Taking Woodstock

Eine Filmkritik von Joachim Kurz / Michael Spiegel

Mehr Schamhaar, bitte!

Beinahe auf den Monat genau sind es nun 40 Jahre her, als das bedeutendste Festival der Musikgeschichte, Woodstock, seinen chaotischen Verlauf nahm. Der vielfach preisgekrönte Regisseur Ang Lee hat neben seinem eigenen Wunsch, nach Filmen mit eher ernsteren Themen (Der Eissturm, Brokeback Mountain, Gefahr und Begierde) nun mal eine Komödie drehen zu dürfen, sicherlich auch dieses Jubiläum zum Anlass genommen, um in Taking Woodstock die wahre, persönliche Umstände des Mammutkonzertes zu interpretieren – basierend auf den Erinnerungen von Elliot Tiber, ohne den Woodstock wohl nie stattgefunden hätte.
Sommer 1969 in der ländlichen Kleinstadt Bethel im Staate New York: Das Motel der kauzigen Familie Teichberg ist ziemlich heruntergekommen – trotz der wunderbaren Lage in den Catskill Mountains, einem beliebten Feriengebiet des Bundesstaates. Die desolate Lage ist vor allem dem rüden Temperament von Sonia Teichberg (Imelda Staunton) zu verdanken, die mit ihrer schroffen Art immer wieder deutlich macht, dass sie an Gästen eigentlich gar nicht interessiert ist. Zum Glück versteht es ihr Sohn Elliot (Demetri Martin), der eigentlich als Innenausstatter in New York lebt, dank seiner beschwichtigenden Art, dem von der Zwangsversteigerung bedrohten Anwesen einen letzten Aufschub zu verschaffen. Trotzdem: Es muss eine neue Geschäftsidee her – und zwar schnell. Denn sonst ist das Motel ein für alle Mal verloren.

Schließlich ist es eine kleine Zeitungsnotiz, die Elliot auf den rettenden Einfall bringt. Da der Nachbarort Wallkill ein Open Air Festival der Hippie Bewegung abgelehnt hat, bietet Elliot dem Veranstalter Michael Lang (Jonathan Groff) die Wiese des Motels sowie die Zimmer an. Nach dem ersten Augenschein stellt sich das Gelände aber schnell als zu klein heraus. Bis Elliot abermals eine zündende Idee hat – die große Weide des Milchbauern Max Yasgur (Eugene Levy) wäre genau der richtige Ort. Und tatsächlich: Für 5000 Dollar werden sich der Konzertveranstalter und der Landwirt handelseinig. Doch das ist erst der Beginn eines wahnwitzigen Weges, an dessen Ende ein gigantisches „Love & Peace“ Happening steht, welches Musikgeschichte geschrieben hat. Und welches auch das Leben von Elliot und seiner Familie radikal verändern wird.

Manchmal sind es kaum absehbare Schwierigkeiten, die selbst einen erfahrenen Filmemacher wie Ang Lee vor beinahe unlösbare Probleme stellen. Der musste bei der Produktion seines neuen Werkes nämlich feststellen, dass es heutzutage beinahe ein Ding der Unmöglichkeit ist, hunderte Komparsen zu finden, die noch im Vollbesitz ihrer Schambehaarung sind und allesamt keinen sportlichen Körperbau haben sollten. Weil in den 60 / 70ern eben noch niemand großartig Sport gemacht hat. Wie sich doch die Zeiten geändert haben – „the times, they are a-changing…“

Beim Filmfestival von Cannes, wo Taking Woodstock im Wettbewerb zu sehen war, wurde vereinzelt bemängelt, dass Ang Lee das eigentliche Konzert und die Musiker auf der Bühne nahezu vollständig ausblendet. Und übersahen dabei die ungeheure Raffinesse dieser mutigen Entscheidung. Denn der vermeintliche Mangel ist in Wahrheit ein großer Gewinn für den Film. Die Geschichte hinter dem vielfach verklärten Megaevent der Hippie-Ära besitzt auch ohne den Aufmarsch der musikalischen Helden genügend Witz, Charme und schräge Charaktere, um ein neues Licht auf das Festival zu werfen. Um eine Zeit lebendig werden zu lassen, wie sie wohl nie wieder kehren wird. Nein, Taking Woodstock ist beileibe kein Aufguss alter Dokumentationen über Woodstock, sondern eine intelligente, auf den Punkt gebrachte Beschreibung schillernder Figuren, die das Festival zum Hunderttausenden bevölkert haben. Durchaus sympathische Hippies auf dem Sex-and-Drugs-Trip, wie man sie – verspielt, psychedelisch, beschwingt und selbstironisch – dort damals ganz sicher so hat antreffen können.

Auch die vielfältigen Nebenszenerien und ergänzenden, hervorragend bebilderten Momente des Films – beispielsweise eine kleine Coming-Out-Geschichte oder ein sich schließendlich noch befreiendes Verhältnis der Eltern Elliots zueinander – verwebt Lee auf respektvolle, zärtliche Weise in die Gesamthandlung; die große Liebe und Empathie des Regisseur zu seinen Figuren ist dabei hautnah zu spüren.

Taking Woodstock – ein weiterer überzeugender Film des Taiwanesen Ang Lee also, der eindrucksvoll demonstriert, dass er auch luftig-leichte Retro-Sommerkomödien vor dem Hintergrund eines US-amerikanischen Landlebens detailreich und beglückend inszenieren kann.

Taking Woodstock

Beinahe auf den Monat genau sind es nun 40 Jahre her, als das bedeutendste Festival der Musikgeschichte, Woodstock, seinen chaotischen Verlauf nahm. Der vielfach preisgekrönte Regisseur Ang Lee hat neben seinem eigenen Wunsch, nach Filmen mit eher ernsteren Themen (Der Eissturm, Brokeback Mountain, Gefahr und Begierde) nun mal eine Komödie drehen zu dürfen, sicherlich auch dieses Jubiläum zum Anlass genommen, um in Taking Woodstock die wahre, persönliche Umstände des Mammutkonzertes zu interpretieren – basierend auf den Erinnerungen von Elliot Tiber, ohne den Woodstock wohl nie stattgefunden hätte.
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Meinungen

ich · 07.10.2009

mir hat der film sehr gut gefallen. alle, die sich beschweren, dass gute musik fehlt, hätten sich vielleicht vorher über den film informieren sollen und so gewusst, dass der regisseur die geschehnisse hinter dem eigentlichen festival zeigen wollte. außerdem hieß sie janis joplin!

catharina · 04.09.2009

hab bis zum Schluß auf gute Musik von Janis Japlin o. ä. gewartet.
Netter Film, jedoch sehr flach- schade!
Die Erwartung der 59 er wurde enttäuscht!

Snacki · 31.08.2009

Sehr netter unbekümmerter Film. Man merkt dem Regisseur an, dass er viel Freude beim Dreh hatte.