Below Her Mouth

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Auf der Welle lesbischer Erotik

Es ist immer wieder schön zu erleben, wie das plötzliche Glück Filmcharakteren, die sich verlieben, Flügel verleiht. Dieses Glück kann besonders intensiv sein, wenn die Personen zugleich ihre Homosexualität und damit einen Teil ihrer Identität neu entdecken. Geht es um die Beziehung zweier Frauen, handelt die Geschichte oft auch von feministischer Befreiung in einem bestimmten zeitlichen und sozialen Kontext. Der französische Film La belle saison – Eine Sommerliebe von 2015 tauchte an der Seite des lesbischen Liebespaars in die 1970er Jahre ein. Park Chan-wooks Die Taschendiebin von 2016 spielte im japanisch besetzten Korea der 1930er Jahre. Der kanadische Film Below Her Mouth der Regisseurin April Mullen aber verzichtet auf gesellschaftliche Bezüge und tut so, als befänden sich die beiden Hauptfiguren mehr oder weniger im luftleeren Raum.
Jasmine (Natalie Krill) fährt ein schickes Cabrio, arbeitet als Moderedakteurin und lebt mit ihrem Verlobten Rile (Sebastian Pigott) zusammen. Er verreist für ein paar Tage und Jasmine trifft in einem Club die junge Dachdeckerin Dallas (Erika Linder) wieder, die ihr schon auf der Baustelle vor ihrer Wohnung aufgefallen war. Dallas umwirbt Jasmine offensiv und verführt sie zu einem Kuss. Das ist der Beginn einer wunderbaren Liebe, die beide Frauen in einen Strudel des Begehrens wirft. Jasmine wehrt sich vergeblich dagegen, sie glaubt ja, Rile zu lieben und will ihn immer noch heiraten.

Die zarte, etwas schüchterne Jasmine wirkt mit ihrem langen Haar und ihrer Kleidung sehr weiblich, ist wahrscheinlich auch vom Luxus verwöhnt. Die blonde, blauäugige Dallas hingegen, von ihren schwedischen Eltern nach der gleichnamigen TV-Serie benannt, trägt nur Männerkleidung und wirkt auch in ihrer Mimik und Gestik herrlich androgyn. Wenn der Film sie bei der Arbeit auf dem Bau zeigt oder wie sie beim Fahren ihren Arm auf das offene Fenster ihres Pick-ups legt, spielt er ganz gezielt mit Klischeebildern maskuliner Attraktivität.

Das schwedische Model Erika Linder wirkt in jeder Einstellung charismatisch, während die kanadische Tänzerin Natalie Krill Mühe hat, der konformistischen Schönheit Jasmines eine individuelle Originalität zu verleihen. Aber die Besetzung mit Darstellerinnen, die nicht aus dem schauspielerischen Bereich kommen, sagt natürlich etwas über die inhaltliche Ausrichtung des Films aus. Beide Figuren sprechen knappe, oft auch romantisch-abgehobene Sätze, deren Gewissheit sich aus dem Kontext nicht erschließt. Im Grunde sind beide Frauengestalten wie Projektionsfiguren ohne eigene Tiefe inszeniert und angesichts der intendierten erotischen Wucht der Liebesszenen nimmt sich das dünne erzählerische Drumherum sowieso nur wie lästiges Beiwerk aus.

Die erotischen Szenen des Liebesspiels wecken in ihrer Ausführlichkeit Erinnerungen an Blau ist eine warme Farbe. Den weiblichen Körpern kommt hier in erster Linie die Aufgabe zu, dem Publikum zu gefallen und Lust zu bereiten. Tendenziell wirken natürlich auch manche Szenen des wunderbaren La belle saison so, denn es gehört auch dort zur filmischen Intention, die neu entdeckte Körperlichkeit der Frauen mit ihnen zu feiern. Dabei kann immer leicht die Gefahr entstehen, dass der Blick ausbeuterisch wird. Er wurde beispielsweise Die Taschendiebin zum Vorwurf gemacht. Bei Below Her Mouth besteht die Crew nur aus Frauen, worauf der Verleih extra hinweist und damit einen weiblichen Blickwinkel suggeriert. Umso mehr verwundert es, dass die beiden Hauptfiguren wie Pin-up-Girls inszeniert werden, die sich nicht so natürlich geben dürfen, als wären sie ganz bei sich. Jasmines Posen erinnern an ein Sexobjekt, das aus einem Männermagazin entsprungen scheint.

Letztlich bleibt nach dem Genuss dieses Films vor allem zweierlei in Erinnerung. Erika Linder wirkt auf coole Art unwahrscheinlich sexy. Und Jasmine kommt mit Hilfe eines Wasserstrahls in der Badewanne zum Höhepunkt. Für eine Geschichte, die zumindest einen Rest dramatischer Substanz beanspruchen will, ist das zu wenig.

Below Her Mouth

Es ist immer wieder schön zu erleben, wie das plötzliche Glück Filmcharakteren, die sich verlieben, Flügel verleiht. Dieses Glück kann besonders intensiv sein, wenn die Personen zugleich ihre Homosexualität und damit einen Teil ihrer Identität neu entdecken.
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