Die goldenen Jahre (2022)

Wie Liebe gelingen kann

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Ältere Menschen auf der Leinwand sind immer noch die Seltenheit, ihre Bedürfnisse, ihre Sehnsüchte scheinbar nur wenig relevant für jene Stoffe aus dem die Träume bestehen. Dabei sind die Menschen über 50 als Kinopublikum nicht zu unterschätzen. So erscheinen Filme wie „Die goldenen Jahre“, vielversprechend, weil sie genau das machen: Von den Belangen, Konflikten und Träumen der älteren Generation sprechen. Und weil Barbara Kulcsar das ziemlich gut und klug und mit viel Charme gelingt, kann man ihn sich ruhig auch schon dann anschauen, wenn die Rente noch in weiter Ferne liegt.

Seit 42 Jahren sind Alice (Esther Gemsch) und Peter (Stefan Kurt) verheiratet, das ist eine lange Zeit. Da schleicht sich so manche Gewohnheit ein. Als Peter 65 wird und in Rente geht, wird das pompös gefeiert: im Restaurant, mit Wimpeln und mit Geschenken. Endlich frei! Dass er aber doch nicht nur machen kann, was er will, wird Peter spätestens am nächsten Tag deutlich, als Alice ihm den Staubsauger hinhält und erklärt: „Ab jetzt machen wir 50/50 im Haushalt.“ Auch Alice freut sich auf den neuen Zeitabschnitt, hat aber gänzlich andere Vorstellungen davon.

Darum geht’s in Die goldenen Jahre: Wie man sich ein Zusammenleben vorstellt, wie man seine und die Wünsche des Partners miteinander verknüpft, um ein gutes Leben zu führen. Damit funktioniert der Film wie andere Liebesgeschichten auch, und natürlich steht dabei auch immer die Frage nach der Liebe – ja, auch der körperlichen Liebe – im Hintergrund.  Wie kann Liebe gelingen? Wie weit will man für die Liebe zum Partner oder zur Partnerin zu gehen, und wie groß werden dabei die Kompromisse sein müssen?

Alice kann sich noch mit den neuen Gesundheitsregeln ihres Mannes abfinden, dem täglichen Radeln, den veganen Kreationen zum Abendessen und dem Verzicht auf Alkohol. Als Peter dann aber seinen besten Freund (Ueli Jäggi) mit auf die gemeinsame Kreuzfahrt nimmt, lieber mit ihm lesend an Deck liegt und am Abend früh in die Kajüte geht, wird es Alice zu viel. So hat sie sich das Leben mit 65 nicht vorgestellt!

Deshalb macht sich Alice auf, ihren eigenen Weg zu finden, und bleibt beim Landausflug in Marseille einfach an Land. Sie liebt das Abenteuer, will etwas noch etwas erleben, und das tut sie auch. Sie sucht den einstigen Liebhaber ihrer gerade verstorbenen Freundin Magalie in Frankreich auf, macht die Bekanntschaft von einem freiheitsliebenden Paar im Camper und landet schließlich in einer ländlichen Gemeinschaft, in der Frauen unterschiedlichen Alters leben. Dort entdeckt sie eine große Überraschung und stellt auch für sich einiges klar.

Alice hatte Peter nichts von ihrem Vorhaben erzählt, deshalb macht der sich erst einmal große Sorgen, als Alice von Marseille aus nicht mehr an Bord zurückkommt. Erschüttert von Alices Freiheitsaufbruch, findet er sich schließlich aber mit der neuen Situation ab, lädt nach der Heimkehr kurzerhand Heinz zu sich ins Haus ein und lebt mit ihm in einer Quasi-WG ein beschauliches Leben ganz nach seinem Geschmack. Mit der Rückkehr von Alice und auch den Forderungen der Kinder und deren eigenen Problemen hat er aber nicht gerechnet.

Der Film wechselt immer wieder die Perspektiven, erzählt aus der einen, dann aus der anderen Sicht – und das Schöne daran ist, dass man beide Figuren gut verstehen kann: Alice in ihrem Freiheits- und Erlebnisdrang, Peter in seinem Bedürfnis nach einem geregelten Alltag. Natürlich lädt der Film auch ein, sich selbst zu positionieren und Fragen an sich selbst zu stellen. Über allem aber steht die Frage danach, wie nun diese beiden Figuren zueinanderfinden können.

Erwartbare Antworten gibt der Film dann aber nicht unbedingt, und auch das ist erfrischend an der Komödie, die lustige Situationen mit nachdenklich stimmenden Momenten verknüpft, durch ein sympathisches und authentisches Cast besticht, den Spannungsbogen flach, aber eben nicht allzu vorhersehbar gestaltet. Drehbuchautorin Petra Volpe (Heidi, Die göttliche Ordnung) hat sich für ihre Geschichte von den Erfahrungen der eigenen Eltern und denen, die sie mit dem Rentenalter ihrer Eltern gemacht hat, inspirieren lassen, und das schlägt sich in der Glaubwürdigkeit vor allem auch der Nebenbei-Beobachtungen nieder. Egal also, wie alt man als Zuschauerin oder Zuschauer selbst sein mag: Der Film ist ein Kinobesuch allemal wert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-goldenen-jahre-2022