Knight of Cups

Eine Filmkritik von Festivalkritik Berlinale 2015 von Joachim Kurz

Die zwei Seiten des Terrence M. - Ein Lob und ein Verriss

Es ist ganz klar, dass jeder, der bislang wenig oder gar nichts mit den Filmen von Terrence Malick anfangen konnte auch mit Knight of Cups große Probleme haben wird. Nach The Tree of Life und To the Wonder folgt der Filmemacher weiter seiner zunehmenden spirituellen Abstraktion, die in früheren Filmen des Regisseurs noch nicht ganz so vordringlich war.
Knight of Cups beschreibt in einer atemberaubenden Bild- und Musikorgie die Suche des von Ruhm übermannten Drehbuchautors Rick in Kalifornien. Dabei folgt die Narration eher kreisenden und vor allem inneren Bewegungen als tatsächlichen Handlungen und linearen Mustern. Es ist ein ständiges Enden und Neu-Beginnen, das diesen Film und seine Hauptfigur Rick antreibt, die von einem nachdenklichen Christian Bale imposant dargestellt wird. Er ist ein fragmentierter Mann, der als Fremder durch das Leben geht, seine Umwelt und sich selbst beobachtet und sich dabei ständig neu definieren will, aber letztlich immer in denselben Sackgassen hängenbleibt: Wer bin ich? Warum mache ich das? Wer war ich?

Malick war noch nie schüchtern im Umgang mit großen philosophischen Tönen und so stellt er sich auch hier der Identitätssuche eines Mannes in allen möglichen philosophischen, mythologischen und psychologischen Ansätzen, die zur Folge haben, dass die Szenen sich oft auch nur in größeren Zusammenhängen denken und fühlen lassen. Alles was man sonst bekommt ist Überwältigung, ob der unfassbaren Schönheit der Bilder von Emmanuel Lubezki. Und genau in diesen Bildern liegen ein Unterschied und eine klare Weiterentwicklung von Malick zu seinen vorherigen Filmen. Denn wo vorher womöglich ein Selbstzweck unter den Gegenlicht-Beauty-Shots vermutet werden konnte, so bedingen sich hier das Leiden im Angesicht der dekadenten Schönheit Hollywoods und der Bilderrausch des Films selbst. Einmal sagt eine der vielen Frauen im Leben von Rick, dass Träume schön sind, man sie aber nicht leben könne. Sie seien nur Rauch und Imagination. Und genau dieses Gefühl stellt sich auch in der Bildsprache des Films ein, deren Redundanz damit zu einem inneren Bild der Hauptfigur wird. Es ist das Paradox einer Utopie, die man sobald man sie erreicht hat, nicht mehr ertragen kann. Ebengleiches lässt sich über die Fragmentierung und den ewigen, unaufhaltbaren Fluss des Films sagen, der atemlos von einer unglaublichen Aufnahme in die nächste stürzt und damit ein Spiegel für das Leben der Hauptfigur ist. Die Illusion lässt einen nicht leben, aber sie lässt einen auch nicht los.

Diese Parallelität von Form und Inhalt wird auch durch die Originaltonaufnahmen einer Lesung der Phaidros durch Charles Laughton vorangetrieben. Wie gehen Form und Philosophie miteinander? Malick scheint einen filmischen Weg gefunden zu haben, der allerdings nicht in der Lage ist einen Lösungsvorschlag zu liefern, sondern sich mit den Fragen begnügt. Aber genau diese sind es, die hier als Antrieb wirken und die eine Reflektion ermöglichen. Rick treibt nicht nur in den typisch wilden und spontanen Weitwinkelaufnahmen von einer Frau zur nächsten sondern sucht auch sonst unterschiedliche Lösungswege, die ihm alle nicht reichen. So filmt Malick eine außergewöhnliche, überspitzte und an Fellini erinnernde Prominentenparty mit unter anderem Antonio Banderas, in die sich die Figur genauso wenig retten kann wie in den tröstenden Worten der Kirche (Armin Müller-Stahl mit einem fast lächerlichen Gastauftritt), dem Partyrausch, dem Rückzug oder der Einsamkeit. Immer gibt es da etwas, was er nicht fühlen kann, was er nicht begreifen kann und was ihn fragmentiert erscheinen lässt.

Dieses Bild des fremden Wanderers ohne wirklichen Fixpunkt sucht das Ganze letztlich in sich selbst und in einer ebenfalls fragmentarischen Vergangenheit. Und ausgerechnet in seiner Familiengeschichte stolpert Knight of Cups ein wenig, denn die Szenen zwischen Rick und seinem Bruder wirken in gewisser Weise wie eine Schauspielübung und die eigentlich hochemotionale Wirkung verpufft auch in den eigenwilligen Settings auf und in verlassenen Hochhäusern. Es wäre allerdings fatal, sich bei Malick auf einzelne Aspekte zu stürzen, denn sie dienen immer nur einer größeren Idee von der Welt. Man wird wahrscheinlich nicht allen Ansichten des Filmemachers bedingungslos folgen wollen und können und seine esoterisch-christlichen Noten sind nicht gerade zeitgemäß, aber sie sind zum einen reflektiert und ambivalent und zum anderen mit einer derartigen filmischen Hochwertigkeit und Überzeugungskraft vorgetragen, dass man sich einfach verneigen muss.

Es ist auch ein Film über Ehrgeiz, es geht um eine ständige Unzufriedenheit, ein ständiges Mehr-Wollen, das einen blind macht für die Essenz und vergessen lässt, was man eigentlich wollte. Je mehr Rick in seinem Leben erreicht, desto mehr verschließt er sich und desto mehr leidet er daran. Es war noch nie leicht für Schauspieler in einem Malick-Film, da die Figuren nicht mehr wert sind als ein Blatt im Wind oder ein humpelnder Pelikan, aber Bale scheint sich hier völlig mit den Aspekten des Ruhms und der Aufrichtigkeit zu identifizieren und schafft es selbst in schwierigen Situationen, nicht überfordert wegen des Drehs, sondern überfordert aufgrund seiner Seele zu wirken.

Knight of Cups ist ein äußert rhythmischer Film, der Bild, Musik und Ton einer Symphonie gleich anordnet und damit einen Sog kreiert, der einen durchaus überwältigt, manchmal träumen lässt und immer wieder mit einer unfassbaren Schönheit zurückholt. Das Setting ist ein gänzlich Neues für den Regisseur. Strip-Clubs, ein Raubüberfall und leere Filmstudios zerfließen in den Kamerabewegungen zu einer Bedrohung, die sich dann eben mit den hohen Idealen dieser Welt messen müssen. Oft merkt man den Bildern eine große Experimentierfreude an, die immer mit den kleinen visuellen Reizen einer Bewegung spielt. So werden flimmernde Schatten fokussiert, Spiegelungen betont, Details wie Füße, Finger, Staub gezeigt oder das netzartige Top, das Natalie Portman in ihrer Rolle trägt, verwandelt sich in ein verlockendes Gefängnis. Diese Dinge kennt man nun bereits und daher ist es auch bemerkenswert, dass es immer wieder statische Totalen im Film gibt. Malick jagt eine Schönheit nach der anderen durchs Bild und sein Film erinnert nicht nur deshalb an Paolo Sorrentinos Oscargewinner La grande bellezza — Die große Schönheit. Diese Frauen, die neben Natalie Portman auch von Cate Blanchett, Freida Pinto, Isabel Lucas und Imogen Poots gespielt werden, geben Rick immer etwas anderes, aber nie das, was er wirklich sucht. Sie geben ihm Sicherheit, Sinnlichkeit, Weisheit, Inspiration, Sex, aber nie alles auf einmal. Aber was sucht er? Vielleicht ist es das, was ihm am Ende des Films bewusst wird und was ihn wieder von vorne suchen lässt. Und dann kann man sich entweder erneut hingeben, erneut zweifeln oder erneut versuchen die Bilder zu beherrschen. Man wird immer scheitern.

(Festivalkritik Berlinale 2015 von Patrick Holzapfel)
____________________________________________________

Ganz selten erwischt einen ein Film derart, dass man die Reaktion körperlich spüren kann. Insofern kann man es als glückliche Fügung ansehen, dass mich dieses Schicksal gleich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen bei der diesjährigen Berlinale ereilte. Gestern bei Sebastian Schippers Victoria gab es Momente, bei denen mir das Adrenalin durch die Adern rauschte, der Pulsschlag sich rasant beschleunigte und der Blutdruck stieg, weil ich so sehr mit hineingezogen wurde in diesen Sog, dass es kein Entrinnen gab. Heute dann bei Terrence Malicks neuem Opus Knight of Cups waren es exakt die gleichen Symptome — die Ursachen aber waren ganz andere.

Der Trailer versprach einiges, die Synopsis, die vorab zu finden war, hüllte sich in viel oder nichtssagende Andeutungen und ließ Fragezeichen über die zu erwartende Geschichte entstehen, die sich auch nach dem Film nicht in Luft auflösten. Weil das, was da erzählt wurde, einerseits recht vage und unkonkret blieb und andererseits lediglich als Variationen der Themen und Motive der beiden Vorgängerfilme The Tree of Life und To the Wonder dargeboten wurde. Fest steht Folgendes: Rick (Christian Bale) ist ein erfolgreicher Drehbuchautor in Hollywood, der aber über dem ganzen Ruhm und der Kohle (deutsche Autoren überlesen diese Stelle am besten) nicht glücklich geworden ist, sondern entsetzlich an sich und dem Leben leidet. Das hat irgendwie mit seiner Kindheit zu tun (wieder einmal musste hier ein Bruder sterben und der eigene Vater ein Ekel sein, um eine diffuse „Backstory Wound“ als Begründung für die mäandernde Melancholie Malickscher Prägung zu installieren), aber auch mit den Frauen, die sich hier von Kapitel zu Kapitel die Klinke in die Hand geben — keine aber versteht es, dem krisengeschüttelten Rick Halt zu geben. Und so stolpert er durch Wüsten, hält vorzugsweise an kalifornischen Stränden Händchen mit einer gertenschlanken, rehäugigen Schönheit nach der anderen (unter anderem verschleißt er im Laufe der Filmes Freida Pinto, Cate Blanchett und Natalie Portman), fährt im Cabrio durch das wechselweise gleißendhelle und nachtschwarz-neonbeschienene Los Angeles oder steht sonstwie dekorativ in der Gegend herum, während die Geigen derart schwelgen, dass man stets befürchten muss, dass gleich die Erben Maurice Ravels mit einer saftigen Plagiatsklage um die Ecke biegen.

Aber gut, Geschichten, so scheint es, stehen längst nicht mehr in Malicks Fokus, ihn interessieren vielmehr Bilder, Töne, Emotionen und deren assoziative Montage, die dann etwas entstehen lassen, das eher Lyrik als Prosa, eher Gedicht als Roman ist. Leider liegt die Güte der Malickschen „Poesie“ ungefähr auf dem literarischen Level eines Paolo Coelho — und genauso fühlt sich dieser Quark auch an.

Klebrige Instant-Esoterik trifft auf den sattsam bekannten Pantheismus, pseudophilosophisches Gefasel wird mit katholischem Erzgedankengut und etwas schlampig recherchierten Tarot-Gedöns abgeschmeckt, dazu wohlweile Weltschmerz-Bilder wie aus einem Design-Katalog und elfenhafte Wesen, die vorzugsweise nackt oder in duftigen Kleidchen Ringelpiez mit Anfassen mit dem geplagten Mann veranstalten, um dann von dem gegen die nächste Schönheit ausgetauscht zu werden. Das allein wäre ja schon schlimm genug, doch hinzu gesellt sich ein Off-Erzähler (the voice of GOD wahrscheinlich — und der schlummert bei Malick bekanntlich in allen Dingen), der fortwährend Binsenweisheiten aus der lyrisch-esoterischen Hausapotheke zum Besten gibt, die sich zu einem jammernden Klagechor von First-World-Problems summieren — ein permanentes Raunen, das vermutlich überdecken soll, dass dieser Film im Innersten so hohl und leer ist wie seine Hauptfigur.

Was übrig bleibt sind Bilder, die so glatt und überästhetisiert sind wie ein Hochglanzporno, der von Höhepunkt zu Höhepunkt eilt: Entweder man ergibt sich dem Strom der Bilder und Töne oder bekommt das dringende Bedürfnis, diese manirierte und manikürte Schönheit zu besudeln. Vielleicht liegt ja darin die eigentliche Qualität Terrence Malicks, dass seine in Filmbilder gegossene Sinnsuche in ähnlicher Ausmaße provoziert und spaltet wie bei den Werken Lars von Triers — beide bilden sozusagen sich diametral gegensätzliche Glaubensrichtungen, die nur zwei Alternativen erlauben: Entweder man glaubt und folgt ihnen bedingungslos oder kann mit deren universalen Weltsichten nichts anfangen.

Mit einem wesentlichen Unterschied — zumindest aus meiner Sicht: Während bei dem Dänen die Suche nach einem Sinn und einer Wahrheit direkt in die Abgründe der menschlichen Seele führt, verbleibt Malick an der reinen Oberfläche und gibt nur vor, tiefgründig zu sein. Für die einen mag das eine quasi-religiöse Offenbarung sein, für die anderen (und zu denen zähle ich mich), ist das reine Scharlatanerie.

(Festivalkritik Berlinale 2015 von Joachim Kurz)

Knight of Cups

Es ist ganz klar, dass jeder, der bislang wenig oder gar nichts mit den Filmen von Terrence Malick anfangen konnte auch mit „Knight of Cups“ große Probleme haben wird. Nach „The Tree of Life“ und „To the Wonder“ folgt der Filmemacher weiter seiner zunehmenden spirituellen Abstraktion, die in früheren Filmen des Regisseurs noch nicht ganz so vordringlich war.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

@PollySees · 08.07.2015

Im zweiten Text fällt das Wort „Lyrik“ um diesen Film zu beschreiben und das bringt es ziemlich gut auf den Punkt. Denn hier gibt es keinen klaren Handlungsbogen, keine Heldenreise, wie wir es bereits so gewohnt sind, kein Happy End und keine Auflösung.
Er ähnelt vielmehr einem Baudelaire-Gedicht, einem Gefühl von „Ennui,“ die damals tief empfundene Langeweile die aus Überfluss entsteht und eine Lehre hinterlässt und die einen gleichzeitig zum Beobachtenden als auch zum (nicht) Handelnden macht, eine Grundhaltung die sich in diesem Fall der Protagonist zwangsläufig mit dem Betrachter teilt.

Sollte man den Film mit Prosa vergleichen wollen, müsste man vielleicht am ehesten an Kafka denken. Ähnlich wie bei seinen Geschichten geht es nicht um ein logisches Verstehen, sondern vielmehr um ein „mitempfinden“, dem Schwimmen in einem Traum, der einen mit einem intensiven Gefühl wieder aufwachen lässt, auch wenn man sich nicht mehr an einzelne konkrete Handlungen erinnern kann.

Ob die Story an sich tiefsinnig ist, muss jeder Betrachter für sich selber entscheiden.
Aber wenn man sich diesem überschwänglichen Bilderreigen hingibt, macht es etwas mit einem. Es entführt einen nicht nur in eine andere Welt (in der unter anderem Autoren mit ihrem Beruf reich werden, seufz) sondern es entführt einen auch ein Stück weit in die eigene unterbewusste Gedankenwelt. Was meines Erachtens nur noch sehr wenige Filme schaffen.
Die meisten der großen Blockbuster geben einem kaum eine Sekunde Zeit eigene Gedanken zu entwickeln und selbst wenn man es kurzfristig schafft, werden sie einem im nächsten Moment gleich wieder “weg-erklärt”.
Viele ausgesprochene Kunst-Filme hingegen, sind so langsam, dass es sogar den eigenen Gedanken langweilig wird, so dass sie sich aus dem Staub machen und ihre eigenen Wege gehen, die letztendlich mit dem Film gar nichts mehr zu tun haben. Oder man schläft schlicht ein, wie es mir auf der Berlinale dieses Jahr wieder bei einigen Filmen der Neben-Sektionen passiert ist, obwohl ich sie eigentlich so gerne mögen wollte.
Die Bilderflut Malicks hält das Hirn dagegen gezielt am laufen. Wahrscheinlich löst es bei jedem Betrachter andere Gefühle und Gedanken aus, aber genau das ist doch schon eine große Leistung eines Filmes. Zumal es nur wenige schaffen, Bilder in solch einer Präzession, solch einer durchdachten Kunstfertigkeit zu erschaffen, wie er es tut.
Insofern liegt die Tiefsinnigkeit vielleicht gar nicht im Film selber, sondern in seiner Wirkung.
Macht genau das „Knight of cups“ zu einem esoterischen Film? Wenn jemand ihn so sehen will, bestimmt. Aber dann ist auch jeder andere Film der sich mit dem Thema „seinen Weg finden“ beschäftigt, ein Stück weit esoterisch.
Ich schließe mich definitiv der ersten Kritik an. Für mich war es eines der Highlights auf der diesjährigen Berlinale.

Kürzestkritiken in 140 Zeichen bei Twitter unter @PollySees