Max Mon Amour

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Affengeil

„Auf den Hund gekommen“ (Tocotronic) war der japanische Altmeister Nagisa Ōshima (1932-2013) bei einem seiner letzten großen Filmprojekte in der Tat nicht, aber auf den nächsten Verwandten der menschlichen Spezies: den Schimpansen. Besser gesagt auf den titelgebenden Max, mit dem keine Geringere als Charlotte Rampling bald heftig in amour, amour turtelt: zuerst auf dem berühmten Filmplakat – und bald auch auf der Leinwand. Das Ganze in Max Mon Amour, halbnackt, mit ihrem haarigen Freund im Arm und natürlich einem sehr verführerischen Rampling-Katzenaugenblick… Oh la la.
Nichts weniger als den nächsten, erneut monströsen Eklat nach Im Reich der Sinne (1976) witterten 1986 viele Festivalgäste bereits vorab, ehe Ōshimas damals neuestes Film-Skandalon die Leinwand das erste Mal erblickte. Immerhin auf den Filmfestspielen von Cannes, dazu noch im Wettbewerb. Mit einem Schimpansen als Liebhaber. Geht denn das? Oh mon dieu! So frech-frivol ging es dann am Ende doch nicht zu, was jedoch eine Neubewertung aus heutiger Sicht umso reizvoller macht. Denn warum sollte man sich Ramplings besonderes Faible für einen Primaten als Lover nach all den Jahren überhaupt noch einmal ansehen?

Zum einen alleine schon wegen des jederzeit spürbaren, durch und durch (prä-)postmodernen Zeitgeistes in puncto Interieur-Mix und Design (z.B. Land Rover und Handtaschen), der in den späten 1980er Jahren durch ein auffallend kühles Paris wehte: Charlotte Rampling wirkt selbst beinahe gefangen in ihren gleichzeitig ebenso strengen wie eleganten Roben, die an die Mode des frühen, noch weniger exaltierten Thierry Mugler erinnern: Ohne viele Muster, aber mit durchaus bizarren Zuschnitten und exquisiten Faltenwürfen schwebt die englische Schauspiellegende durch diese edle, postfeudale Diplomatenwohnung irgendwo im besten Arrondissement der französischen Hauptstadt. Auffällig blass geschminkt und mit toupierter Haarpracht genießt sie es sichtlich vor der Kamera des großen Raoul Coutard zu posieren: Vor dem Auge jenes Mannes also, der zum Beispiel durch seine Zusammenarbeit mit Jean-Luc Godard (u.a. in Vorname Carmen) nicht unwesentlich den Look des Jahrzehnts mitkreierte.

Zum anderen konnte Nagisa Ōshima für Max Mon Amour neben Rampling in der Titelrolle auch sonst einen famosen Cast zusammentrommeln, inklusive gleich mehrerer europäischer Großdarsteller: Da wären zum Beispiel der famose Greenaway-Actor Anthony Higgins (Der Kontrakt des Zeichners) als zynischer Ehemann Peter neben der galanten Almodovar-Muse Victoria Abril (Das Gesetz der Begierde), die wiederum Charlotte Rampling den Mann ausspannen will: Denn seine Geliebte ist sie schon. Dazu noch die wunderbare Truffaut-Actrice Sabine Haudepin (Die letzte Métro), ergänzt durch das französische Multitalent Pierre Étaix (in der Rolle des Detektivs), der als Clown, Schauspieler, Drehbuchautor, Grafiker und Gag-Schreiber seit den Tagen von Tati und Bresson durch die Kinogeschichte der Grand Nation wandert – und schon jetzt bedeutende Spuren hinterlassen hat.

Zum dritten hat das wilde Drehbuch aus der Feder Jean-Claude Carrières, der schon damals bereits mit fast allen Größen des Kunstkinos – von Saura oder Ferreri, über Schlöndorff und Wajda bis hin zu Forman und Malle – zusammengearbeitet hatte, bis heute erstaunlich wenig von seiner soziokulturellen Sprengkraft verloren: Im besten Sinne skurril, mitunter auch ganz schön hinterfotzig ist nämlich die Dialogführung in Ōshimas einstigem Skandalfilm um eine piekfeine Diplomatengattin (Charlotte Rampling als Margaret), die das Animalische in sich – wie wörtlich an sich in Form einen zotteligen Compagnons – entdeckt und daraufhin eine Liebesbeziehung mit einem Affen (!) eingeht. Was auf der anderen Seite durchaus auch als eine späte, großzügige Hommage an Luis Buñuel durchgehen kann, mit dem Carrière selbst bereits bei Tagebuch einer Kammerzofe (1964) oder dem zeitlosen Meisterwerk Der diskrete Charme der Bourgeoisie (1972) zusammengearbeitet hatte. Solch flotte Salonstücke, die nie in purer Konversation erstarren, werden heute leider nur noch selten für die Leinwand geschrieben: Boulevard? Ja, aber auf hohem Niveau. Blödeleien und Zoten? Aber gerne doch, wenn sie – wie hier – für Kurzweiligkeit beim Sehen und permanenten Drive innerhalb der Filmhandlung sorgen.

Die jetzt erschienene Neuedition (bei Arthaus / Studiocanal) ist dagegen leider recht zahm ausgefallen: in guter Bildqualität zwar, aber ohne jegliches Zusatzmaterial zu Ōshimas vorletztem Kinofilm, hätte man dem Affen, pardon Zuschauer, gerne noch mehr Zucker geben dürfen.

Max Mon Amour

„Auf den Hund gekommen“ (Tocotronic) war der japanische Altmeister Nagisa Ōshima (1932-2013) bei einem seiner letzten großen Filmprojekte in der Tat nicht, aber auf den nächsten Verwandten der menschlichen Spezies: den Schimpansen. Besser gesagt auf den titelgebenden Max, mit dem keine Geringere als Charlotte Rampling bald heftig in amour, amour turtelt: zuerst auf dem berühmten Filmplakat – und bald auch auf der Leinwand.
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