The Immigrant (2013)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Enttäuschendes Emmigrationsopus

Das erste Bild des Filmes ist ein typisches, wenn man Anfang des 20. Jahrhunderts nach Amerika immigrierte: Die Freiheitsstatue. Da steht sie also, im Nebel, als Ewa (Marion Cotillard), eine junge polnische Frau, mit ihrer Schwester zum ersten Mal das Land betritt, von dem sie sich Freiheit und Glück erhofft. Doch das Glück ist selektiv im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Erst wird Magda in Quarantäne gesteckt, da sie an Tuberkulose leidet, dann verwehrt man Ewa die Einreise aus fadenscheinigen Gründen. Kurz vor der Abschiebung begegnet sie Bruno (Joaquin Phoenix), der ihr hilft und sie illegal nach New York schmuggelt. Doch Bruno ist kein Prinz auf dem weißen Ross, der sie rettet. Im Gegenteil, er zwingt Ewa zur Prostitution. Dabei kommt ihm ein Druckmittel gelegen: Ewa muss Geld verdienen, um auch ihre Schwester vor der Abschiebung zu bewahren. Als sie auf den Magier Orlando (Jeremy Renner) trifft, hegt sie kurz Hoffnung, doch auch diese soll sich bald zerschlagen.

Das Presseheft zum Film enthält als erstes ein Zitat eines Filmhistorikers, das einen interessanten Hinweis zum Film gibt: „Modernes im Kino — da geht es nicht um neue Erfindungen, so wie es in Hollywood in den letzten Jahren obsessiv gelebt wurde — da geht es vielmehr um das Zurückkehren zur Vergangenheit, zu dem Fundament, auf dem das Kino gebaut wurde.“ Und mit dieser Begründung, so das Presseheft, ist James Grays The Immigrant ein modernes Werk — wenn auch in altem Gewand. Und tatsächlich, das erste Stichwort, das einem zu diesem Film einfällt, ist „klassisch“. Eine geradlinige Geschichte, ganz in alter Hollywood-Manier dargestellt — in gewisser Weise hätte der Film auch in den 1950er Jahren gemacht sein können.

Es gibt aber noch ein zweites Schlagwort und das ist „mittelmäßig“. Denn nichts dagegen einen Film auf „alte“ Art und Weise zu machen und einfach mal wieder im ganz klassischen Erzählkino zu schwelgen. Doch Gray scheint sich darauf verlassen zu haben, dass dieses Konzept einfach von allein aufgeht und dass sein hochkarätiges Ensemble den Erfolg nach Hause trägt. Doch leider ist dem nicht so. Marion Cotillard ist völlig unterfordert mit ihrer Rolle als ewiglich traurig dreinblickende Ewa, die in dieser Männerwelt nicht wirklich was zu sagen hat. Normalerweise sind Grays Filme Männerfilme, man erwartete also viel von dieser weiblichen Hauptrolle, doch genau genommen ist diese so passiv, dass sie nicht wirklich der Fokus der Geschichte ist. Vielmehr wird sie degradiert zu einem hübschen Katalysator, also dem einen Grund, der die Erzählung vorantreibt. Auch das ist typisch altes Hollywood — die Frage ist hier nur, ob man dann wirklich alles so „klassisch“ machen muss, immerhin ist die Gesellschaft im Jahre 2013 dann doch schon ein wenig weiter in Sachen Rollenverteilung der Geschlechter. Doch auch Joaquin Phoenix kann nicht punkten, viel zu fahrig ist sein Schauspiel. So verloren wie seine Figur, scheint auch er zu sein. Nach seinem grandiosen Schauspiel in The Master agiert er hier unterdurchschnittlich.

So bleibt eigentlich nur eine solide, aber nicht allzu überzeugende Erzählung übrig, die es in jeglicher Hinsicht schon einmal gab: Geschichte, Machart, Figuren — alles schon mal da gewesen. The Immigrant ist somit vielleicht am besten als Film anzusehen, der mal wieder die alte Art des Kinos in selbiges zurückholt und eine (willkommene?) Abwechslung zu 3D Kino und CGI-Effekten bildet. Doch gleichzeitig ist er auch ein Werk, das man schon bald nach dem Sehen komplett vergessen haben wird.
 

The Immigrant (2013)

Das erste Bild des Filmes ist ein typisches, wenn man Anfang des 20. Jahrhunderts nach Amerika immigrierte: Die Freiheitsstatue. Da steht sie also, im Nebel, als Ewa (Marion Cotillard), eine junge polnische Frau, mit ihrer Schwester zum ersten Mal das Land betritt, von dem sie sich Freiheit und Glück erhofft. Doch das Glück ist selektiv im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

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Meinungen

Martin Zopick · 01.12.2022

Zwei katholische Schwestern aus Polen, Ewa (Marion Cotillard) und Magda (Angela Sarafyan) kommen in den frühen 20er Jahren auf Ellis Island in New York an. Magda erkrankt – ihr droht die sofortige Abschiebung. Ewa fällt erst in die Hände von Bruno (Joaquin Phoenix), einem kapitalistischen Would-be Impresario mit Verbindungen zur Unterwelt, der ihr angeblich helfen will. Dann bietet ihr Orlando (Jeremy Renner) einen Job im Varieté und eine Tournee an. Mit keinem lässt sie sich näher ein. Ihr tiefer Glaube hindert sie daran. Edyta
Beide Männer werden sich um Ewa prügeln mit teilweise tödlichem Ausgang. Bruno will sich stellen, Orlando braucht das jetzt nicht mehr. So kann Ewa nur mit ihrer genesenen Schwester Magda allein nach Westen aufbrechen.
Regisseur James Gray hat eine durchgängig düstere, braun-grüne Atmo entwickelt, die die Assoziation von Schmutz und Armut tiefgründig transportiert. Aber auch die Problematik einer Frau, die sich dank ihrer Fähigkeiten durchschlägt, veranschaulicht.
Hier sucht man Gutmenschen vergebens. Bruno und Orlando sind auch keine Chorknaben. Dieses Leben ist ein Kampf, bei dem “das Überleben eine Sünde ist“. Ihre Tante Edyta hält sich sogar für ‘die Macht der Vergebung‘. Da kann der Glaube vielleicht ein Rettungsanker sein. Unangenehm realistisch.