Wem gehört die Stadt - Bürger in Bewegung

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Bloß kein neues Einkaufszentrum!

Stadtentwicklung ist in Zeiten von Gentrifizierung und Wutbürgertum ein spannendes Thema geworden, für das sich auch Dokumentarfilmer interessieren. Die Kölner Filmemacherin Anna Ditges hat zwei Jahre lang ein Bürgerbeteiligungsverfahren in ihrer Heimatstadt mit der Kamera begleitet. Ausgangspunkt war im Jahr 2010 die Absicht eines Investors, auf dem Gelände der ehemaligen Helios-Fabrik im Stadtteil Ehrenfeld ein Einkaufszentrum zu errichten. Dagegen formierte sich Protest aus der alternativen Szene, die in den alten Fabrikräumen Clubs, Werkstätten, Ateliers und Kreativbüros eingerichtet hatte, aber auch von Anrainern und Nachbarn. Eine Bürgerinitiative wurde gegründet und mit Unterstützung des Bezirksbürgermeisters Josef Wirges 2011 ein Bürgerbeteiligungsverfahren eröffnet.
Der Dokumentarfilm verfolgt vor allem den schwierigen Prozess, in dem die Bürger ihre unterschiedlichen Interessen bündeln und in ein Leitkonzept für die Stadtplaner einfließen lassen. Aber schließlich kommt noch einmal alles ganz anders: Die Stadtverwaltung legt plötzlich einen eigenen Vorschlag auf den Tisch – eine inklusive Schule soll auf dem Gelände errichtet werden. Damit sind zwar einige Anwohner nicht einverstanden – zum Beispiel die Handwerker und Einzelhändler, die sich nun andere Räume suchen müssen. Aber die Mehrheit der Leute in der Bürgerinitiative stimmt der Schule zu. BI-Sprecher Hans-Werner Möllmann ist zufrieden, dass die Bürger „aufgepasst haben“ und der Bau der Shoppingmall verhindert werden konnte.

Ähnlich wie in dem als spielerisches Polit-Experiment angelegten Dokumentarfilm Der große Demokrator von Rami Hamze, der ebenfalls in Köln entstand, zeigt sich auch hier, dass die Vorstellungen der Bürger über die beste Nutzung eines freien Raums weit auseinandergehen. Das hat auch hier, trotz der Vehemenz, mit der debattiert wird, manchmal witzigen Charakter. Zur BI gehört eine Architektin, der es vor allem um optische Aspekte der Bebauung geht. Die Gruppe, die einen Park auf dem Gelände haben will, kann sich nicht durchsetzen. Der Investor entspricht als Golfspieler dem Klischee des Gutsituierten, der die Idee, preiswerte Wohnungen auf dem Gelände zu bauen, für abwegig hält. Und in der Stadtverwaltung heißt es, im Grunde sei für eine so intensive Bürgerbeteiligung gar kein Geld vorhanden. Ditges stellt vor allem den beiden Vertretern des Stadtplanungsamts wiederholt ketzerische Fragen aus dem Off, wie jene aus dem Filmtitel. Die Antworten fallen auf amüsante Weise bürokratisch-unbeholfen aus.

Visuell ist der Film nicht sehr ergiebig oder abwechslungsreich, denn im Zentrum stehen die verschiedenen Protagonisten und ihre Argumente. Aber über den Schnitt, der auf den bunten Kontrast der Meinungen achtet, wirkt die Debatte richtig spannend. Der informative und lehrreiche Film zeigt vor allem eines: Wahrscheinlich hätte die Stadt den Vorschlag mit der inklusiven Schule, der sich schließlich durchsetzt, gar nicht auf den Tisch gebracht, hätte es den Protest gegen das Einkaufszentrum nicht gegeben. Auch wenn die Nutzung des Geländes nicht so kreativ und bunt ausfallen wird, wie es sich viele Anwohner wünschten, hat sich ihr Engagement aus ihrer Sicht also doch gelohnt. Dieses Beispiel von kommunaler Bürgerbeteiligung könnte auch andernorts Schule machen.

Wem gehört die Stadt - Bürger in Bewegung

Stadtentwicklung ist in Zeiten von Gentrifizierung und Wutbürgertum ein spannendes Thema geworden, für das sich auch Dokumentarfilmer interessieren. Die Kölner Filmemacherin Anna Ditges hat zwei Jahre lang ein Bürgerbeteiligungsverfahren in ihrer Heimatstadt mit der Kamera begleitet. Ausgangspunkt war im Jahr 2010 die Absicht eines Investors, auf dem Gelände der ehemaligen Helios-Fabrik im Stadtteil Ehrenfeld ein Einkaufszentrum zu errichten.
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