter Wissenschaftler, und das legendäre Pulp-Magazin Adventure steht zweifellos Pate für die Art von weltumspannenden Abenteuern, die Onkel Indy lebt. Auch das Motiv der heiligen oder verfluchten Artefakte, die übernatürliche Fähigkeiten verleihen können, war dort bereits kennzeichnend.

Diese Liebe für Pulp-, B-Film- und andere sogenannte Trashkultur, die Steven Spielberg bekanntermaßen hat, drückt er bei Jäger des verlorenen Schatzes dann auch noch durch wunderbar überzeichnete und unappetitliche Effekte aus. Im Finale erscheinen aus dem titelgebenden Schatz Blitze und Geister, die den anwesenden Nazis das Fleisch von den Knochen schmelzen und dann als Feuerstoß in den Himmel fahren. Das ist definitiv das Highlight des Films und sichert Jäger des verlorenen Schatzes auf ewig einen Platz im obskuren Kanon der Melt Movies.

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Unter Melt Movies versteht man nicht mehr und nicht weniger als Filme, in denen menschliche Körper schmelzen – monströse Transformationen durchmachen, vom Skelett fließen und dann zu Pfützen aus Glibber werden, meist durch handgemachte Spezialeffekte. Derlei Effekte kann man auch noch exzessiver einsetzen als Spielberg – die Splatterfilme Street Trash und Slime City etwa oder das orgiastische Finale von Brian Yuznas Body-Horror-Satire Society sind wahrhaft anarchische Filmerfahrungen, so als hätte Punk-Provokateur GG Allin hinter der Kamera gestanden.

Indiana Jones und das Rad des Schicksals wird vermutlich etwas familienfreundlicher ausfallen. Deshalb lohnt sich vor dem Nostalgie-Ritt, der ja jedem gegönnt sei, ein Wiedersehen mit dem durchaus unkonventionellen Original.

Jäger des verlorenen Schatzes ist bei Disney+  und den gängigen VoD-Anbietern zur Leihe verfügbar. Wenn man dann Lust auf Körperschmelze bekommen hat, kann man „Society“ gleich noch hinterher schieben.

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