Die Liebe seines Lebens

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Zug des Lebens

Eric Lomax (Colin Firth) ist ein Eisenbahn-Enthusiast, er kennt Linienpläne und Fahrzeiten, findet bei Verspätungen eigene Alternativen und ist ständig mit seinem Fahrplan beschäftigt. Er ist The Railway Man wie der Originaltitel von Jonathan Teplitzkys Film Die Liebe seines Lebens lautet. Von seinen alten Kameraden wird Eric deshalb manchmal belächelt, aber sie wissen auch um seine traumatische Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg. Außerdem hat ihm seine Eisenbahnleidenschaft auch die Begegnung mit Patti (Nicole Kidman) beschert. Sie sind sich in einem Zug begegnet und kurz nachdem Eric ausgestiegen war, bemerkte er, dass er sich verliebt hatte. Also nutzte er kurzerhand sein Wissen um die Züge, um an Pattis Reiseziel auf sie zu warten. Damit hat ihre große Liebe begonnen, die dank der altmodischen Bilder mit leicht angestaubtem Charme erzählt wird. Im Gespräch erwähnen Eric und Patti sogar den Film Brief Encounter (Regie: David Lean, Großbritannien 1945), an den die Inszenierung erinnert. Vor allem aber trägt Colin Firth zur Glaubwürdigkeit bei, der hier Erics leise Bitterkeit und trockenen Humor mit sehr zurückgenommenem Flirten verbindet.
Aber trotz dieses Anfangs und des Titels ist Die Liebe seines Lebens kein Liebesfilm. Nach der Hochzeit bemerkt Patti, wie groß die Last von Erics Vergangenheit ist, jedoch spricht er nicht über seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Vielmehr gibt es unter den britischen Soldaten und Kriegsgefangenen einen Pakt des Schweigens, an den sich Eric Lomax hält. Erst sehr viel später wird er ihn auch öffentlich brechen, indem er seine Autobiografie – auf der der Film basiert – publiziert und bei Auftritten über seine Erfahrungen spricht. In dem Film wird dieser Teil von Erics Leben nicht gezeigt, er wird aber angesichts dieses Schweigens der Kameraden umso erstaunlicher.

Im Film wendet sich Patti zunächst an Erics alten Kameraden Finlay (Stellan Skarsgård), der sie anfangs drängt, sie solle Eric sein Schweigen lassen. Aber Patti ahnt, dass sie Eric verlieren wird und bringt deshalb Finlay zum Sprechen – und den Film damit zu seinem eigentlichen Thema: Eric wurde als britischer Soldat nach dem Fall von Singapur 1942 von Japanern gefangen genommen, gezwungen, am Bau der Eisenbahn von Birma nach Thailand mitzuarbeiten und später gefoltert. Diese Erfahrungen lassen ihn in einer Zeit, in der Posttraumatische Belastungsstörungen und psychiatrische Behandlung von Soldaten nicht üblich waren, an der Gegenwart verzweifeln.

Über weite Strecken gelingt es Regisseur Jonathan Teplitzky, das Gleichgewicht zwischen Anteilnahme und Rührung zu bewahren, vor allem indem er immer wieder sehr deutliche Schnitte setzt. Das Kennenlernen von Eric und Patti, ihre erste Zeit zusammen, die Ehe und die Schwierigkeiten im Alltag werden kurz umrissen, dadurch umgeht der Film die pathetische Überhöhung, die in den Dialogen oft mitschwingt. Erst als der Film in die Vergangenheit springt, um im Stil von Die Brücke vom Kwai (Regie führte dabei ebenfalls David Lean) von Erics Zeit als Kriegsgefangenem zu erzählen, stellen sich leichte Längen ein, die aber aufgrund der hierzulande weniger bekannten Episode aus dem Zweiten Weltkrieg nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.

Je mehr sich Die Liebe seines Lebens jedoch dem Ende nähert, desto größer werden die Misstöne zwischen der Liebesgeschichte, der Kriegsgeschichte und dem dritten großen Thema – die Versöhnung zwischen Folterer und Gefolterten. Es ist ein aktuelles und hochbrisantes Thema, das hier im Gewand eines altmodischen Dramas verhandelt wird und dem mit einer besseren Ausbalancierung der thematischen Komponenten mehr Aufmerksamkeit hätte geschenkt werden müssen. Zwar gelingt es Teplitzky zumindest ansatzweise, auch die Seite des Folterers erkennen zu lassen, aber hier wären mehr Zeit und Szenen notwendig gewesen. So beschränkt sich die Aussöhnung auf einige emblematische und klischeehafte Szenen, die der Größe des Vorgangs nicht gerecht werden, sondern sie im Pathos ertränken. Hier ist ein Mann, der Waterboarding erfahren hat, bevor die Welt wusste, was es ist, der über Erlebnisse gesprochen hat, über die die meisten schweigen, und der im Mitgefühl seinen Weg zur Vergebung gefunden hat, bevor Versöhnung die Umgangsweise mit Menschenrechtsverletzungen wurde. Das wäre eine interessante Geschichte gewesen, zumal Colin Firth wie bereits in A Single Man die inneren Leiden eines Mannes perfekt auf die Leinwand bringt – und es letztlich allein ihm zu verdanken ist, dass Erics Verhalten glaubwürdig ist. Indem das Drehbuch aber versucht, Pattis Liebe als Quelle der Versöhnung auszumachen, schlägt der Film einen zu einfachen und unnötigerweise verklärten Weg ein. Schade.

Die Liebe seines Lebens

Eric Lomax (Colin Firth) ist ein Eisenbahn-Enthusiast, er kennt Linienpläne und Fahrzeiten, findet bei Verspätungen eigene Alternativen und ist ständig mit seinem Fahrplan beschäftigt. Er ist „The Railway Man“ wie der Originaltitel von Jonathan Teplitzkys Film „Die Liebe seines Lebens“ lautet. Von seinen alten Kameraden wird Eric deshalb manchmal belächelt, aber sie wissen auch um seine traumatische Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg.
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