Das Verschwinden (Staffel 1)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Seelenschau einer Kleinstadt

Eine junge Frau verschwindet, einfach so. Die Polizei vermutet, dass die 20-jährige Janine Grabowski (Elisa Schlott) die Nase voll hatte von Forstenau, einer Kleinstadt nahe der tschechischen Grenze, und abgehauen ist. Ihre Mutter Michelle (Julia Jentsch) ist aber überzeugt, dass ihr etwas zugestoßen sein muss. Als die Polizei weitgehend untätig bleibt, beginnt sie, nach ihrer Tochter zu suchen.

Michelle Grabowskis Suche ist in Hans-Christian Schmids Fernsehserie Das Verschwinden der Ausgangspunkt einer Erzählung über Familien und das Leben in einer Kleinstadt. Da gibt es die Grabowskis mit der alleinerziehende Michelle, die sich gerade mit dem Vater ihrer zweiten Tochter um das Sorgerecht streitet und im Verlauf der Serie immer mehr befürchtet, dass sie mit ihrem Verhalten zu dem Verschwinden ihrer Tochter beigetragen hat. Es gibt die Essmanns, Steffi (Nina Kunzendorf) und Leo (Sebastian Blomberg), erfolgreich, wohlhabend und einflussreich. Ihre Tochter Manu (Johanna Ingelfinger) ist Janines beste Freundin – und abhängig von Crystal Meth, was sie unbedingt geheim halten wollen. Es ist gibt die Wagners, Caroline (Annegret) und Helmut (Michael Grimm). Caroline ist chronisch krank, ihre Mann Helmut überfordert. Sie sind die Eltern der dritten Freundin, von Laura (Saskia Rosendahl). Auch sie hat ein Drogenproblem und ist unglücklich. Ihre Eltern sehen nicht, wie es ihr geht, sondern insbesondere der Vater erdrückt sie mit seiner Kontrolle. Daneben gibt es weitere Geschichten, von den Karamans, Kerstin (Teresa Harder) und Ayhan (Vedat Erincin), die einen Döner-Laden betreiben und deren Sohn Tarik (Mehmet Atesci) mit Crystal Meth dealt. Von dem örtlichen Polizeichef, der zunehmend resigniert angesichts der Drogenflut aus Tschechien und sich nicht immer ans Gesetz hält. Von seinem Kollegen Jens Köhler (Martin Feifel), der wie ein einsamer Cowboy wirkt und fast als einziger versucht, den Menschen tatsächlich zu helfen.

Von Folge zu Folge fächert sich in Das Verschwinden das ungemein präzise entwickelte und gezeichnete Bild einer Kleinstadt auf. Janine, Manu und Laura stehen im Mittelpunkt, an ihnen zeigen sich die Folgen dieses Lebens. Ihre Eltern wollen nur das Beste für sie, sie wollen sie schützen und fördern, sie wollen ihr Glück, wissen aber nicht, wie sie es erreichen können. Denn sie sehen nicht, wie sie sie nach und nach erdrücken – mit ihren Erwartungen und ihren Lebenslügen. Dabei gibt in jeder Familie Probleme, Geheimnisse und Lügen, die aber fast alle nahezu alltäglich sind. Denn Hans-Christian Schmid und sein Co-Drehbuchautor Bernd Lange suchen nicht explosive Dramatik, sondern sie erlauben sich im Drehbuch Ambivalenzen und offene Stellen. Dabei besticht die Genauigkeit in den Beobachtungen und der Inszenierung. Hier stimmt alles, das Drehbuch, die Kamera, die Ausstattung, die Musik. Und die Besetzung. Alle Figuren werden exzellent gespielt, die Schauspieler_innen und das Drehbuch sorgen dafür, dass jedes Verhalten nachzuvollziehen ist – jede Entscheidung, sei sie richtig oder falsch, jede Lüge, jede Geheimniskrämerei ist in der jeweiligen Figur begründet, die die nötigen Bruchstellen und Widersprüche mit sich bringt. Herausragend sind indes die Darstellerinnen der Töchter: Elisa Schlott gelingt es in wenigen Szenen Interesse, Empathie und Neugier zu entwickeln auf Janine – und ihr zugleich etwas Mysteriöses zu lassen. Saskia Rosendahl überzeugt als verlorene Laura, die irgendwie versucht, es allen recht zu machen und sich daran zunehmend aufreibt. Und als starke und verzweifelte Manu brilliert Johanna Ingelfinger, für die nach dieser Leistung hoffentlich viele ähnlich starke Rollen warten.

Das Verschwinden ist eine großartige Fernsehserie, ein Format, das Hans-Christian Schmid Raum und Zeit zur Verfügung stellt, über diese Menschen und ihre Beziehungen zu erzählen. Acht Tage währt die Suche nach Janine, jede Folge umfasst einen Tag – die Episoden werden allerdings im Doppelpack ausgestrahlt. Dabei entsteht von Tag zu Tag, von Folge zu Folge eine immer angespanntere, druckvollere Ruhe, der man sich nicht entziehen kann.
 

Das Verschwinden (Staffel 1)

Eine junge Frau verschwindet, einfach so. Die Polizei vermutet, dass die 20-jährige Janine Grabowski (Elisa Schlott) die Nase voll hatte von Forstenau, einer Kleinstadt nahe der tschechischen Grenze, und abgehauen ist. Ihre Mutter Michelle (Julia Jentsch) ist aber überzeugt, dass ihr etwas zugestoßen sein muss. Als die Polizei weitgehend untätig bleibt, beginnt sie, nach ihrer Tochter zu suchen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Alexandra Bretschneider · 01.11.2017

Dieser 4 teilige Film war äußerst spannend,fesselnd und traurig.
Habe die Hauptdarstellerin bewundert,wie sie die Rolle in allen Teilen sehr gut verkörpert hat.
Es wurde wenig Freude, Lächeln gezeigt. Grund: weil es um Dramatik, Sorge und Traurigkeit ging.
Ich habe mich immer wieder auf den nächsten Teil gefreut,obwohl ich auch gehofft habe, dass es besser ausgehen würde.
Ein großes Lob an den Regisseur und alle tollen Schauspieler!!!
Ich würde auch das Buch lesen,wenn es irgendwann als Buch gedruckt wird!