Die Nile Hilton Affäre (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Im Kampf um die Wahrheit

Ein hartgesottener, vom Leben desillusionierter Polizist, ein korrupter Chef, eine brutal ermordete Schönheit, ein reicher Verdächtiger und ein erpressender Zuhälter. Es sind die klassischen Figuren des Kriminalfilms, die Tarik Saleh in „Die Nile Hilton Affäre“ inszeniert. Es gibt sogar eine unschuldige Zeugin – Salwa (Mari Malek), ein Zimmermädchen aus dem Sudan –, die Schutz braucht. Und eine wunderschöne Freundin der Toten, die den Polizisten in Gefahr bringt. Deshalb birgt die Handlung auch wenig Überraschungen, aber es gelingt Tarik Saleh, diese Genremuster effektiv und atmosphärisch dicht ins Ägypten des Jahres 2011 zu transponieren.

Noredin (Fares Fares) ist Polizist in Kairo. Er erpresst Kleinkriminelle, lässt sich von Straßenhändlern, Hausbesitzern und Gaunern bestechen. Die Unruhen, die dort in Ägypten im Jahr 2011 im Hintergrund schwelen, irritieren ihn allenfalls, aber eigentlich sorgt ihn fast gar nichts mehr, seit seine Frau gestorben ist und er sich mit Tabletten und Alkohol durchs Leben rettet. Dann wird er ins luxuriöse Nile Hilton Hotel gerufen, eine Sängerin wurde dort tot aufgefunden. Ihr wurde der Hals aufgeschlitzt und ins Gesicht geschlagen, alles deutet also auf ein Verbrechen aus Leidenschaft hin. Aber sie war dort mit dem reichen Immobilienhändler und Politiker Hatem Shafiq (Ahmed Selim) verabredet, mit dem sie eine Affäre hatte. Deshalb ist der Fall brisant, schließlich müsste er als Hauptverdächtiger gelten, ist aber auch mit Präsident Mubarak befreundet. Also steckt Noredin nicht nur das Geld ein, das er in ihrer Handtasche findet, sondern fügt sich auch, als die Akte geschlossen und unter Selbstmord abgeheftet werden soll. Doch etwas lässt ihn nicht los an dem Tod dieser schönen Frau. Also forscht er doch nach, bringt Fotos in seinen Besitz, die sie im intimen Beisammensein mit dem Politiker zeigen. Anfangs wird er zurückgepfiffen, gerade von seinem Chef und Onkel Kammal (Yasser Ali Maher), aber dann wendet sich das Blatt und der verdächtige Politiker will, dass Noredin den Fall aufklärt.

Ganz in den Traditionen des Film noir, des Paranoia-Politthrillers und französischen Thrillers der 1960er und 1970er Jahre entfaltet Tarik Saleh in seinem Film ein Panorama gegenseitiger Abhängigkeiten in einem korrupten System. Jeder hält hier die Hand auf und alle halten den Mund; Misshandlungen und Bestechungen sind an der Tagesordnung. Mit Noredin hat er eine Hauptfigur, die anfangs Teil dieses Systems ist, ein Rädchen, das alles am Laufen hält, aber zunehmend angewidert wird von dieser Gesellschaft und diesem Land. Während also die Unruhen immer größer werden und sich auf dem Tahrir-Platz etwas zusammenbraut, nimmt auch Noredin den Kampf um die Wahrheit auf.

Der ruhig erzählte und beim Sundance Film Festival 2017 mit dem Grand Jury Prize (World Cinema – Dramatic) ausgezeichnete Politthriker ist dank der Kamera von Pierre Aïm und dem Schnitt von Theis Schmidt atmosphärisch dicht erzählt und versteht es, die verschiedenen gesellschaftlichen Schichten in Ägypten zu offenbaren. Verbindendes Element ist dabei Noredin, der sowohl die beengten Unterkünfte der illegalen Einwanderer wie auch die weiten Golfparcours der Reichen aufsucht. Hier vermitteln sich offen die Missstände dieses Landes und seiner Führungseliten, aber weiterhin ist es kaum möglich, dass Filme aus dem Land sie so offen zeigen. Deshalb ist das Ende dieses Films auch kein allzu glückliches, obwohl die letzten Bilder die beginnenden Proteste auf dem Tahrir-Platz zeigen. Wir wissen alle, wohin sie geführt haben und wohin nicht. Und so durfte auch dieser Film nicht in Ägypten gedreht werden, sondern musste nach Casablanca verschoben werden.
 

Die Nile Hilton Affäre (2017)

Ein hartgesottener, vom Leben desillusionierter Polizist, ein korrupter Chef, eine brutal ermordete Schönheit, ein reicher Verdächtiger und ein erpressender Zuhälter. Es sind die klassischen Figuren des Kriminalfilms, die Tarik Saleh in „Die Nile Hilton Affäre“ inszeniert. Es gibt sogar eine unschuldige Zeugin – Salwa (Mari Malek), ein Zimmermädchen aus dem Sudan –, die Schutz braucht.

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Meinungen

Heidewig Feuerherdt · 16.10.2017

Tarik Saleh zeigt in beeindruckender Schärfe die Diskrepanz zwischen dem Lebensstil einer parasitären Oberschicht und dem hoffnungslosen Elend der ägyptischen Bevölkerung. Die in Ägypten besonders verhasste Polizei hält den Eliten das Volk vom Hals - kein Wunder, dass Polizeistationen immer wieder zum Ziel von Anschlägen werden. Auch in den Revolutionstagen von 2011 spielte die Polizei eine unrühmliche Rolle, bis sie durch die Armee ersetzt wurde.