Safari

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Weil sie es können

Ein neues Jahr, ein neuer Ulrich-Seidl-Film und das ist gut so. Wer Seidls Dokumentarfilme kennt, weiß genau, was er/sie bekommt: in starren Einstellungen, stets perfekt mittig kadriert beobachtet seine Kamera ÖsterreicherInnen beim jeweiligen thematischen Treiben und lässt sie sich um Kopf und Kragen reden. Das Thema dieses Mal: Safari. Genauer: ÖsterreicherInnen, die in Afrika wilde Tiere töten. Weil sie es können. Dieses Recht gibt ihnen ihr Geld.
Man erinnert sich vielleicht an das ältere Paar aus Seidls vorigem Werk Im Keller. Durch sie ist der Filmemacher zu diesem neuen Thema gekommen, denn sie sind leidenschaftliche Großwildjäger. Doch sie sind nicht die einzigen ProtagonistInnen. Vielmehr heftet sich der Filmemacher an die Fersen einer Familie: Mutter, Vater, Tochter und Sohn, die alle vier der gleichen Leidenschaft frönen und sich bei der Ausübung dokumentieren lassen. Ebenfalls dabei: der Betreiber einer Jagd-Ranch, der bei der Frage nach dem Wieso sofort in Aggressionen ausbricht und auf seine Rechte pocht. Er muss hier gar nichts erklären! Die anderen versuchen es da eher mit einer anderen Technik: sie versuchen nahezubringen, wie berauschend das Glück ist, wenn man sich an ein Tier heranpirscht und es erlegt. Das gehöre ja auch irgendwie zum Leben dazu. Und überhaupt, man töte ja nur Tiere, die alt und krank seien. Letzteres ist eine glatte Lüge. Ersteres stimmt, allerdings ist es bemerkenswert, wie sehr der Tod bei diesem Hobby und beim Sprechen darüber ausradiert wird.

So ziehen sich die ProtagonistInnen immer wieder auf eine ganz eigene Sprache zurück, deren Ziel es ist, den Akt als so klinisch und sauber wie möglich darzustellen und tunlichst zu vermeiden, auch nur die geringste Beziehung zur Natur und zu den Tieren aufzubauen, die man ermordet. Nein, „erlegt“. Wenn das Tier erschossen wird und sich in Überraschung und Todesschmerz aufbäumt, „zeichnet“ es. Und es sind auch keine Tiere, es sind „Stücke“. Ein Schauder läuft einem dabei über den Rücken, erinnert sich doch vielleicht so mancher an den Fakt, dass die Menschen, die in Auschwitz landeten, dort ebenfalls immer nur als „Stücke“ bezeichnet wurden.

Der Akt an sich, von der Pirsch bis zum obligatorischen Foto mit der Beute, hat wenig Bezug zur immer wieder erwähnten Naturgesetzlichkeit von Leben und Tod. Die Kamera begleitet hier die Jäger und zwingt damit den Zuschauer, am Akt von Anfang bis zum Ende teilzunehmen. So werden hier die Touristen von einem Scout durch die Savanne geführt, der die Tiere für sie findet, einem afrikanischen Begleiter, der dabei hilft, alles zu tragen und sich mit großkalibrigen Gewehren zu positionieren, die ihnen erlauben, auf weite Distanz zu schießen. Mit Natürlichkeit hat das hier gar nichts zu tun, eher mit Überlegenheit. Circa zwei Tiere pro Tag schießt ein Safari-Tourist. Im Film sind es ein halbes Dutzend, deren Ende man miterleben muss. Vom Weißschwanzgnu und Zebra bis hin zum dramatischen und emotionalen Höhepunktes der Jagd: einer Giraffe. Diese Szene mit anzusehen, ist besonders hart. Der Giraffenbulle wird direkt neben seinem Weibchen erlegt. Als man ihn findet, kämpft er noch Minuten lang um den Tod, während der Schütze, der Familienvater, mit seiner Frau danebensteht und zufrieden zusieht. Im Hintergrund stehen das aufgebrachte Weibchen und die gesamte Giraffenherde. Als es dann vorbei ist, fallen sich Schütze und Ehefrau um den Hals. Überglücklich wünscht man sich „Waidmannsheil“ und „Waidmannsdank“ und präpariert die Leiche fürs Foto. Auf dem hält der Vater dann den Kopf und langen Hals auf der Schulter, als wäre er Atlas. Überraschend ist die emotionale Reaktion der Jäger, die fast nichts vom eigentlichen Töten und Sterben zu sehen bekommen, bei denen der Akt an sich aber ein unfassbares Glück und eine Art emotionale Befreiung auszulösen scheint.

Doch Seidl macht hier nicht halt. Was passiert mit den Kadavern? Ab hier finden die Touristen nicht mehr statt. Die Drecksarbeit machen die Afrikaner. Mehrere Häutungen und Schlachtungen präsentiert Seidl von Anfang bis Ende. Ob jemand das Fleisch isst und was mit der Haut passiert, ist dabei egal. Hier bemerkt man dann auch das große Manko des Filmes: Die afrikanischen Helfer, die stets im Bild sind und hier sogar ganz unter sich, bekommen keine Stimme. Was sie zu sagen haben, ist für Seidl nicht von Belang. Er übersetzt ihre Worte nicht, er hat sie ebenfalls nicht befragt. Damit bleiben sie so stumm wie die Tiere. Das ist nicht nur schade, sondern gibt dem Film auch einen eigenartigen Beigeschmack. Ganz davon abgesehen, dass es hochgradig spannend gewesen wäre, ihre Sicht der Dinge zu erfahren.

Safari

Ein neues Jahr, ein neuer Ulrich-Seidl-Film und das ist gut so. Wer Seidls Dokumentarfilme kennt, weiß genau, was er/sie bekommt: in starren Einstellungen, stets perfekt mittig kadriert beobachtet seine Kamera ÖsterreicherInnen beim jeweiligen thematischen Treiben und lässt sie sich um Kopf und Kragen reden. Das Thema dieses Mal: Safari. Genauer: ÖsterreicherInnen, die in Afrika wilde Tiere töten. Weil sie es können. Dieses Recht gibt ihnen ihr Geld.
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