Mud - Kein Ausweg (2012)

Eine Filmkritik von Lisa Hedler

Amour Fou am Mississippi

Wettergegerbte Gesichter, Südstaatenflair und eine gewisse Huckleberry-Finn-Attitüde. Der Film Mud – kein Ausweg von Autor und Regisseur Jeff Nichols (Take Shelter – Ein Sturm zieht auf und Shotgun Stories) spielt in Arkansas am Mississippi und zeigt das Leben der Menschen dort. Unter ihnen der 14-jährige Ellis, gespielt von Tye Sheridan, der mit seinem Vater Senior (Ray McKinnon) und seiner Mutter Mary Lee (Sarah Paulson) auf einem Hausboot lebt. Die Geschichte beginnt mit der Auseinandersetzung seiner Eltern. Die haben Eheprobleme und seine Mutter möchte wegziehen. Als Ellis davon erfährt, versteht er die Welt nicht mehr: „Aber ihr seid verheiratet, ihr liebt euch doch.“ Der Grundstein ist gelegt. Der Junge beginnt an der Liebe zu zweifeln. Müsste es nicht normal sein, dass seine verheirateten Eltern sich lieben? Diese Skepsis, diese Verzweiflung treibt ihn an.

Mit seinem besten Freund Neckbone (Jacob Lofland) hat er auf einer kleinen Flussinsel ein altes Boot entdeckt, das – schöner und skurrilerweise – auf einem Baum feststeckt. Das Überbleibsel einer Flut. Die beiden haben das Baumhaus-Boot zu ihrem Versteck auserkoren und suchen es heimlich auf. Eines Tages dort angekommen, entdeckt Ellis einen Fußabdruck an der Wand des Bootes, der sie letztlich zu Mud (Matthew McConaughey) führt. Der dachte sich ebenfalls, dass so ein kleines Boot im Baum kein schlechtes Versteck abgibt – wenn man nicht gefunden werden will.

Mud. Warum eigentlich Mud. Auf Deutsch: Matsch, Schlamm, Dreck, Morast oder Schlick. Sein Äußeres zeichnet sich durch braune, von Wind und Wetter gezeichnete Haut, dreckige Kleidung, kaputte Zähne und wirres Haar aus. Seine Geschichte: Mud liebt Juniper (Reese Witherspoon). Schon sehr lange. Juniper liebt auch Mud, hatte aber einen anderen Mann, der sie schlecht behandelt hat. So schlecht, dass Mud ihn umgebracht hat. Dummerweise war dieser Mann nicht nur Gewalttäter, sondern auch Gangster und gehörte nicht nur einer Gruppe von Kopfgeldjägern an, sondern war auch noch der Sohn vom Chef. Jetzt sitzt Mud auf der Insel und wartet auf Juniper. Denn sie wollen weg. Fliehen. Zusammen. Vor der üblen Gangsterbande. Die sich, als sie vorgestellt wird, erst einmal selbst karikiert – mit einem schönen Comic, der im TV läuft, während die Kopfgeldjäger dem Boss „King“ vorgestellt werden. Nicht genug, kaum ist der Comic aus, transformiert sich die Runde der eiskalten Killer zu einer skurrilen Gebetsrunde des Bösen, die für den Tod von Mud betet. Schöne Szene.

Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt, Mud wird überall von oben genannten freundlichen Herren gesucht. Also braucht er Hilfe. Und so kommt es dazu, dass Mud, Ellis und Neckbone sich anfreunden und die beiden ihm helfen, das Boot auf Vordermann zu bringen. Dazu müssen sie allerlei Kram stibitzen und unauffällig auf die Insel schaffen. Doch warum helfen die beiden Jungs dem dreckigen Kerl, den sie nicht kennen und der sich dann noch als gesuchter Straftäter herausstellt? Es wird klar, bei einem Gespräch zwischen Ellis und Juniper. Sie fragt sich dasselbe wie der Zuschauer und Ellis ist nur erstaunt. Liebenden muss man doch helfen. Oder nicht? Auch während eines Gesprächs mit Muds Ziehvater Tom (Sam Shepard) kristallisiert sich Ellis Einstellung heraus. Tom möchte Mud nicht mehr helfen. Dem sei nicht mehr zu helfen. Aber Ellis widerspricht ihm nur, denn „sie lieben sich, sie werden es schaffen!“.

Und beinahe täten sie das auch, wenn Juniper Mud nicht versetzen würde und die Beziehung schließlich ein Ende nimmt. Ein harter Schlag für Ellis. Erst seine Eltern, dann seine eigene Liebelei mit einem älteren Mädchen und dann Juniper und Mud. Ellis‘ Glaube an die Liebe und auch an Mud ist erschüttert. Er schreit, er wütet, er zetert, er rennt weg…und es kommt zum unwiderruflichen Showdown.

Jeff Nichols hat einen wunderbaren Film gedreht. Matthew McConaughey überzeugt mit seiner Darbietung – vor allem in den Szenen, in denen er physisch kaum aktiv ist und sich die Emotionen ausdrucksstark in seinem Gesicht entfalten; Reese Whiterspoon kann ihren Facettenreichtum unter Beweis stellen und auch die beiden Jungschauspieler Jacob Lofland und Tye Sheridan zeigen ihr Können. Der eine als unverbesserlich an die Liebe glaubend und ihr entgegen schreitend. Der andere als treuer Freund ohne den die ganze Story auch nicht möglich wäre.

Es ist ein Film über Freundschaft, Vertrauen und zwischenmenschliche Beziehungen. Ein raues Märchen über das Leben am Fluss mit all seinen Widrigkeiten. Aber vor allem ist es ein Film über die Liebe. Mud spielt mit scheinbaren Kontrasten. Die Menschen vermitteln einen rauen, bärbeißigen Eindruck. Sie verlieren nicht viele Worte, aber es wird klar, dass sie alles füreinander tun, wenn es darauf ankommt. Greifbar wird das auch in der Geschichte von Tom, die Mud Ellis erzählt. Nichols hat ein einfühlsames Coming-of-Age-Drama kreiert, bei dem Erinnerungen an Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers und an Große Erwartungen wach werden.
 

Mud - Kein Ausweg (2012)

Wettergegerbte Gesichter, Südstaatenflair und eine gewisse Huckleberry-Finn-Attitüde. Der Film „Mud – kein Ausweg“ von Autor und Regisseur Jeff Nichols („Take Shelter – Ein Sturm zieht auf“ und „Shotgun Stories“) spielt in Arkansas am Mississippi und zeigt das Leben der Menschen dort.

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