Bavaria Vista Club

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Über den Tellerrand einer Fangemeinde hinaus

Mit dem Vorurteil, dass die angestammte Musik aus dem Freistaat Bayern aus einem Vakuum von puristisch lokaler, traditioneller Volksmusik, Jodeln und Schuhplattler-Klängen besteht, räumt die Dokumentation Bavaria Vista Club so gehörig wie anschaulich und vor allem deutlich hörbar auf. Regisseur Walter Steffen, der nach München in Indien (2011) und Trüffeljagd im Fünfseenland (2013) weiterhin auch seinen neusten dokumentarischen Streich selbst produziert hat, hat sich in Oberbayern auf die Spurensuche nach dort ansässigen Musikern begeben, die nun mit ihren Sounds, Lebensgeschichten und Philosophien die deutschen Kinoleinwände erklimmen werden. Mit kräftigem Selbstvertrauen lehnt sich der Titel an den dokumentarischen Film Buena Vista Social Club von Wim Wenders und das gleichnamige Musikprojekt an, und in dieser gewagt erscheinenden Analogie offenbart sich bereits der humorig-kühne Anspruch des Filmemachers, der sich am Ende jedoch als durchaus erfüllt herausstellt.
Bevor das Fest im Rahmen der Dreharbeiten beginnt und die Musiker vom Bavaria Vista Jodler Max Hadersbeck auf der kleinen Bühne ihrer stimmungsvollen Zusammenkunft begrüßt und später auch vorgestellt werden, spricht der Volkskundler Andreas Koll, der die Dokumentation fachkundig begleitet und auch selbst Stimme und Instrument ertönen lässt, von der Tradition der Sommerfeste in der Natur Ende des 19. Jahrhunderts als Ursprung der volksnahen musikalischen Aufführungen in der Region. Der Besuch bei Familie Himpsl, die als Unterbiberger Hofmusik auch schon mit Gastmusikern wie Bekir Çetinkaya, Wolfgang Lackerschmid und Mathias Engl gespielt hat, zeugt von den Dimensionen der regelrecht alltäglichen Notwendigkeit und der immensen Bedeutung von Musik im Strudel des Daseins, die sich bei allen Protagonisten, die hier noch zu Wort und Stimme kommen werden, wie ein roter Faden durch die Lebenslinien ziehen.

Auch mit von der Partie bei dem charmanten Rendezvous bayerischer Klangwelten sind die drei gesangsfreudigen Geigerinnen und der Mann am Kontrabass von Zwirbeldirn, die vor Kraft und Energie strotzenden Folkrocker von IRXN, der Bluespoet Schorsch Hampel, der den therapeutischen Aspekt von Musik erwähnt, und die Williams Wetsox als Propheten des „boarischen“ Blues. Während Barbara Lexa ihre Instrumentenvielfalt und Mundartkunst bis hin zum Jodelmantra ausdehnt, finden sich bei Zwoastoa mit Ska, Reggae, Elektro und Balkan ebenfalls reichlich kosmopolitische Einflüsse, und das allein optisch bereits alle Klischees perturbierende Duo Wally & Wolfi mit Wolfgang Ramadan und Wally Warning betont noch einmal kräftig die humoristisch-unterhaltsame Komponente dieser Volksmusik, in der es von cross-kulturellen, sanften bis zynischen Elementen nur so wimmelt.

Nicht selten berichten die Musiker von dem Phänomen, erst über den Umweg über die Begegnung mit weit von Bayern entfernten Orten und anderen Kulturen zur Leidenschaft für die typischen heimischen Grooves gelangt zu sein, deren Re-Integration in die musikalische Entwicklung sich so lebhaft wie facettenreich gestaltet. Häufig findet das Akkordeon Einsatz als freischwingender Repräsentant der einschlägigen Ausrichtung, doch auch hier zeigt sich das varianten- und kombinationsreiche Repertoire einer gemeinhin gern unterschätzten Stilrichtung in erstaunlich dynamischer Form. Dass die inspirierte Mischung es macht und diese oberbayerische Musik bestens dazu geeignet ist, Grenzen abzubauen und Verständnis anzuberaumen, ist eine froh zelebrierte Botschaft dieser akustisch wie visuell gleichermaßen deftig ansprechenden Dokumentation. Dass das Kino sicherlich nicht der optimale Ort ist, um sich dieses köstliche Spektakel der Sanges- und Spielfreuden zu Gemüte zu führen, liegt allein an der meist recht knapp bemessenen Konstruktion der üblichen Sitzreihen, die kaum ausreichend Bewegungsfreiheit für diese stimulierende Attacke auf den Tanznerv bieten können.

Jenseits der achtsam inszenierten, sehr speziellen lokalen Bedeutsamkeit von Bavaria Vista Club, dessen Arbeitstitel durch den Zusatz „Vol. 1“ auf eine Fortsetzung hoffen lässt und dessen Live-Mitschnitte im Juni dieses Jahres im Zuge eines Open Air Festivals auf der Kreutalm bei Großweil gedreht wurden, birgt und belegt die Dokumentation in ihrer gleichermaßen empathischen wie berührenden Machart auch die universelle These, dass wohl jedwede Musikrichtung, die auf entsprechend ressourcenorientierte, charmante Weise präsentiert und einem nicht zwingend zuvor gut informierten Publikum nahe gebracht wird, in ihrer ureigenen Form Interesse wecken oder gar überzeugen bis begeistern kann, über den Tellerrand einer eingeschworenen Fangemeinde hinaus.

Bavaria Vista Club

Mit dem Vorurteil, dass die angestammte Musik aus dem Freistaat Bayern aus einem Vakuum von puristisch lokaler, traditioneller Volksmusik, Jodeln und Schuhplattler-Klängen besteht, räumt die Dokumentation „Bavaria Vista Club“ so gehörig wie anschaulich und vor allem deutlich hörbar auf.
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Meinungen

Johann Schmidt · 26.01.2015

Schön nah und ungeschminkt dran an echten Menschen die eigene Ideen verfolgen, umsetzen und anscheinend auch Leben. Der ganze Film hat einen Rießenspass gemacht!

Rudi Vietz · 26.01.2015

Als jemand der bei den Vorbereitungen und bei den Dreharbeiten dabei war, bin ich besonders stolz auf dieses Werk und außerordentlich glücklich, dass der Film so gut geworden ist und wie sehr er der ganzen Welt gefällt!

Kurt Fiedler · 23.01.2015

Was für ein schöner unterhaltsamer, humorvoller und berührender Film! Ich saß im Kino und wollte am liebsten jedem Musiker und jeder Band immer wieder Beifall klatschen oder tanzen. Und dann diese wirklich außergewöhnliche Mischung... Wo bekommt man schon mal so eine große Vielfalt geboten und wann kommt man den Musikern schon mal so nahe?!! Vielen Dank allen Musikern und den Machern den Machern dieses Films!

Eva Patzke · 22.01.2015

Endlich mal ein ganz Blick in auf und hinter die bayerische Musikszene. Sehr berührende Ein- und Ausblicke! Das Groove und geht ins Herz. Freudentränen nicht nur bei mir - vielen ging es so und viele waren bereits zum wiederholten male im Bavaria Vista Club.

Sandra Gorcica · 22.01.2015

An alle Beteiligten des Films: ein gaanz herzliches Dankschön für diesen bärigen Film. Wir waren im Thalia in Augsburg. Der Film hat uns sehr berührt und wurde mit viel Herzblut gemacht. Wir sind sehr dankbar, dass wir diese tollen Bands kennen lernen durften, die nicht nur Ihre unglaubliche Musik rüberbringen, sondern auch ihre Geisteshaltung und ihren Blick auf die Wurzeln. Und das in der genialen bayerischen Heimatsprache! Fantastisch!!!!

Mike Michels · 22.01.2015

Für mich ein sehr gelungener Film. Ich liebe diese extrem nahen Aufnahmen, wenn man sieht wie die Musiker in sich gekehrt in der Musik leben, einfach nur schön. Mir kam es während des Films des öfteren so vor, als wäre ich mit am Set, direkt bei den Dreharbeiten gewesen. Die Muiker und Bands wurden alle gefühlvoll und extrem stark in Szene gesetzt. Wer Musik liebt und eine Affinität zur bayerischen Sprache hat, sollte diesen Film nicht verpassen. Sehr sympatisch, sehr liebevoll, extrem unterhaltsam & kurzweilig.

Frau Post · 21.01.2015

Wir waren zu 12 im Kino und fanden den Filmalle gut gemacht und sehr schön, tol geschnitten mit Rythmus! Wir haben uns inzwischen auch drei der Bands, Musiker "live"! anghört und es lohnt sich. Für das positive Lebensgefühl das hier in die Welt getragen wird muss man halt auch offen sein.....

Hans Kotzur · 28.12.2014

Der Film wird maßlos überbewertet.
Man sieht etliche Musikanten, die gute Musik machen aber mit schwindligen Nahaufnahmen zu Hause am WG-Tisch regelrecht ausgebeint werden. Was interessiert mich der eben ausgedrückte Pickel im Gesicht einer Musikerin? Muß ich wirklich wissen, wie sich der Guitarrist gegen den Vater, der ein alter 'Nazi' war, durchgesetzt hat?

Man sieht auf den ersten Blick: Hier wollte es einer anders machen und blieb doch in dem Ducktus hängen, mit dem der Bayrische Rundfunk Abteilung Volksmusik 'junge', neue Gesicher mit den immer gleichen Standardfragen nach:'und wie habts' ihr euch kennengelernt?' etc in Szene schiebt und verbal vergewaltigt.

Regie und Kamera - setzten sechs. Thema verfehlt und beim Titel super weit zu hoch gegriffen. Wie kann man nur so große Sprüche machen?

wolfgang ramadan · 19.12.2014

Mia machas weils uns gfreit -
Wenn mia wos macha…
Dann mach mas gscheit!