Total Recall (2012)

Eine Filmkritik von Bastian Glodnick

Viel Lärm um (fast) dasselbe

Hollywood fischt mal wieder im eigenen Fundus – dieses Mal am Angelhaken: Paul Verhoevens harter Genreklassiker Total Recall von 1990. Von der damaligen Mischung aus intelligenter Science Fiction-Story und robustem Schwarzenegger-Vehikel ist nach der Umgestaltung durch Underworld-Schöpfer Len Wiseman das auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick basierende Gerüst übriggeblieben. Das wüste Drumherum ist zwar ein anderes – aber deshalb nicht etwa besser.
Immer noch ist es der unzufriedene Arbeiter Douglas Quaid (nun dargestellt von Colin Farrell), dem der Sinn nach einem aufregenderen Leben steht. Oder zumindest nach einer Erinnerung an ein solches. Die Welt hat sich verändert. Nur sind die Menschen diesmal nicht in Richtung Mars aufgebrochen, sondern haben ihren Planeten, nachdem ein Atomkrieg große Teile davon verwüstet hat, in zwei Supermächte aufgespalten: Die Vereinte Föderation Großbritanniens (kurz UFB) und die Kolonie. Durch eine gigantische, fahrstuhlartige Vorrichtung, die durch den Erdkern hindurch gebaut worden ist, gelingt es den Einwohnern, zwischen den Nationen zu pendeln. Auch Quaid nutzt den innovativen Transportmechanismus, um zu seinem tristen Job in einer Roboterfabrik zu gelangen. Die Aussicht auf eine echte Karriere bleibt ihm verwehrt, gehört er doch dem unterpriviligierten Teil der Bevölkerung an. Trotz seiner attraktiven Frau Lori (Kate Beckinsale) träumt er von einem alternativen Ich, das zusammen mit einer Unbekannten (Jessica Biel) von einer Spezialeinheit gejagt und schließlich brutal gestellt wird. Quaid will mehr als einen Traum und entschließt sich letztlich, die Dienste der zwielichtigen Firma Rekall Inc. anzunehmen. Diese verkauft Erinnerungen, die sich der Kunde nach eigenem Geschmack zusammenstellen und implantieren lassen kann. Bei Quaids Eingriff läuft jedoch etwas schief. Bevor er mit den Verantwortlichen sprechen kann, stürmt ein SWAT-Team den Raum und erschießt die Anwesenden – alle außer Quaid. Denn der setzt sich, von seinen reflexartigen Bewegungen selbst überrascht, blitzschnell zur Wehr und tötet die Angreifer. Was geschieht hier mit ihm? Und ist er in Wirklichkeit überhaupt noch der, der er zu sein glaubte?

Wer Verhoevens Original bereits kennt, dem wird Wisemans Version inhaltlich kaum Neues offenbaren: Der etwas verzwickte Agentenplot ist geblieben, nur dass der Konflikt zwischen Unterdrückern und Unterdrückten nun auf einer anderen Ursache basiert. Überschwemmt wird die Handlung von einer Masse noch spektakulärerer Actioneinlagen, die vermutlich in erster Linie darüber hinwegtrösten sollen, dass hier weder der Charme noch die inszenatorische Qualität des Vorläufers je erreicht wird.

Was man dem Remake allerdings wirklich lassen muss, ist der Einsatz erstklassiger Spezialeffekte, von denen sich so manche moderne Produktion eine Scheibe abschneiden kann. Auch in diesem Film werden die Computer in den Trickstudios heißgelaufen sein, nur merkt man vor allem der futuristischen Welt nie störend ihren CGI-Ursprung an. Ihre Darstellung erinnert an Steven Spielbergs erstklassigen Minority Report, ebenfalls nach einer Vorlage von Kultautor Dick. Das Bild von Fahrzeugen, die sich über eine Magnetbahn bewegen, kennt man bereits daraus. Auch Roboter, die nun den Posten menschlicher Gesetzeshüter übernehmen, hat man schon in anderen Filmen erlebt. Das Handy, der vielleicht wichtigste (?) Begleiter unseres jetzigen Alltags, wird in Wisemans Film nun so unabdingbar, dass er gar in die Hände der Protagonisten eingepflanzt wird. Science Fiction ist immer dann am interessantesten, wenn die vorgestellten Neuerungen tatsächlich eine unmittelbare Relevanz für die reale Zukunft haben könnten — Dinge, die uns selbst möglicherweise irgendwann betreffen. In Total Recall (Nummer 2) ist das faszinierendste Element wahrscheinlich der bereits erwähnte Lift mitten durch die Erdkugel. Zunächst rast dieser mit der Schwerkraft in die Tiefe hinab, bevor diese dann ab einem Punkt wieder überwunden werden muss. Das ist ein spannender Gedanke und visuell nett anzusehen, nur leider wird der Einfall spätestens dann auf ärgerlichste Weise ad absurdum geführt, wenn in einer späteren Szene zwei Figuren an der fiktiven Konstruktion hinaufklettern, als wäre das in Wahrheit gar kein großes Problem. Nun hat sich auch Verhoevens Werk bestimmt nicht stringent an bestehende Naturgesetze gehalten, doch ist dort die Handlung zumindest nicht in einem derartigen Getöse ertränkt worden, das kaum Luft für einen Blick in die Dystopie lässt.

Len Wiseman ist ohne Zweifel ein hochprofessioneller Handwerker, der beeindruckende Schauwerte inszenieren kann – nur ist er kein annähernd so begabter Erzähler wie Paul Verhoeven, der trotz des wilden Ritts auch die Storyzügel stets fest in den Händen hielt. Hier fehlt dann auch die Präsenz des ehemaligen Hauptdarstellers Arnold Schwarzenegger, der dem im Grunde ernsten Szenario eine sympathische Portion Charisma und Witz zugeführt hat. Sein Nachfolger Colin Farrell (Brügge sehen…und sterben) ist ein guter Schauspieler, nur leider keine Ikone, die in einem Actionfeuerwerk wie diesem sonderlich zu glänzen versteht. Warum jetzt also überhaupt diese Neuauflage einer eigentlich bereits rundum geglückten Leinwandvision? Vermutlich einfach weil der Titel Total Recall inzwischen die Funktion einer lukrativen Marke innehat, die zunächst ältere Zuschauer nach der langen Zeit erneut ansprechen könnte.

Dazu die Möglichkeit der Erschließung einer jüngeren Zielgruppe, indem der Gewaltfaktor des grimmigen Verhoeven-Films hier auf ein Minimum reduziert worden ist und damit eine niedrigere Altersfreigabe gesichert werden konnte (Roboter bluten schließlich nicht). Die Besetzung mit frischen Stars wie Colin Farrell, Kate Beckinsale, Jessica Biel oder Bryan Cranston wird ihr Übriges tun, um mit dem alten Thema erneut reichlich Geld in die internationalen Kassen zu spülen.

Die neue Kinogeneration mag in der sterilen Arbeit genug Unterhaltungswert für die Zeit zwischen zwei Runden Playstation 3 finden – mit dem Original vertraute Zuschauer dürften hingegen wohl spätestens nach der ersten halben Stunde gekonnter Trickserei ihre eigene, totale Erinnerung zurückerlangen: Diese Geschichte hat einen damals einfach stärker an den Sitz gefesselt.

Total Recall (2012)

Hollywood fischt mal wieder im eigenen Fundus – dieses Mal am Angelhaken: Paul Verhoevens harter Genreklassiker „Total Recall“ von 1990. Von der damaligen Mischung aus intelligenter Science Fiction-Story und robustem Schwarzenegger-Vehikel ist nach der Umgestaltung durch „Underworld“-Schöpfer Len Wiseman das auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick basierende Gerüst übriggeblieben. Das wüste Drumherum ist zwar ein anderes – aber deshalb nicht etwa besser.
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Meinungen

K. Herrmann · 24.08.2012

Guter film mit super Unterhaltungswert (actioncoffee),
als Kind der neuen Generation verstehe ich sowieso nicht wie man einen solch alten Film mit einem neuen Werk vergleichen kann (zumal Schwarzenegger, meiner Meinung nach, nun wirklich kein guter Schauspieler war).