The Interview (2014)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Viel Lärm um einen Unterhaltungsfilm

Kurz vor Weihnachten 2014 bestätigte Sony-Anwalt David Boies, dass die viel diskutierte US-Komödie The Interview entgegen früherer Verlautbarungen doch noch ihren Weg in die Öffentlichkeit finden werde. Einige Tage später lief der Streifen dann auch schon in ausgewählten Kinos an und war zudem auf diversen Online-Plattformen käuflich zu erwerben. Soweit die damals aktuellsten Entwicklungen in einer aberwitzigen Debatte, die nicht nur die Hollywood-Industrie, sondern auch die politische Welt in Atem hielt.

Angefangen hatten die Kontroversen eigentlich schon nach der Fertigstellung des Films, in dem zwei amerikanische Journalisten von der CIA beauftragt werden, den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un zu beseitigen. Die Regierung des kommunistischen Landes zeigte sich entrüstet über diese Grundidee und drohte bereits im Juni 2014 mit ernsthaften Vergeltungsschlägen. Im November wurde die Produktionsfirma Sony Pictures schließlich Opfer eines umfangreichen Hacker-Angriffs, bei dem sensibelste Daten schrittweise nach außen drangen und das Studio in arge Bedrängnis brachten. Als die Hacker, die selbst ernannten „Guardians of Peace“, kurz darauf mit Terroranschlägen gegen Kinoketten drohten, die The Interview zeigen würden, erreichte die Eskalation eine neue Stufe. Zunächst sagte man die New-York-Premiere des Films ab. Dann auch den für Ende Dezember angesetzten Kinostart. Eine Entscheidung, die Sony aus Politik- und Medienkreisen reichlich Kritik einbrachte und selbst US-Präsident Barack Obama zu wiederholten Statements veranlasste.

Allerhand Wirbel um eine Komödie, die in erster Linie unterhaltsam und anarchisch sein will. Um das zu begreifen, reicht schon ein Blick auf den letzten Film, den der kanadische Schauspieler Seth Rogen gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Evan Goldberg aus dem Boden stampfte. Das ist das Ende war eine abgedrehte Weltuntergangsfantasie, die das Hollywood-Geschäft und dessen Stars selbstironisch auf die Schippe nahm und nebenbei ein Loblied auf den Zusammenhalt echter Buddys anstimmte. In eine ähnliche Kerbe schlägt das Regie- und Produzenten-Duo nun auch mit The Interview, was im Prinzip von Anfang an erkennbar ist.

Der Fernsehmoderator Dave Skylark (James Franco) und sein Produzent Aaron Rapaport (Seth Rogen) sind ein eingespieltes Team. Ihre Promi-Talkshow „Skylark Tonight“ hat schon lange Bestand und erfreut sich nach wie vor bester Quoten. Nicht zuletzt dank der aufsehenerregenden Bekenntnisse, die Dave seinen Gästen regelmäßig entlockt. Insgeheim sehnt sich sein Kumpel Aaron allerdings nach etwas mehr Relevanz und sieht ihre große Chance gekommen, als er erfährt, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un (Randall Park) ein begeisterter Fan ihrer Sendung ist. Überraschenderweise nimmt der kommunistische Machthaber ihre Interviewanfrage an und lädt die beiden Journalisten zu einem Besuch nach Pjöngjang ein. Kurz bevor Dave und Aaron ins ferne Asien aufbrechen, erscheint jedoch die CIA auf der Bildfläche und verpflichtet sie, Kim Jong-un während des Gesprächs auszuschalten. Ein Auftrag, der alles andere als geplant verläuft.

Dass der Film von der Ermordung eines noch amtierenden Staatschefs handelt, kann man sicherlich geschmacklos finden. Zugleich ist die Prämisse aber auch ausreichend beknackt, um von der ersten Minute an vielversprechende Anarcho-Unterhaltung zu garantieren. Tatsächlich brauchen Rogen und Goldberg allerdings einige Zeit, um ihre unangepasste Blödel-Show richtig auf Touren zu bringen. Trotz exzessiver Medienkritik und einiger selbstironischer Gastauftritte – unter anderem outet sich Eminem als schwul – will der Funke zunächst nicht wirklich überspringen. Und das, obwohl die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern stimmt und ihre gegensätzliche Anlage einige Reibung verspricht. Franco gibt den dümmlich-quotengeilen Medienstar, Rogen den bodenständig-zurückhaltenden Durchschnittstypen. Wiederkehrende Analwitze und halbgare Filmanspielungen lassen die Erwartungen schnell in den Keller sausen, bis The Interview nach knapp 25 Minuten schließlich doch noch die Kurve kriegt.

Mit der Ankunft der beiden Fernsehmacher in Kim Jong-uns Palast zieht die Handlung merklich an. Und die Pointen sitzen besser, auch wenn das Drehbuch immer wieder Genitalhumor versprüht. Anders als zu erwarten war, zeichnet der Film den nordkoreanischen Diktator nicht nur als böswilligen Unterdrücker. Vielmehr lernt Dave auch dessen kumpelhafte Ader kennen. Etwa wenn die beiden, aufgeregt wie kleine Jungs, im Panzer durch die Gegend donnern und dabei Katy Perrys Pop-Hit „Firework“ zum Besten geben. Natürlich kommt irgendwann der Punkt, an dem sich Kims zerstörerische Seite nicht verbergen lässt. Bis dahin werden Rogen und Co aber nicht müde, auch die trotteligen Protagonisten unbarmherzig durch den Kakao zu ziehen. Nordkoreanische Verlogenheit wird ebenso zur Schau gestellt wie amerikanisches Überlegenheitsdenken und die oberflächlichen Auswüchse der US-Unterhaltungsindustrie. Was dem Ganzen einen unberechenbaren Charme verleiht.

Herrlich überzogen ist auch der Showdown, der zwischen irrwitzigen Interview-Enthüllungen, einer neuerlichen Katy-Perry-Persiflage und kleineren Splatter-Momenten schwankt. Subtil oder künstlerisch wertvoll ist das keineswegs. Dafür aber erstaunlich komisch und alles in allem recht unkonventionell. The Interview trifft gewiss nicht immer den richtigen Ton, wirkt bisweilen wie eine Spielwiese für große Jungs und hat gerade deshalb die hysterischen Diskussionen nicht verdient, die den Film seit Monaten begleiten. Umso erfreulicher, dass Sony das Werk doch noch unter die Leute gebracht hat. Immerhin wäre die Aushöhlung der Meinungs- und Kunstfreiheit auch ein viel größeres Desaster gewesen als die Veröffentlichung einer verspielt-abgedrehten Komödie, die bewusst Geschmacksgrenzen ausreizt.
 

The Interview (2014)

Kurz vor Weihnachten 2014 bestätigte Sony-Anwalt David Boies, dass die viel diskutierte US-Komödie „The Interview“ entgegen früherer Verlautbarungen doch noch ihren Weg in die Öffentlichkeit finden werde. Einige Tage später lief der Streifen dann auch schon in ausgewählten Kinos an und war zudem auf diversen Online-Plattformen käuflich zu erwerben. Soweit die damals aktuellsten Entwicklungen in einer aberwitzigen Debatte, die nicht nur die Hollywood-Industrie, sondern auch die politische Welt in Atem hielt.

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Meinungen

Henry · 01.02.2015

Kann man geschmacklos finden? Ich finde, es IST geschmacklos, die Ermordung eines realen, lebenden Menschen zum Thema zu machen. Nur damit an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin defintiv kein "Fan" von Kim Jong-un. Und naja: Dass die Presse- und Meinungsfreiheit ausgerechnet anhand einer Hollywood-Komödie verteidigt wird, ausgerechnet von jenen (u.a. B. Obama), die kein Problem damit haben, Whistleblower mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bestrafen ist schon eine bittere Ironie des Schicksals. OK, alles komplett Off-Topic, kenne den Film nicht - das wird sich aber auch nicht ändern, Hollywood-Komödien find' ich generell verzichtbar. ;-)