Was Männer sonst nicht zeigen

Was Finnen in der Sauna tun / Seelen-Striptease in der Sauna

Ist das eigentlich ein Männerfilm? Die Frage drängt sich nach den ersten fünfzehn Minuten von Was Männer sonst nicht zeigen auf. Nur in der Eingangsszene ist eine Frau anwesend, liebevoll peitscht ihr Mann mit Birkenzweigen ihre Beine und wäscht ihren Rücken. Große Intimität vor der Kamera – und die hält dieser Dokumentarfilm die gesamten 81 Minuten durch.
Die beiden finnischen Regisseure Joonas Berghäll und Mika Hotakainen haben einen Film über die Saunakultur ihrer Heimat gedreht, so wird der Film angepriesen. In kurzen Zwischensequenzen zeigen sie auch tatsächlich kuriose Saunagebäude: einen umgebauten Wohnwagen im Wald, eine dampfende Dreschmaschine auf dem Feld, ein Auto, eine Telefonzelle. Doch eigentlich geht es hier um den finnischen Mann. Der gibt sich nach außen gern hart und emotionslos, versucht, die Hindernisse des Schicksals mit stoischem Gleichmut zu ertragen, egal, welche Knüppel es ihm zwischen die Beine wirft. Die letzten John Waynes, so hat man den Eindruck, leben in Finnland. Nur hier in der Sauna, aller Kleider entblößt und eingelullt von Dampf und Hitze, da fangen sie plötzlich an, über ihre Gefühle zu reden: Der ehemals drogensüchtige Ex-Häftling erzählt, wie er im Gefängnis nach einem gescheiterten Ausbruchsversuch in der Einzelzelle Läuterung erfuhr, nach Absitzen der Strafe eine hübsche Frau ansprach und sie wenig später heiratete. Das Paar hat drei Kinder. Er sagt, die Familie habe sein Leben geändert. Ein anderer Mann berichtet seinem Freund in der Sauna, wie er das Sorgerecht für die damals drei Jahre alte Tochter verlor und diesen Schicksalsschlag bis zum heutigen Tag nicht verwunden hat. Er weint. Ein Kriegsveteran spricht über die Traumata des Afghanistan-Einsatzes und die Schwierigkeit, ins zivile Leben zurückzukehren. „Finnische Männer waren schon immer hart im Nehmen“, sagt er. Besonders in der Armee dürfe er keine Emotionen zeigen. Ein alter Weltkriegsveteran berichtet fünf Freunden, wie er seine Ehefrau nach plötzlicher Krankheit bis zu ihrem Tod pflegte und sich dann fast aufgab. Sein Sohn mahnte ihn hinaus zu gehen, auf einem Veteranentreffen sah er eine hübsche Frau und sprach sie an. Das Paar ist jetzt mehr als zehn Jahre zusammen. „Wir werden gemeinsam alt“, sagt er und die Freunde nicken erfreut.

Es gibt noch viel mehr solcher Episoden. Sie alle sind nah an den Erzählenden gefilmt. Hotakainen und Berghäll lassen ihren Protagonisten Raum für ihre Emotionen, hier wird keine pathetische Musik unter die Tränen gelegt, nur das Knacken des Holzes und das Zischen des Dampfes begleiten die Erzählungen. Sanfte Instrumentalstücke gibt es nur unter den epischen Bildern finnischer Landschaft, die zwischen die Episoden geschnitten wurden. Und da gehören sie auch hin.

Man hört den Erzählenden gern zu. Das liegt auch am Trick mit der Nacktheit. Keine Kleider stören den Betrachter. Das heißt: kein Suchen nach Hinweisen auf soziale Herkunft oder Vergangenheit. Keine Statussymbole. Keine Vorurteile. Man ist gezwungen, sich einfach nur auf das Erzählte einzulassen. Das ist mitunter sehr unterhaltsam. Und allein für die Episode mit dem Bären in der Sauna sollte man diesen Film im Kino sehen.

(Maria Wiesner)

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Echte Kerle reden nicht gerne. Schon gar nicht über Probleme. Sie trinken lieber ein Bier mit dem besten Kumpel. Dieses soziale Phänomen ist dem Vernehmen nach gerade bei echten Kerlen finnischer Herkunft in sehr extremer Ausprägung zu beobachten. Allerdings gibt es in Finnland noch einen anderen sozialen Allgemeinplatz: die Sauna. Hier trifft man sich, schwitzt und trinkt gemeinsam. Heiße Aufgüsse und kühler Alkohol wirken als Katalysator – man ist gemeinsam nackt, da kann man ja in diesem geschützten Biotop auch als echter Kerl seine Seele ein wenig nackig machen und mal richtig reden.

Aus eigener Sozialisation weiß der Regisseur Joonas Berghäll, dass die unzähligen öffentlichen und privaten Saunen in Finnland Orte sind, wo die wirklich wichtigen Themen des Lebens verhandelt werden: von der ersten Liebe bis zur Scheidung, von der eigenen problematischen Kindheit bis zum Kinderkriegen. Die Essenz des Lebens tritt zutage im Dampf der Sauna, das ist die Idee hinter dem Dokumentarfilm Steam of Life, den Jonas Berhäll gemeinsam mit Mika Hotakainen realisiert hat.

Steam of Life ist gleichsam eine Reise in die finnische (Sauna-)Landschaft sowie ein Einblick in die Tiefen finnischer Männerseelen. Genauso schwergewichtig wie die schwitzenden Körper sind oft die Probleme, die sich die Männer von der Seele reden. In 17 verschiedenen Sauna-Szenen entfaltet der Film in ruhigem Tempo und mithilfe statischer Kameraeinstellungen ein universelles Panorama männlicher Seelenlandschaften, durchbrochen durch in verschiedener Form wiederkehrende Rituale, wie etwa einen neuen Aufguss oder eine weitere Runde Bier zwischen den Saunagängen. Hier prosten sich auch schon mal Lakonie und Humor zu, wenn der gemeinsame, schweigsam genossene Schluck von vier Kumpels aus ihren Bierflaschen wie choreographiert erfolgt.

Die Settings reichen von einer städtischen Sauna über verschiedene private Schwitzräume und selbstgezimmerte Schwitzhütten bis hin zu einer Militärsauna. Skurril anzuschauen ist vor allem, was alles so zur Sauna umfunktioniert werden kann und auch umfunktioniert wird: ob Wohnwagen, Auto oder Telefonzelle: die Finnen sind erfinderisch.

Die humoristische Leichtigkeit mancher Szenerie und Momente in Steam of Life steht allerdings in extremen Gegensatz zu den schweren emotionalen Verletzungen, von denen manche der Männer erzählen. Die nackten Finnen entblößen vor der Kamera immer auch ihr Innerstes. Die Filmemacher lassen die Männer einfach erzählen, der Zuschauer wird Zeuge einer Intimität, die aber gleichzeitig seltsam anonym bleibt. Unvermittelt, fast ohne szenischen Vorlauf und damit ohne die Gelegenheit für den Zuschauer, die einzelnen Menschen erst einmal auf sich wirken zu lassen, brechen aus den Männern teilweise ihre größten Traumata hervor.

Gerne würde man mehr über die Menschen hinter den einzelnen Schicksalen erfahren, die sich da Schlag auf Schlag offenbaren. Tatsächlich erfährt und sieht man vereinzelt von den Menschen auch etwas mehr, als die nackten Körper und bloßen Worte, die sie in der Sauna preisgeben. Den Ex-Knacki z.B. mit der desolaten Vergangenheit, der sich nie hätte träumen lassen, dass er einmal stolzer Familienvater mit 3 Jungs sein würde, darf man auch im Umgang mit seinen Kindern erleben. Solche Momente sind wichtig, weil sich mit der Laufzeit des Films ein wenig der Eindruck einer losgelösten Folge von Seelen-Striptease einschleicht, die mit einem viele bittere Tränen vergießenden Vater, dem das Sorgerecht entzogen wurde, ihren Höhepunkt erreicht.

Steam of Life ist nicht voyeuristisch, was die körperliche Nacktheit betrifft, wohl aber, was die intimen Bekenntnisse anbelangt. Es ist die Frage, wie nah man das als Zuschauer in dieser Häufung an sich heranlassen will, und wann es vielleicht zu viel wird. Denn irgendwie ist es ja auch schon unangenehm, wenn sich ein (angezogener) Fremder plötzlich zu einem gesellt und unvermittelt seine tiefste Seele öffnet.

Steam of Life ist nominiert für den Europäischen Filmpreis 2010 in der Kategorie Dokumentarfilm und geht für Finnland 2011 ins Rennen um den Oscar für den Besten Fremdsprachigen Film.

(Kirsten Kieninger)

(Editorische Anmerkung: Die Kritik bezieht sich auf die ursprüngliche Fassung des Films aus dem Jahre 2010. Die nun im Jahre 2016 ins Kino kommende Fassung unterscheidet sich von dem Ausgangsfilms, so dass wir rechtzeitig eine neue Kritik für die aktuelle Version verfassen werden)

Was Männer sonst nicht zeigen

Ist das eigentlich ein Männerfilm? Die Frage drängt sich nach den ersten fünfzehn Minuten von „Was Männer sonst nicht zeigen“ auf. Nur in der Eingangsszene ist eine Frau anwesend, liebevoll peitscht ihr Mann mit Birkenzweigen ihre Beine und wäscht ihren Rücken. Große Intimität vor der Kamera – und die hält dieser Dokumentarfilm die gesamten 81 Minuten durch.
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Meinungen

Torsten · 10.11.2016

großartig...wir wollen für mehrere wochen nach finnland im nächsten jahr...planen schon...jetzt erst recht!