Die Taschendiebin

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Der zwiespältig schöne Schein

Korea in den 1930er Jahren. In dem von Japanern besetzten Land kommt die junge Diebin Sookee (Kim Tae-ri) an einen großartigen Job. Sie soll die Dienerin für die japanische Adelige Hideko (Kim Min-hee) werden, die mit ihrem Onkel und Verlobten auf einem riesigen Anwesen lebt. Den Job hat ihr ein anderer Dieb besorgt: Der Count (Ha Jung-woo), wie er sich nennt, will mit Sookees Hilfe Hideko dazu bekommen, sich in ihn zu verlieben. Danach, so der Plan, brennt er mit Hideko und ihrem Vermögen nach Japan durch, heiratet sie, um die Millionen abzustauben, und verfrachtet sie in ein Irrenhaus. Für ihre Hilfe bekommt Sookee einen ordentlichen Anteil. Doch schon bald stellt sich heraus, dass nichts so ist, wie es scheint.

The Handmaiden ist Park Chan-wooks erster Kostümfilm und damit auf den ersten Blick nicht so ganz sein übliches Gefilde. Doch schnell sieht man, dass er das historische Setting nutzt, um einen ästhetischen und erzählerischen Rahmen für seinen Thriller zu schaffen, denn unter der glänzenden Oberfläche liegen viel menschlicher Abschaum sowie Leidenschaften, Verlangen und sexuelle Perversionen verborgen. Denn die feine japanische Dame ist gefangen in einem Haushalt mit ihrem perversen Onkel, der sie dazu zwingt, ihm und anderen Männern erotische Literatur vorzulesen. Wobei erotisch hier ein zu freundliches Wort ist. Vielmehr handelt es sich um gewalttätige Fantasien über die Unterwerfung von Frauen. Dementsprechend behandelt der Onkel auch Hideko. Als Frau hat sie sich unterzuordnen und zu tun, was er will. Bald will er sie heiraten, damit er ihr Geld und ihren Körper bekommt – gern auch gegen ihren Willen. Doch der Onkel bekommt nichts mit von den Intrigen, die hinter seinem Rücken laufen. Sookee kümmert sich als Dienerin rührend um Hideko, um ihr Vertrauen zu gewinnen – und dann geschieht etwas, womit keiner gerechnet hat. Die beiden Frauen sind voneinander angezogen und nach einigen leidenschaftlich aufgeladenen Momenten explodiert die Passion zwischen ihnen in einer Nacht voller lesbischer Liebe.

Die Filme von Park Chan-wook (Stoker, Old Boy) haben meist einen doppelten, manchmal gar dreifachen Boden. Daher argwöhnt man schnell, dass das erste Kapitel von The Handmaiden viel zu schnell und geradlinig erzählt wird. Und in der Tat gibt es im Film mehrere Kapitel, durch die „die Wahrheit“ wieder und wieder auf clevere Art und Weise hin und her drehen und dadurch die Spannung zu halten und zu überraschen vermögen. Im Mittelpunkt bleiben aber die beiden Frauen, die sich zueinander hingezogen fühlen und die sich in dieser Welt voller Männer, die sie benutzen und behandeln, als wären sie nichts weiter als Fleisch, irgendwie behaupten und beschützen müssen.

Und genau hier wird es schwierig. Eindeutig legt er die Sympathien aller Figuren in den Schoß dieser Frauen. Die Männer werden relativ eindimensional und als stets nur auf ihren Spaß und Vorteil bedacht dargestellt. Die Frauen jedoch entwickeln sich weiter, sind vielschichtig, geheimnisvoll, aber auch angreifbar, emotional und verletzlich. Erzählt wird die Geschichte ebenfalls hauptsächlich aus ihrer Perspektive. Fast könnte man meinen, dass es sich bei The Handmaiden um einen Film handelt, der die Themen Misogynie und Missbrauch mit verhandelt. Doch die Szenen, in denen die beiden Frauen miteinander Sex haben, sind eindeutige, lang ausgewälzte, für Männer inszenierte Masturbationsfantasien. Sie sind hier ein Extra, ein geiler Schauwert, der gut aussieht, aber in dieser Art nicht nötig gewesen wäre, um die Geschichte voranzutreiben. Da hat sich Park Chan-wook halt etwas gegönnt. Und so führt er seine Schauspielerinnen vor und inszeniert sie geradezu pornomäßig vor der Kamera – in einem Film, der den Missbrauch von Frauen eigentlich anprangert. Das ist eine elende Bigotterie, die dem Film einen bitteren Nachgeschmack gibt, der ihn letztendlich viel von seiner Glaubwürdigkeit und auch seiner Schönheit raubt.
 

Die Taschendiebin

Korea in den 1930er Jahren. In dem von Japanern besetzten Land kommt die junge Diebin Sookee (Kim Tae-ri) an einen großartigen Job. Sie soll die Dienerin für die japanische Adelige Hideko (Kim Min-hee) werden, die mit ihrem Onkel und Verlobten auf einem riesigen Anwesen lebt.

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Meinungen

Martin Zopick · 31.05.2022

Ein optisch wunderschöner Lesben - Hetero Porno, den Regisseur Park Chan-wook aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt. Drei Figuren kämpfen gegen und miteinander um Reichtum und Liebe.
Ausgangspunkt ist der Hochstapler Graf Fujiwara (Ha Jung-woo). Der schleust seine Komplizin, das Dienstmädchen Sook hee (Kim Tae-ri) bei der reichen Erbin Hideko (Kim Min-hee) ein. Der Plan ist, dass der Graf Hideko heiraten und sie dann in eine Anstalt einweisen lassen will, um an ihr Erbe zu gelangen.
Erste überraschende Wende: die beiden Frauen werden über den Tisch gezogen: Sook hee wird eingewiesen und Hideko zieht mit dem Grafen davon.
Zweite Variante: die beiden Frauen verlieben sich, was in ausgiebigen Szenen dokumentiert wird. Onkel Kouzuki will ebenfalls Hideko heiraten. Der Graf schlägt ihr vor, bei Teilung des Vermögens sie vor der Heirat zu bewahren.
Letzten Endes revanchieren sich die beiden verliebten Lesben und die Männer haben das Nachsehen. Zuvor wurde gefoltert und mit Rauch vergiftet.
Die abwechslungsreichen Varianten machen den Plot durchaus unterhaltsam. Die Hinweise auf Charles Dickens haben die Rezensenten immer wieder von einander abgeschrieben, was sie aber keineswegs der Wahrheit näherbrachte. Der Plot hat mit den Romanen des guten alten Charly so viel zu tun wie Ping Pong mit Synchronschwimmen. Da bekommt der internationale Titel The Handmaiden glatt einen doppeldeutigen Sinn.

wignanek-hp · 21.08.2017

Ich muss der Kritikerin Recht geben. Auch bei mir hat der Film gerade wegen der expliziten Sexszenen einen fahlen Beigeschmack hinterlassen. und ob die Brutalität am Ende notwendig ist, ist ebenfalls zweifelhaft für mich. Schade eigentlich, denn die Geschichte macht eigentlich Spaß.