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Darling der Woche

Die Milch macht's

Ein Beitrag von Christian Neffe

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Ein Glas Milch
Ein Glas Milch

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, den Charakter einer Filmfigur ganz ohne Worte zu schleifen. Einer davon folgt dem Sprichwort „Du bist, was du isst.“ Oder auch: „Du bist, was du trinkst“: Was Figuren an Flüssigkeiten konsumieren, kann so einiges über ihren Geisteszustand, ihre Moral oder ihre Klassenzugehörigkeit aussagen. Stilvolle Gemüter genehmigen sich gern ein Glas Rotwein. Coole Typen hingegen bevorzugen den guten alten Whiskey. Manche setzen aber auch auf Alkoholfreies — etwa ein vermeintlich schnödes Glas Milch. Anlässlich des Internationalen Welt-Milch-Tags am 1. Juni wollen wir an dieser Stelle einen kleinen Blick auf dieses überaus symbolträchtige Getränk werfen. Denn tatsächlich ist der Kuhsaft gar nicht so schnöde — und findet deshalb erstaunlich oft seinen Weg in die Kehlen von Film-Protagonist*innen. 

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Man denke etwa an Jean Renos Figur aus Léon — Der Profi, Alex aus Kubricks Uhrwerk Orange oder Hans Landa, der sich zu Beginn von Inglourious Basterds ein frisches Glas Milch von Monsieur LaPadite servieren lässt. Weshalb dieses Getränk derart symbolträchtig ist, ist schnell erklärt: Milch ist untrennbar mit Kindheit (respektive Kindlichkeit) und Unschuld verknüpft, ist sie doch das erste und in der Regel einzige Lebensmittel, das wir in den Monaten nach unserer Geburt zu uns nehmen. Ganz zu schweigen von seinem unbefleckten, rein-weißen Erscheinungsbild. 

Das kann, wie im Fall von Catch Me If You Can, dazu genutzt werden, kindliche Charakterzüge zu betonen. Spannende Konflikte entstehen jedoch erst, wenn die metaphorische Unschuld, die diesem Getränk innewohnt, im Kontrast zur übrigen Charakterzeichnung steht: Ist es nur ein Gag seitens Luc Besson, dass Renos Léon das Trinken eines Glases Milch zu einem täglichen Ritual erhoben hat? Oder zeigt es nicht eher, dass unter der Oberfläche des eiskalten Profikillers ein im Grunde kindlicher, nach Liebe und Geborgenheit strebender Mensch schlummert?

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Je größer die moralischen Abgründe, desto verstörender und disruptiver wirkt es, wenn die Milch zum Getränk der Wahl erkoren wurde. Wer denkt nicht sofort an Alex (Malcolm McDowell) aus Uhrwerk Orange, ein gewalttätiger Soziopath im Körper eines Heranwachsenden, dessen Milchgenuss durch die sinistere Inszenierung der Eröffnungssequenz umso seltsamer wirkt? An den SS-Mann Hans Landa (Christoph Waltz), der sein Glas Milch in einem Zug leert und durch diesen Akt alles Gute und Reine wie ein gefräßiger Leviathan verschlingt? Oder an Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) aus Paul Thomas Andersons There will be Blood, der im Finale wie ein Besessener immer und immer wieder „I drink your milkshake!“ brüllt, bevor er zum tödlichen Schlag ausholt?

Dass die Produktion von Kuhmilch im Prinzip ein Akt der Ausbeutung ist und oft mit Tierleid einhergeht, wollen wir an dieser Stelle natürlich nicht verschweigen — und weisen deshalb auch auf Andreas Pichlers Reportage Das System Milch hin. Aus rein filmischer Sicht ist dieses Getränk jedoch wohl eines der symbolträchtigsten, das es gibt. Welche Implikationen mit seinem Genuss verknüpft sind, das hat YouTube Jack Nugent in einem wunderbar kompakten Video-Essay zusammengefasst. Prost!

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