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Robert Sigls lange Zeit in Vergessenheit geratener Film Laurin ist ein exzellentes Beispiel für das Schattendasein des Genrekinos in Deutschland und zeigt, wie wichtig Wiederentdeckungen wie diese sein können.

Laurin (1989)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein (Alb)Traum von einem Film

Es gibt Filme, die dürfte es eigentlich gar nicht geben. Nein, das ist kein Ruf nach Zensur, sondern vielmehr ein Hinweis darauf, dass manchen Werken und mit ihnen ihren Schöpfern viel Unrecht widerfährt. Robert Sigls exquisite schwarzromantische Schauermär Laurin aus dem Jahr 1989 ist sicherlich ein exzellentes Beispiel dafür. Der Film des damals gerade 27 Jahre alten Regisseurs, der für sein Werk den Bayerischen Filmpreis gewann und danach für einige Zeit sang- und klanglos von der Bildfläche verschwand, ist geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie schwer es Genrefilme in Deutschland hatten – und es teilweise immer noch haben.

In einem namenlosen deutschen Städtchen an der Küste geht im Jahre 1901 ein Schreckgespenst in Gestalt eines schwarzen Mannes um und lässt kleine Jungen verschwinden. Besonders die neunjährige Laurin (Dóra Szinetár) ist zutiefst betroffen von den rätselhaften Vorfällen, zumal sie diese ganz persönlich heimsuchen: Immer wieder erleidet sie düstere, Unheil verkündende Visionen, die mit den Taten und dem schwarzen Mann in Zusammenhang zu stehen scheinen. Dann kommt ein weiterer Schicksalsschlag dazu, als ihre Mutter bei einem Unfall verstirbt. Nun ist das Mädchen, dessen Vater als Seemann meist nicht zuhause ist, weitgehend auf sich allein gestellt und den sich nun verstärkenden Visionen sowie einem zunehmenden Gefühl der Bedrohung schutzlos ausgeliefert. Ihr Unbehagen verstärkt sich, als an der Schule der neue Lehrer Van Rees (Károly Eperjes) seinen Dienst beginnt, der der Sohn des autoritären Dorfpfarrers ist. Von ihm, das spürt Laurin deutlich, geht eine Gefahr aus, die sie bis ins Innerste ihrer kindlichen Seele fürchtet. Gemeinsam mit ihrem Freund, dem schwächlichen und oft kränkelnden Stefan (Barnabás Tóth), macht sie sich daran, den Kindsmorden auf die Spur zu kommen – und dabei zeigt sich, dass ihr Instinkt und ihre Visionen ihr den richtigen Weg gedeutet haben. Nur bringt das Laurin in höchste Gefahr …

Wegen der Senderbeteiligung des Südwestfunks geisterte Laurin jahrelang als TV-Film durch die spärliche Sekundärliteratur zu dem Film, dabei erhielt der Film durchaus eine Kinoauswertung, die allerdings unter einem ungünstigen Stern stand. Viele Filmkunstkinos lehnte das „blutrünstige Machwerk für ein Nischenpublikum“ vehement ab, Heinz Badewitz von den Hofer Filmtagen verweigerte Laurin einen Platz im Programm seines Festivals mit der Begründung, der Regisseur möge seinen Film besser der Öffentlichkeit vorenthalten, da er sich sonst seine Reputation und Zukunft als Filmemacher verbaue. Und so führte dieser atmosphärisch unglaublich dichte Ausnahmefilm über lange Jahre ein Schattendasein, das allenfalls von gelegentlichen Besprechungen in cinephilen Zirkeln durchbrochen wurde – im Laufe der Zeit wurde der Film so selbst zu dem, was sein eigentlicher Kern ist: ein dunkel schillerndes Mysterium.

Es ist vor allem der Initiative des genreaffinen Filmwissenschaftlers Marcus Stigglegger zu verdanken, das Laurin und mit ihm sein Regisseur über einige Umwege nun so etwas wie eine späte Würdigung als Solitär in seiner Zeit erhält. Die wie gewohnt traumschöne Neuauflage des verdienstvollen DVD-Labels Bildstörung, das den Film in neuer 2K-Abtastung von Originalnegativ vorlegt, besticht wie gewohnt durch ein überaus informatives Booklet mit lesenswerten Hintergründen sowie exzellent zusammengestelltem Bonusmaterial, das kaum einen Wunsch und nur wenige Fragen offenlässt.

In der Tradition des Weimarer Kinos stehend, gemischt mit deutlichen Verweisen auf die britische Schauertradition der Hammer Studios einerseits und der literarischen Tradition eines Wilkie Collins andererseits und versehen mit Exkursen in die bizarre, polymorph-perverse Welt der italienischen Gialli spinnt Laurin mit den somnambulen Bildern von Nyika Jancsó und dem delirierenden Soundtrack von Hans Jansen und Jacques Zwart einen Faden des deutschen und europäischen Kinos fort, der zur Zeit neue, zaghafte Früchte trägt. Und von dem ist zu hoffen, dass er bald zu neuer Blüte gelangt.
 

Laurin (1989)

Es gibt Filme, die dürfte es eigentlich gar nicht geben. Nein, das ist kein Ruf nach Zensur, sondern vielmehr ein Hinweis darauf, dass manchen Werken und mit ihnen ihren Schöpfern viel Unrecht widerfährt. Robert Sigls exquisite schwarzromantische Schauermär „Laurin“ aus dem Jahr 1989 ist sicherlich ein exzellentes Beispiel dafür.

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