Alaaf You

Eine Filmkritik von Anna Wollner

Die längste Polonaise der Welt

Nur ein paar Wochen nach #koelnhbf fühlt sich Alaaf You an wie ein Schlag ins Gesicht. In diesem Film steht ein leicht angetrunkener deutscher Mann in einem Hasenkostüm und lallt, dass im Karneval keine Regeln gelten. Da darf auch mal fremdgeknutscht und gegrapscht werden. Alles unter dem Deckmantel des Alkohols. Und der Feierei. Karneval, das ist nur was für Rheinländer oder für Imis, Leute, die nach Köln kamen und blieben. Alaaf You – Eine Stadt dreht durch zeigt dann auch den Ausnahmezustand in Köln bei Karneval. Der Dokumentarfilm von Eric Benz und Baris Aldag ist ein user-generated Film. Die Bilder sind von den Jecken selbst, ein filmisches Kaleidoskop durch die fünfte Jahreszeit.

Schon der Beginn ist ein flammendes Plädoyer eigentlich gegen den Karneval. Die Zülpicher Straße in Köln, eine Hauptschlagader der Stadt, gleicht einem Schlachtfeld. Tanzende kostümierte und überwiegend besoffene Menschen stolpern über kaputte Flaschen, leere Dosen, liegengebliebene Kamelle, dazwischen bahnen sich Rettungswagen ihren Weg. Klaviermusik und ein dumpfer, abgeschwächter Originalton untermalen diese minutenlange Plansequenz. Es ist der Kater danach, ein Gefühl, das jeder Jecke kennt – und das jeden Nicht-Rheinländer stutzig werden lässt. Das Gefühl danach, wobei es doch eigentlich gerade erst losgeht.

Alaaf You ist eine 90-minütige Momentaufnahme. Benz und Aldag riefen schon 2013 dazu auf, Videos ins Netz hochzuladen. Entweder direkt auf die Seite von alaaf-you.com oder über eine eigens entwickelte iPhone-App. Das Vorbild ist der YouTube-Film Life in A Day. Nur, dass es hier eben kein Tag war, sondern eine ganze Jahreszeit. Die fünfte. Von Weiberfastnacht bis hin zur traditionellen Nubbelverbrennung. Aus 500 Stunden Videomaterial zusammengeschnitten. Der Film bedient sich dabei einer anarchischen Filmsprache. Er ist ein wüstes Puzzle aus Versatzstücken, so chaotisch wie der Karneval selbst.

Junge Erwachsene, die sich verkleiden, Kinder, die ihre Eltern schminken, Senioren im Heim, Kranke im Krankenhaus, eine 99-Jährige, die den Rosenmontagsumzug im Fernsehen guckt. Der Sänger Clueso, der sich verkleidet mit Gitarre und GoPro Weiberfastnacht in die Fußgängerzone setzt oder mit BAP-Frontman Wolfgang Niedecken über Karneval philosophiert. Es gibt den Blick hinter die Kulissen, die Anstrengung der vielen Auftritte von Bands wie den Höhnern und Tanzgruppen, erschöpfte Funkemariechen im Bus und beim Auftritt. Musikalisch ein Medley der wichtigsten Karnevalhits. Der Film lebt von und für diese Momente, für den Augenblick, wenn eine ganze Straßenbahn „Dicke Mädchen“ anstimmt oder auch die Erkenntnis einer Zugereisten: Karneval sei die Legitimation um elf mit dem Trinken anzufangen und um 17 Uhr schon sternhagelvoll zu sein. Treffend formuliert.

Karneval an sich hat aber auch etwas mit Nachhausekommen zu tun. Mit zuhause zu sein. „In unserem Veedel“, eine der vielen Hymnen der Feierei, ist dabei wohl das beste Beispiel. Dieses Gefühl des Nachhausekommens vermittelt auch der Film. Aldag und Benz gelingt eine emotionale Verbeugung vor dem rheinischen Brauch. Mit kritischen Zwischentönen verpackt in ein Stimmungsbild. Am Ende stellt sich das Gefühl ein, die Session 2016 schon hinter sich zu haben. Eben nur im Schnelldurchlauf. Passt aber, denn wie heißt es so schön: Am Aschermittwoch ist alles vorbei.
 

Alaaf You

Nur ein paar Wochen nach #koelnhbf fühlt sich „Alaaf You“ an wie ein Schlag ins Gesicht. In diesem Film steht ein leicht angetrunkener deutscher Mann in einem Hasenkostüm und lallt, dass im Karneval keine Regeln gelten. Da darf auch mal fremdgeknutscht und gegrapscht werden. Alles unter dem Deckmantel des Alkohols.

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