True Grit (2010)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der "wahre" Wilde Westen – Verneigung vor einem Genre und Dekonstruktion eines Mythos

Gerade 14 Jahre ist Mattie Ross (Hailee Steinfeld) alt und doch hat das Mädchen mit den braven Zöpfen schon so viel gesehen und erlebt, dass sie sich selbst im Wilden Westen unter Rauhbeinen und Trunkenbolden, heldenhaften Marshalls und zwielichtigen Mördern zu behaupten weiß. Als ihr Vater von dem vagabundierenden Tom Chaney (Josh Brolin) ermordet wird, lässt sie ihre Mutter zurück und macht sich auf die Reise, um den Leichnam des Vaters in Empfang zu nehmen und für seinen Transport nachhause zu sorgen. Vor allem aber will sie Rache, nein Gerechtigkeit für das Verbrechen, das ohne ihr Eingreifen, so scheint es, nicht gesühnt werden kann. Denn der Mörder ihres Vaters hat sich dem Zugriff des Sheriffs entzogen, ist auf Indianergebiet geflüchtet und hat sich einer Bande anderer Strolche angeschlossen, so dass sich niemand an ihn heranwagt.

Doch Chaney hat die Rechnung ohne den unbedingten Willen von Mattie gemacht. Diese besorgt sich mit viel Geschick und Chuzpe Geld, um eine Belohnung auf Chaney auszusetzen und setzt den abgewrackten US-Marshall Reuben „Rooster“ Cogburn (Jeff Bridges) auf die Spur des Mörders. Dem ungleichen Paar schließt sich zudem der Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon) an, der Chaney wegen eines anderen Verbrechens vor ein Gericht in Texas bringen will. Natürlich werden die beiden Jäger bald schon zu Konkurrenten, die immer wieder versuchen, sich mit absurden Hahnenkämpfen und vor allem viel Gerede über begangene Heldentaten zu übertrumpfen. Bald schon pflastern mindestens ebenso viele Leichen wie leere Whiskyflaschen ihren Weg durch das Indianergebiet, denn Cogburn ist ein ausgemachter Trunkenbold, dessen beste Tage längst gezählt sind. Allen Widerständen und Streitigkeiten zum Trotz gelingt es dem Trio schließlich dennoch, den Mörder von Matties Vater aufzuspüren. Der denkt allerdings gar nicht daran, sich ohne Widerstand vor ein Gericht stellen zu lassen. Im Wilden Westen werden die Angelegenheiten anders geregelt. Und diesen Realitäten muss sich auch die prinzipientreue und auf Gerechtigkeit bedachte Mattie stellen…

Mit True Grit ist den Brüdern Coen ein weiterer Meilenstein ihrer nun schon 15 Langfilme umfassenden Karriere gelungen. Der Film ist bislang in den USA nicht nur der bis dato erfolgreichste Film der beiden Regisseure, sondern auch ihr erster „echter“ Western – wobei man No Country for Old Men durchaus als Western im modernen Gewande bezeichnen kann. Sollte es jemals Bedenken gegeben haben, dass die beiden Coens nicht auch diesem Genre ihren ureigenen Stempel, ihre unverkennbare Handschrift geben könnten – ihr neuer Film dürfte alle Skeptiker verstummen lassen. Denn True Grit ist unter den zahlreichen Versuchen der letzten Jahre, das Western-Genre neu zu beleben, der prägnanteste, vielschichtigste und zugleich unterhaltsamste. Oder mit anderen Worten – ein Meisterwerk.

Joel und Ethan Coen gelingt es, dem bereits durch Henry Hathaway verfilmten und mit John Wayne äußerst prominent besetzen (und 1970 mit Waynes erstem und einzigem Academy Award gekrönten) Ursprungswerk mit dem gleichen Titel (auf deutsch hieß der Film Der Marshal) zwar in seiner Geschichte und Grundstruktur weitgehend deckungsgleich zu folgen. Zugleich aber versehen sie den Film und jede einzelne Figur, jede Einstellung und jeden Dialog mit der ihnen ganz eigenen Mischung aus Sarkasmus, Wärme, Ironie und analytischer Schärfe. Sie nutzen in meisterhafte Weise die Regeln des Genres und modifizieren diese, feiern die Panoramen und die Weite der Landschaft, schauen in die gezeichneten Gesichter ihrer kaputten Helden, entdecken die moralische Verkommenheit einer nur mühsam gebändigten Gesellschaft, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits längst am eigenen Mythos und den erfundenen oder wahren Heldentaten vergangener Tage (und am Schnaps) berauscht.

Mit ihren Bildern und vielschichtig gezeichneten Figuren erweisen sie den alten Western aus Hollywoods „goldener Zeit“ ihre Referenz und dekonstruieren zugleich die Legendenbildungen und Mythen des Genres als hohles Gefasel, das mit der Realität wenig bis gar nichts zu tun hat und in dem eine Geschichte wie die Matties eher die Ausnahme als die Regel darstellt. Am Ende wird die gealterte Mattie auf der Suche nach „Rooster“ Cogburn eine der Westernshows aufsuchen, in denen fragwürdige Helden wie Buffalo Bill und andere sich mit ihren Heldentaten brüsteten. Und sie, die weiß, wie es wirklich war, hat für die Inszenierung des verblühten Ruhms und das Zelebrieren des guten alten Westens und wie er erobert wurde, nichts als Verachtung übrig.

Joel und Ethan Coen sind in ihrer Verbeugung vor den filmhistorischen Vorbildern zumindest auf den ersten Blick etwas milder. Schaut man aber genauer hin, welches Bild sie von der oftmals blinden Heldenverehrung im Western zeichnen, so könnte das Ergebnis kaum niederschmetternder sein. Dass die Prahlhänse und skrupellosen Revolverhelden trotz ihrer moralischen Verkommenheit dennoch sympathisch erscheinen, nimmt ihrer Dekonstruktion einer brutalen Gesellschaft nichts von ihrer Schärfe, sondern macht sie lediglich etwas erträglicher. Dennoch – und das ist das Besondere an True Grit – ist ihr Film überaus unterhaltsam, und dank der messerscharfen Dialoge und des liebevoll bis in die kleinsten Nebenrollen besetzten Casts ein wahres Kino-Feuerwerk, das Entertainment und Anspruch auf perfekte Weise miteinander verbindet.

Als Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale ist True Grit eine Idealbesetzung, besser kann eines der wichtigsten Festivals der Welt eigentlich kaum beginnen. Ob die Qualität der Filme des Wettbewerbs dieser großartigen Verneigung vor dem uramerikanischen Genre des Western folgen kann, muss man abwarten, ebenso wie den Zuschauerzuspruch an den deutschen Kinokassen, wo es traditionell größere Vorbehalte gegen Western gibt als im Mutterland der Cowboys und Revolverhelden. Wobei man True Grit durchaus auch als bissigen Kommentar auf den Rachefeldzug der USA nach den Anschlägen von 9/11 und den Zustand einer Gesellschaft ansehen kann, in der vor allem immer noch das Recht des Stärkeren zu zählen scheint.

Man kann sich aber auch einfach an diesem Film erfreuen, der in nahezu jeder Beziehung ein rundherum perfektes, spannendes, brillant inszeniertes und herausragend gespieltes Meisterwerk darstellt, das klug ist und rührend, voller Wärme und dennoch den knallharten und auch heute nicht minder aktuellen Realitäten von Tod und Rache, Recht und Gerechtigkeit unerschrocken ins Gesicht blickt.
 

True Grit (2010)

Gerade 14 Jahre ist Mattie Ross alt und doch hat das Mädchen mit den braven Zöpfen schon so viel gesehen und erlebt, dass sie sich selbst im Wilden Westen unter Rauhbeinen und Trunkenbolden, heldenhaften Marshalls und zwielichtigen Mördern zu behaupten weiß. Als ihr Vater von dem vagabundierenden Tom Chaney ermordet wird, lässt sie ihre Mutter zurück und macht sich auf die Reise, um den Leichnam des Vaters in Empfang zu nehmen und für seinen Transport nachhause zu sorgen.

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Meinungen

Martin Zopick · 04.03.2023

Der Film enthält als Neowestern alle genreüblichen Zutaten: Riesenballereien, Wettschießen, Lagerfeuer, Verfolgungsritte oder eine Schlangengrube, eine Wildwestshow à la Buffalo Bill. Es gibt den Marshall und die Gangster. Da ist nichts Ungewöhnliches dabei. Nur einiges ist halt etwas anders. Ein Girly (Hailee Steinfeld) z.B., das schießt und juristisch bewandert ist. Unverkennbar dagegen die typischen Coen-Merkmale: unverhoffte Brutalität. Der arme LaBoeuf (Matt Damon) wird furchtbar malträtiert. Sowohl für ihn als auch für den versoffenen Marshall Cogburn (Jeff Bridges) reicht es nicht zum Happy End, dessen schauspielerische Leistung hier zwar herausragend ist, aber wie für die übrigen zehn Kategorien mit Recht oscarnominiert wurde, ohne einen zu bekommen. Dafür hat sich die Produktion wenigstens gelohnt. Der angehängte Nachschlag nach plötzlichem Cut und 25 Jahren wirkt irgendwie fremd. Der hier angedeutete Hauch der Geschichte von ‘Kinder, wie die Zeit vergeht‘, ist wie der Streusel auf dem Kuchen. Da gehört er hin und ist süß. Im Schritt hingegen drückt und juckt er, weil er irritiert. Für Männer, die wirklich ‘Eier in der Hose‘ haben, trifft letzteres zu.

Ron · 21.06.2011

klar, gradlinig, kurzweilig, kein Schnickschnack, mit ein paar Schmunzler....gelungen!!

Jumo · 13.04.2011

Keine Ahnung warum der Film so gelobt wird? Wer das Original mit John Wayne kennt kann über die Nachverfilmung nur müde lächeln.
Mag Jeff Bridges zwar aber er hat bessere Filme gemacht.

Felix · 02.04.2011

gut gelungener wenn auch nicht ganz typischer western klasse kulissen passende besetzung. ....echt sehenswerter film

Leslie · 22.03.2011

Schöner, nicht ganz typischer Western.

quintana · 27.02.2011

Endlich mal wieder ein toller Film !!! Super Schauspieler, tolle Kulisse - sehr gelungener Western!!

henno · 24.02.2011

true grit ist fantastisch

Hitman Pit · 23.02.2011

Ganz großes Kino !!!
ein Jeff Bridges in Hochform - nach Starman sein bester Film !

♥aUsSiE · 18.02.2011

Also ich finde so den Trailer voll interessant und cool....... Ich glaub' den seh ich mir mal irgendwann an =)
Grüßle