Parasol

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Einsamkeit im Urlaubsparadies

Auf den ersten Blick erscheint das Hauptfiguren-Trio in Parasol — Mallorca im Schatten eigentümlich: Die ältere Belgierin Annie (Julienne Goeffers) ist mit einer Seniorengruppe nach Mallorca geflogen, um ihre Internetbekanntschaft André endlich im realen Leben zu treffen. Der junge Engländer Alfie (Alfie Thomson) ist mit seinen Eltern auf einem Campingplatz und verbringt die Zeit mit dem elterlichen Yorkshire Terrier. Der Spanier Pere (Pere Yosko) arbeitet auf der Insel, er fährt einen Bimmelzug, der an kaum nennenswerten Sehenswürdigkeiten vorbeiführt. Noch ist seine Tochter bei ihm, aber ausgerechnet an ihrem Geburtstag beginnt ihre Woche mit ihrer Mutter. Ihre Wege werden sich nicht kreuzen. Verbunden sind sie vielmehr durch die Einsamkeit, die sich durch ihrer aller Leben zieht – und ihren unbedingten Willen, daran etwas zu ändern.
Ihre Versuche, diese Einsamkeit zu durchbrechen, sind mitunter schmerzhaft mit anzusehen. Annie lässt sich immer wieder von André vertrösten und versetzen, er weicht aus, reagiert nicht. Aber sie will sich nicht mit der temporären Gemeinsamkeit einer Reisegruppe zufriedengeben, sie hofft auf ein neues Glück, eine neue Zweisamkeit – und fasst daher immer wieder Hoffnung, um dann immer wieder enttäuscht zu werden. Auch Alfie ist bereit, zugunsten von Gemeinschaft über Demütigung und Ausnutzen hinwegzusehen. Er trifft zwei Landsmänner, lässt sich von ihnen ausnehmen und protestiert nur leicht gegen den nächsten Drink. Denn er will dazugehören, zu einer Gruppe, da scheint ihm fast egal zu sein, zu welcher. Pere dagegen weiß, dass er das Glück verschenkt hat und befürchtet, dass er mit der nächsten Enttäuschung seine Tochter endgültig verliert. Dass die Bande, die er so vernachlässigt hat, vielleicht doch reißen. Deshalb lässt er sich bei dem Versuch, ihr einen unvergesslichen Tag zu bescheren, zu verzweifelten Taten hinreißen.

Seine Abhandlung über die Einsamkeit fasst der belgische Regisseur Valéry Rosier in eindrucksvolle Tableaus, die in ihrer Symmetrie und Farbgebung immer wieder an Ulrich Seidl und insbesondere sein Paradies: Liebe erinnern. Auch hier suchten einsame Menschen im Urlaub nach Nähe, auch hier sollte Einsamkeit nicht nur mit Urlaubsaktivitäten, sondern zwischenmenschlichen Kontakten gestillt werden. Dabei nähert sich Parasol seinen Figuren mit einem fast dokumentarischen Interesse: Die Kamera arrangiert, aber beobachtet, dabei erlauben die Bilder und die Montage manche Details und Kleinigkeiten wahrzunehmen, die wir sonst allzu leicht übersehen. Kleine Gestern, Durchatmen, Details in einer Stripbar oder einer Bimmelbahn. Durch diese Inszenierung und das Verharren durchzieht diesen Film eine Mischung aus Melancholie und leisem Humor, der aber niemals auf Kosten der Figuren geht. Sie werden hier nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern sind einfach sehr durchschnittliche Menschen mit all ihren Schwächen. Dennoch bleibt eine Distanz zu den Figuren. Zwar sind sie in ihrer Durchschnittlichkeit so angelegt, dass man sich mit ihnen verbünden sollte, aber letztlich sind es einige Wiederholungen der Ereignisse und Demütigungen zu viel. Insgesamt aber lassen allein die Bildsprache und Montage dieses Langfilmdebüts für die folgenden Filme von Valéry Rosier so einiges erhoffen.

Parasol

Auf den ersten Blick erscheint das Hauptfiguren-Trio in „Parasol — Mallorca im Schatten“ eigentümlich: Die ältere Belgierin Annie (Julienne Goeffers) ist mit einer Seniorengruppe nach Mallorca geflogen, um ihre Internetbekanntschaft André endlich im realen Leben zu treffen. Der junge Engländer Alfie (Alfie Thomson) ist mit seinen Eltern auf einem Campingplatz und verbringt die Zeit mit dem elterlichen Yorkshire Terrier.
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