Hab mich lieb!

Berliner Ménage à trois

Kalli (Franziska Jünger) muss definitiv mit Kroko aus Sylke Enders gleichnamigem Spielfilmdebüt verwandt sein. Gut, die Frisur ist anders, die Haare rot und lockig statt blond und glatt. Doch es ist die coole Attitüde, das Unnahbare, Schroffe, das den Zuschauer sofort an die Göre aus dem Berliner Arbeiterbezirk Wedding erinnert. Dieselbe Flapsigkeit, die gleichen Sprüche, eine ähnliche Art der Verletzlichkeit, die um jeden Preis verborgen bleiben muss.
Kalli ist Anfang 20 und jobbt in einem Altersheim. Irgendwann einmal will sie Medizin studieren, doch der Weg dahin ist noch weit. Also treibt sie sich mit ihrer besten Freundin, der Transsexuellen Christel (Torsten Schwjck), herum, bis sie in der Silvesternacht auf einer Party Norman (Lennie Burmeister) kennen lernt. Der ist zwar auf den ersten Blick ein echtes Weichei und ziemlich schüchtern, so dass die Kratzbürste Kalli nichts von ihm wissen will. Als sich dann doch eine Beziehung zwischen den beiden anbahnt und Kalli das vor ihrer Freundin verheimlicht, ist Christel sauer und zum ersten Mal seit langem bereit, ihren Weg auch ohne die Ratschläge der Freundin zu gehen. Es kommt zum Streit, und die Freundschaft der beiden wird auf eine ernsthafte Probe gestellt…

Überzeugte Franziska Jünger in Sylke Enders erstem Langfilm Kroko noch als coole Berliner Kodderschnauze mit Herz und Verstand, scheint sich nun in Hab mich lieb! ihr Image gegen sie zu wenden. Zwar überzeugt sie immer noch und wirkt authentischer als viele andere Schauspielerinnen, doch die Geschichte und ihre (Anti-)Helden wirken oft ziellos, episodenhaft und manchmal auch ein wenig zu gewollt cool und raunzig. Hinter ihrem Getue und dem Gefühl der Überlegenheit verbergen sich Unsicherheit und komplexe, trotzdem mag man diese Frau irgendwie nicht und ihre Art, mit anderen Menschen umzugehen wirkt weniger komisch als verächtlich. Hatte die Berliner Lebensart und das Lebensgefühl in Sommer vorm Balkon noch ganz unverhofft sonnige Seiten, trotz oder gerade wegen der Lebensnähe der Figuren und Situationen, schwingt hier trotz aller Albernheit eine Tristesse, Einsamkeit und Verlorenheit mit, die manchmal ein wenig weh tut. Vielleicht liegt das auch daran, dass man oft den Eindruck hat, das Ganze sei weniger gespielt als tatsächlich vorgefunden und genau beobachtet. Das Leben ist eben doch kein Film. Aber manchmal wäre genau das eben doch schöner als die Realität.

Hab mich lieb!

Kalli (Franziska Jünger) muss definitiv mit Kroko aus Sylke Endres gleichnamigem Spielfilmdebüt verwandt sein. Gut, die Frisur ist anders, die Haare rot und lockig statt blond und glatt.
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Meinungen

Frank Weithofer · 15.10.2006

Meinung?! Gut gesagt! Der Titel ist m. E. Missbrauch und Entweihung.
Ich empfinde es als scheußlich, wenn man ein Drama um eine "Kratzbürste" und eine Transfrau mit demselben Titel versieht wie ein alter Revuestreifen in SW von 1942. Obgleich ich erst 45 bin, kannte ich die Hauptrollenfigur dieses Oldie-Schlagerfilms - sie lebte 1913-2004 -persönlich und habe sie sehr verehrt. Und dann verwendet man solch einen Titel 2003 in der "Pfui"branche, i. Ggs. zur o. e. "Hui"branche. Dass die alte Dame sich das hat bieten lassen? Sie war bis zuletzt rüstig und starb überraschend. Herz!
Wusste das niemand der Produzenten? Bitte um Ihre Meinung, für mich ist das ungeheuerlich.

Robert Mountain · 18.09.2006

Ausgezeichneter Film mit im Gegensatz zu amerikanischen Produktionen erfrischend glaubwürdigen Darstellern und Charakteren. Filmpreisreif: Franziska Jünger. Schnörkellos die Dialoge. Prima Deutscher Film mit hoffnung auf weitere. Irgendwann spät auf Arte gesehen, konnte aber nicht ins Bett bis ich alles gesehen hatte.