Der traumhafte Weg (2016)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Durchs Leben traumwandeln

Ganz sich und ihren Prämissen treu bleibt die deutsche Regisseurin Angela Schanelec in ihrem neusten Film Der traumhafte Weg. Diese Prämissen entstammen der „Berliner Schule“, wie die Filmkritik die Filmbewegung, die Mitte der 1990er Jahre entstand, getauft hat. Schanelec gehört zur ersten Generation von FilmemacherInnen, die einen ausgeprägten Stil in ihren Filmen vorweisen: Verlangsamung des Gesamttempos, das Zeigen alltäglicher Erfahrungen und Momente, die aber mehr angespielt, als ausformuliert werden, perfekt kadrierte Bilder mit relativ wenigen Schnitten und ProtagonistInnen, die nur wenig Emotionen oder Interaktion mit ihrer Umwelt aufweisen. Kurzum: stilisierter Realismus.

Auch Der traumhafte Weg wandelt auf diesen Pfaden. Es beginnt in Griechenland. Das Jahr: 1984. Die Sonne brennt heiß. Auf einer Stufe sitzen der Engländer Kenneth (Thorbjörn Björnsson) und die Deutsche Theres (Miriam Jakob). Zusammen singen sie The Lion Sleeps tonight, um Geld zu verdienen. Mit dem Kleingeld ruft Kenneth zuhause an und erhält eine schreckliche Botschaft. Die Mutter ist schlimm verunglückt. Der erste Schicksalsschlag des Filmes. Schanelec hält ihn fest durch eine Mütze, die vor Schreck zu Boden fällt, und zwei Füße, Kenneths Füße, die die Bodenhaftung verlieren. Er kippt um. Kenneth verlässt Theres überstürzt und kehrt heim. Die Jahre vergehen. 30 Jahre später in Berlin: Ariane (Maren Eggert), eine Schauspielerin, und ihr Mann (Phil Hayes), ein erfolgreicher Anthropologe, wohnen mit ihrer Tochter in Berlin. Die Ehe kriselt. Schließlich zieht ihr Mann aus. Vor dem Fenster seiner neuen Wohnung am Hauptbahnhof sieht er einen Penner. Es ist Kenneth.

Die Geschichte an sich ist zweitrangig in Schanelecs Film. Vielmehr geht es um einzelne Momente, die in perfekt kadrierten Bildern und stark verlangsamten Handlungen beobachtet werden. Dabei interessiert sich die Kamera vor allem für bestimmte Details und Raumkonstellationen. Wie und wo befinden sich die Körper in den geschlossenen oder offenen Räumen? Wo hält die eine Hand die andere und stellt den kurzen, aber recht seltenen Kontakt her? Es sind die Details, die ansonsten von jeglicher durch den Film selbst induzierten Emotionalität oder Interpretation gelöst wurden, die Schanelec interessieren. Und genau das macht den Film zu einem schwierigen Werk.

Klar ist die Intention, durch Geschichte, Bilder etc. keine Bestimmung vorzugeben, und so dem Zuschauer Raum zur Interpretation oder zum Erfühlen zu lassen. Dies wird denjenigen gelingen, die affin sind für diese Minimalistik und die es schaffen, sich ganz und gar dieser Art zu ergeben, sich tief hinein zu begeben in die Denkart und visuelle Umsetzung, die Schanelec interessiert. Für die, die das nicht können oder wollen, wird der Film allerdings zu einem anderen Erlebnis – eines, das einen Film mit großen Lücken und Leeren präsentiert, der gleichzeitig immer nur mit Details aufwartet, so als dürfe man das große Ganze nicht sehen. Und das ist ein schmerzhafter Prozess. Daraus entsteht große Pein, eine Abstoßwirkung, bei der man gar nicht sagen kann, wer hier wen absondert: der Film die ZuschauerInnen oder andersherum? Aber egal wie, dadurch wird das Erlebnis Der traumhafte Weg zu einer Frustration, die durch die Verweigerung der Gefühle entsteht. Auf der kinematographischen und letztlich auch auf rezeptiven Seite. Ob dies Absicht ist, kann man nicht sagen. Es geschieht allerdings, wenn man bemerkt, dass man nicht die gleiche emotionale Sprache spricht und auch mit großem Bemühen keine Brücke findet.

Und so bleibt Der traumhafte Weg – wie Schanelecs anderen Werke auch – ein Film für eine ganz spezifische Gruppe, Lesart und Kognition.
 

Der traumhafte Weg (2016)

Ganz sich und ihren Prämissen treu bleibt die deutsche Regisseurin Angela Schanelec in ihrem neusten Film „Der traumhafte Weg“. Diese Prämissen entstammen der „Berliner Schule“, wie die Filmkritik die Filmbewegung, die Mitte der 1990er Jahre entstand, getauft hat. Schanelec gehört zur ersten Generation von FilmemacherInnen, die einen ausgeprägten Stil in ihren Filmen vorweisen.

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