Falten

Eine Filmkritik von Falk Straub

Rastlose Rentner

In Drei Brüder à la carte hat Dokumentarfilmerin Silvia Häselbarth vorgeführt, wie die Integration von behinderten Menschen in die Arbeitswelt funktionieren kann. In Falten widmet sie sich einem weiteren Thema, das sie umtreibt: dem Altern.
Silvia Häselbarth ist Jahrgang 1966. Als ihr die Idee zu ihrem neuen Dokumentarfilm kam, stand sie kurz vor ihrem 50. Geburtstag und das Altsein und Altwerden beschäftigte sie. Dass ihre Eltern langsam auf die 80 zugehen, hatte sie erschreckt. Sie hatte deren wahres Alter schlicht nicht wahrgenommen. Vielleicht, weil sie sich selbst viel jünger fühlt, als sie ist. „Ich jedenfalls sehe meine alternden Eltern heute so, wie sie früher waren: jung, frech, aufbrechend, wild und auch zukunftsgerichtet“, erklärt die Regisseurin in einem Statement zu ihrem Film. „Aber für Außenstehende sind sie einfach nur ein Rentnerpaar, das in die Jahre gekommen ist.“ Eine Beschreibung, die auch auf die fünf Luzerner Protagonisten zutreffen könnte, die die Regisseurin porträtiert.

Der Malermeister Fredy Frey arbeitet auch mit 79 Jahren noch. Zum einen, weil er als Selbstständiger mit geringer Rente auf das Geld angewiesen ist, um seinen hohen Lebensstandard zu halten, wie er sagt. Zum anderen, weil er einfach nicht anders kann. Wie die übrigen Menschen, die Silvia Häselbarth in Falten vorstellt, ist auch Frey einer, der immer in Bewegung bleiben muss, dabei aber erstaunlich stark in sich selbst ruht. Gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau, der Lehrerin Ruth, hat er in einem Minibus die Welt bereist. 47 Nationen haben sie schon gesehen. Demnächst geht es in die 48., die Dominikanische Republik. Und während Ruth dort lieber beim Lesen entspannt, drängt es Fredy raus in die Natur auf die Suche nach Käfern und Fröschen. Ist er einmal nicht auf Reisen oder bei der Arbeit, werkelt er an seinem bescheidenen Heim. Als Nächstes steht der Bau eines Geräteschuppens auf dem Programm.

Auch die Fotografin Monica von Rosen (73), der Trödler und Drucker Urs Wydler (73) und die Bewegungspädagogin Rita Maeder-Kempf (82) stehen nicht still. Die verdiente Rente gönnt sich keiner. Rita arbeitet im Garten, spielt mit ihrem Enkelkind oder am Theater, Urs geht trotz einer vor zwei Jahren erlittenen Hirnblutung regelmäßig in sein Atelier und auf den Flohmarkt. Den Führerschein und seinen alten Citroën 2CV hat er mit Bedauern freiwillig abgegeben. Dafür fährt er jetzt mit dem Fahrrad. Und Monica, die fleißig ihre eigenen Ausstellungen organisiert, hat sich entschieden, ihr Haus mit Garten zu verkaufen und von der Schweiz mitten nach Berlin-Kreuzberg zu ziehen. Die Idee, selbst im hohen Alter einen Neustart zu wagen, hat sie aus Hal Ashbys Harold und Maude. Hier ähneln sich die Lebenswege. Denn auch Silvia Häselbarth, die seit 24 Jahren als Fahrlehrerin arbeitet, kam erst spät zum Film.

Mit Falten ist der Schweizer Regisseurin ein wunderbar unaufgeregter Dialog über das Alter und das Altern geglückt. Bei allen Gemeinsamkeiten sind ihre fünf Protagonisten und deren Lebenswege unterschiedlich und spannend genug, um das Interesse des Publikums zu wecken. Kameramann Peter Appius setzt sie dezent, aber sehenswert in Szene. Komponist Alexander T. Faehndrich fängt ihre Stimmungen mit einem einfachen, von Gitarre, Bässen und Percussion vorgetragenen Motiv ein. Die Regisseurin wiederum fragt wiederholt aus dem Off nach, rückt den Fünfen sehr behutsam, aber nachdrücklich auf die Pelle. Dann schneidet sie auch unangenehme Themen an, will wissen, was sie in ihrem Leben bereuen, ob sie noch Träume haben, wann, wie und wo sie sterben möchten. Doch selbst damit bringt Silvia Häselbarth die Befragten nicht aus der Ruhe. Sie antworten ruhig, reflektiert und sind mit sich und ihrem Leben im Reinen.

Falten

In „Drei Brüder à la carte“ hat Dokumentarfilmerin Silvia Häselbarth vorgeführt, wie die Integration von behinderten Menschen in die Arbeitswelt funktionieren kann. In „Falten“ widmet sie sich einem weiteren Thema, das sie umtreibt: dem Altern.
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