Die Unfassbaren - Now You See Me

Eine Filmkritik von Stephan Langer

Räuber der Illusion

„Illusionen empfehlen sich dadurch, dass sie Unlustgefühle ersparen und uns an ihrer statt Befriedigungen genießen lassen. „Über diesen ganz allgemeinen, (vor allem für FilmkritikerInnen) nicht hoch genug zu schätzenden Sachverhalt klärt uns Sigmund Freud auf, der bekanntlich kaum als Filmtheoretiker in die Gelehrtenannalen eingegangen ist. Eine zentrale Eigenschaft bei Filmen, ja der Kern eines jeden solchen ist die Illusion. Wir bekommen auf der Leinwand etwas vorgespielt und setzen beim Zuschauen gerne unsere Skepsis außer Kraft – vorausgesetzt, der Film schafft es, die Zuschauer in diesen Zustand der Hingabe zu versetzen. Die Unfassbaren – Now You See Me, der neue Film von Louis Leterrier (u.a. The Transporter, Kampf der Titanen), beschäftigt sich nun sozusagen als eine (filmische) Illusion mit dem Thema Illusion. Dazu sind die Illusionisten in hiesigem Fall dem Titel gemäß noch Bankräuber, die ihr in bombastischen Liveshows erbeutetes Geld auf die Zuschauer regnen lassen. Damit haben wir es mit einem klassischen Heist-Movie zu tun, einem Genre, in dem das Planen und Durchführen opulenter und cleverer Raubzüge im Mittelpunkt steht, allerdings einem Heist-Movie im magischen Milieu.
Die Magier in Leterriers Film formen ein verwegenes Quartett aus einer Illusionistin und drei Illusionisten, die sich jeder einzeln mit kleinen Shows, Tricks und Straßenzauberei durchschlagen, bis alle zeitgleich mysteriöse Spielkarten zugestellt bekommen, die sie in eine Wohnung nach New York City bestellen und den Beginn des Bündnisses „The Four Horsemen“ markieren. So benannt inszenieren sie fortan landesweit spektakuläre Zaubershows, in denen sie in Robin-Hood-Manier auftreten und große Geldsummen stehlen und an die Menschen weitergeben. Für diesen Straftatbestand interessiert sich logischerweise auch das FBI und Interpol (der erste Raub findet in einer Pariser Bank statt), die gezwungenermaßen gemeinsam ermitteln und in Gestalt von Dylan Rhodes (Mark Ruffalo) und Alma Dray (Mélanie Laurent) an die Fersen der Truppe heften. Zur Unterstützung heuern die beiden den eleganten und gerissenen Magier Thaddeus Bradley (Morgan Freeman) an, der sein Metier verlassen hat, weil er mit der Entzauberung von Illusionen mehr Geld verdienen kann als mit eigenen Shows.

Die Unfassbaren – Now You See Me beginnt unterhaltsam mit einer äußerst rasanten und spaßigen Charaktereinführung von jedem der vier Mitglieder und seinen spezifischen Zauberfähigkeiten. Gleich zu Beginn werden die Superheldenanleihen in der Figurenentwicklung deutlich, die das Drehbuch enthält. Diese Helden wären: der Showmaster (Jesse Eisenberg), der Gedankenleser (Woody Harrelson), die Entfesselungskünstlerin (Isla Fisher) und der Trickbetrüger (Dave Franco). Ihre Gegenspieler sind der prinzipientreue Gerechtigkeitsfanatiker Rhodes, der den Fall zunächst als seiner nicht würdig ansieht, dann aber alles dafür tut, dass die Magierclique hinter Gitter kommt und die ihm charakterlich gegensätzliche Dray, die empathisch verstehen möchte, wie die „Four Horsemen“ vorgehen und welche Philosophie hinter ihrer ganzen Zauberei steckt. Der etwas ruppige, analytische FBI-Agent und die viel weichere, für Geheimnisse und Illusionen zugänglichere Interpolagentin sind zwar ein wenig zu klischeebeladene Figuren, Ruffalo und Laurent geben sich allerdings alle Mühe, so dass deren verbaler Schlagabtausch sehr unterhaltsam daherkommt.

Überhaupt: das Drehbuch (verantwortlich: Ed Solomon, Boaz Yakin und Edward Ricourt) des Films ist ausgeklügelt und gut durchdacht, enthält Wortwitz und ist dramaturgisch solide. Leider sind die Charaktere nur sehr schwach gezeichnet und durchlaufen auch keinerlei Entwicklungen. Vor allem nach dem mitreißenden Beginn fällt es umso mehr auf, dass sogleich danach das Interesse des Drehbuchs an den Figuren abflaut und fast gänzlich in den Hintergrund tritt zugunsten einer konstanten, ja frenetischen Aktivität und Action auf der Leinwand. Was den Figuren bleibt, sind die wiederholten Posen, die sie auf der Bühne und innerhalb der Gruppe einnehmen. Offensichtlich dreht sich alles so sehr ums Spiel des Zaubers bzw. den Zauber des Spiels, dass es nicht mehr notwendig scheint, die sympathischen Robin Hood-Handlungen in einen weiteren Kontext zu stellen. Den „Four Horsemen“ geht es nicht um Profit, aber um was dann? Sind sie spielerische Anarchisten oder provokative Gegner von Finanzmagnaten und rein kapitalistisch orientierten Regierungen? Und wieso sind sie eigentlich nach den apokalyptischen Reitern aus der Bibel benannt? Darüber erfährt man leider nichts im Verlauf des Films, die meisten Comic-Superhelden bieten mehr Hintergrund als die Figuren hier.

Der rote Faden, der sich klug kalkuliert durch Die Unfassbaren – Now You See Me zieht, ist ein dualistischer, auf mehreren Ebenen. Einerseits schwankt man mit seiner Sympathie stets hin und her zwischen den zaubernden Bankräubern mit den edlen Motiven und der Polizei, die rechtschaffen versucht, dem ganzen Zauber ein Ende zu bereiten. Diese beiden im Film etablierten Pole korrespondieren mit einer inneren Einstellung, die die meisten Menschen intuitiv zum Thema „Magie“ haben: man gibt sich gerne der Illusion hin, will verzaubert werden, nur um dann jedoch auch ganz skeptisch in Erfahrung zu bringen, wie alles gemacht wurde, wie man hinters Licht geführt wurde. Insofern ist das wirbelnde Katz-und-Maus-Spiel auf der Leinwand kurzweilig anzuschauen. Zusätzlich wird man als Zuschauer immer wieder (manchmal auch in direkter Ansprache) damit konfrontiert, dass das Filmgeschehen einem immer schon einen Schritt voraus ist. Da fallen gewichtige Sätze wie: „The more you think you see, the easier it’ll be to fool you.“ oder „The closer you think you are, the less you’ll actually see.“ Diese sind sowohl an die Polizei als auch den Zuschauer adressiert. In die Irre geleitet werden gehört mithin zum Prinzip des Films – gezielte Täuschung ist die Insignie jeder Illusion – so findet man sich stellenweise in der Rolle des rationalisierenden Verfolgenden wieder, in der man paradoxerweise mit den zu Verfolgenden sympathisiert. Ohne Zweifel, das ist clever gemacht. Das große Geheimnis der Geschichte bleibt während der ganzen Verfolgung, ob es denn irgendwo im Verborgenen noch einen Drahtzieher gibt, der die „Four Horsemen“ unterstützt und informiert, so dass sie eben immer einen Schritt voraus bleiben können. Der große Knall am Ende lüftet dann das derart mit Spannung aufgeladene Geheimnis, hält allerdings bei Weitem nicht, was er versprochen hat. Bildlich gesprochen würde man sagen, dass noch nicht einmal ein Kaninchen aus dem Zylinder springt, sondern nur einige wenige Staubflusen herauspurzeln.

Der Film greift Phänomene der Gegenwartskultur auf. Es finden sich Anspielungen auf die Occupy-Bewegung in Nordamerika und auf die Opfer des Hurrikans Kathrina, die in der zweiten Show in New Orleans zum Teil „entschädigt“ werden. Leider geschieht das lediglich en passant und schlaglichtartig, das heißt auch ohne weitere Verknüpfung mit dem restlichen Gesamtgeschehen. Das beeindruckende, mit Schauspielstars gespickte Ensemble (u.a. Harrelson, Freeman, Caine, Laurent), die Entscheidung mit zwei Kameramännern zu arbeiten (einer für die Bühnenszenen, bei denen man sich mit der durch den Raum fahrenden Kamera ein bisschen vorkommt wie bei DSDS, einer für die Actionsequenzen), das durchdachte (aber statische) Drehbuch, der ganze Glitzer und Glamour, der diesen Film umgibt, schafft es nicht, darüber hinwegzutäuschen, dass Die Unfassbaren – Now You See Me nicht zündet. Leider, muss man an dieser Stelle sagen, bietet doch die Thematik ein durchaus weites, interessantes Feld zum Austoben. Der Film ist am Ende gar eine doppelte Enttäuschung: zum Einen wird der ganze aufgebaute Zauber, die ganze Täuschung, aufgehoben oder ent-täuscht, zum Anderen ist er auch eine Enttäuschung für den Zuschauer, der mit der Hoffnung auf mehr gefüttert wurde. Insgesamt kann man Leterriers Versuch als Teil der gegenwärtigen Glitzer-Eventkultur betrachten, die er zum Teil mit den spektakulären Bühnenshows beschreibt. Leider verpufft jegliche angestrebte Wirkung des Films auch ähnlich schnell, wie das bei einem Großteil des Angebots eben dieser Eventkultur der Fall ist. Die Struktur ist auf einen kurzzeitigen Effekt ausgelegt – sobald sich der Nebel verzieht, sind so gut wie keine Spuren mehr übrig vom just Gesehenen. Und um den Anfang hier noch einmal aufzugreifen: wir erfahren leider nur wenig Befriedigung, die uns Freud in seiner Definition von Illusionen verspricht, beim Anschauen von Die Unfassbaren – Now You See Me. Wie gesagt: Freud war kein Filmtheoretiker. Und erst recht keiner aus Hollywood.

Die Unfassbaren - Now You See Me

„Illusionen empfehlen sich dadurch, dass sie Unlustgefühle ersparen und uns an ihrer statt Befriedigungen genießen lassen. „Über diesen ganz allgemeinen, (vor allem für FilmkritikerInnen) nicht hoch genug zu schätzenden Sachverhalt klärt uns Sigmund Freud auf, der bekanntlich kaum als Filmtheoretiker in die Gelehrtenannalen eingegangen ist. Eine zentrale Eigenschaft bei Filmen, ja der Kern eines jeden solchen ist die Illusion.
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