Tom Atkins Blues

Eine Filmkritik von Peter Gutting

"Tante Emma" lebt

Nicht oft gibt es Filme, die mit so wenig Geld gedreht werden: 2.000 Euro betrug das Budget für Tom Atkins Blues. Ein Betrag, den man dem stimmungsvollen Mix aus Dokumentar- und Spielfilm nicht ansieht. Offenbar boten gerade die niedrigen Kosten die Chance, besonders kreativ zu Werke zu gehen.
Regisseur Alex Ross erzählt vom Typ eines Lebensmittel- und Gemischtwarenladens, der eigentlich seit Jahrzehnten ausgestorben ist. Der Spätkauf im Berliner Prenzlauer Berg ist viel mehr als bloße Einkaufsstätte. Er ist Treffpunkt, Kummerkasten und eine Art emotionale Tankstelle. Wie sein Name sagt, öffnet der Spätkauf dann, wenn andere schließen: am Abend und am Sonntag. Der Laden ist eine Institution im Kiez, nicht wegzudenken aus dem Gemeinschaftsleben einer intakten Nachbarschaft. Doch dann bietet ein Supermarkt um die Ecke Einkaufsmöglichkeiten bis 24 Uhr. Schlagartig brechen dem Spätkauf die Kunden weg. Der Laden steht vor dem Aus.

Das ist keine erfundene Geschichte, den Spätkauf gibt es wirklich. Und Regisseur Alex Ross hat dort aushilfsweise mal gearbeitet. Da lag es nahe, dass man ihn fragte, ob er das bedrohte Geschäft nicht auf Film bannen wollte, als Erinnerungsstück fürs Kiez-Poesiealbum sozusagen. Ross wollte und weitere professionelle Mitstreiter wollten auch. Jakob Ilja etwa, Gitarrist der Band Element of Crime und Filmmusik-Komponist. Ihn sieht man des Öfteren vor dem Laden sitzen, die Akustik-Gitarre in der Hand und den Blues in den Fingern.

Auch Alex Ross ist vor der Kamera aktiv. Er verkörpert den Ladenbetreiber Tommy, einen Engländer, der hinter der Theke seinen Lieblingsjob gefunden hat, vielleicht sogar eine Nische, aus der er nie mehr heraus will. Aber der Regisseur spielt sich nicht unbedingt selbst. Tommy und die anderen lustigen Typen sind erfundene Figuren mit realistischem Hintergrund. Das macht sie so anziehend, denn sie sind für einige „running gags“ gut, die dem Film einen Hauch von Charakterkomödie verleihen. Das fiktive Element erlaubt dem Regisseur, die kleinen Geschichten aus dem Ladenalltag humoristisch zuzuspitzen: streitende Paare, ein notorischer Weiberheld oder ein ständig am Rande des Nervenzusammenbruchs agierender Buchhalter. Für alle hat Tommy einen coolen Spruch und eine kleine Lebenshilfe parat. Und wenn dem gutgelaunten Mann hinter der Theke mal die Witze ausgehen, muss man die Lage tatsächlich für todernst halten.

Geschickt verschränkt Alex Ross die Spielszenen mit lose eingewobenen dokumentarischen Interviews, in denen die Kunden erzählen, was sie mit dem Laden verbinden: ein Stück Heimat, bleibende Erinnerungen und manchmal die wichtigste Begegnung ihres Lebens.

Die gleitenden Übergänge dieses wunderbar entspannten Films werden zusammengehalten durch einen Soundtrack, der tatsächlich den Blues hat. Aber nicht nur. Tommy ist auch ein Fan von Ska-, Reggae- und Dubrhythmen, mit denen er seine Kundschaft bei Laune hält. Eine Musik, die hervorragend zu der Lebensfreude passt, die das muntere Völkchen ausstrahlt. Schließlich gibt die Realität in diesem Fall zu mehr Optimismus Anlass als die Fiktion, die das Ende offen lässt: Der Laden existiert immer noch.

Tom Atkins Blues

Nicht oft gibt es Filme, die mit so wenig Geld gedreht werden: 2.000 Euro betrug das Budget für „Tom Atkins Blues“. Ein Betrag, den man dem stimmungsvollen Mix aus Dokumentar- und Spielfilm nicht ansieht. Offenbar boten gerade die niedrigen Kosten die Chance, besonders kreativ zu Werke zu gehen.
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