Baby Driver (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Einmal Vollgas, bitte

Ich möchte die gewagte These aufstellen, dass es nur zwei ikonische Filmfiguren in der gesamten westlichen Filmgeschichte gibt, die „Baby“ mit Vornamen heißen. Eine davon ist Baby (Jennifer Grey) aus Dirty Dancing. Die andere wird schon sehr bald Baby (Ansel Elgort) sein, die Hauptfigur aus Edgar Wrights Baby Driver. Dieser Film gehört auch noch in eine zweite Kategorie: großartige Filme mit total bescheuerten und irreführenden Namen.

Aber für all diese Gedanken hat man keine Zeit, wenn man einmal im (Heim-)Kino sitzt und der Film startet. Von der ersten Sekunde an nimmt er ein ordentliches Tempo auf, das vor allem von den ständigen und starken Beats der Musik getrieben wird, die Baby quasi konstant hört. Der Junge hat das Trauma zum Beruf gemacht. Einst kamen seine Eltern bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben, den nur er überlebt hat. Zurück sind ein paar Narben, psychische Auffälligkeiten und ein massiver Tinnitus geblieben, den er mit konstanter Musikbeschallung zu bekämpfen versucht. Und im Beat seiner Sounds von James Brown über Dave Brubeck bis zu The Commodores laufen auch die Filmbilder ab. Genauer gesagt ist der Soundtrack hier solch ein integraler Bestandteil, dass er nicht nur den Rhythmus des Filmes bestimmt, sondern immer wieder als Kommentar auf Ereignisse dient, die der sehr wortkarge Baby ansonsten nicht kommentieren kann oder will.

Denn im Grunde ist Baby ein sehr stiller Typ, der konstant unterschätzt wird. Bis man ihn einmal bei der Arbeit erlebt. Sein Job: Fahrer. Allerdings ist er vor einer Weile an den Falschen geraten. Doc (Kevin Spacey) ist der lokale Gangster-Boss und hat den Jungen dabei erwischt, wie er ihm ein Auto klaute. Jetzt muss Baby seine Schulden als Fluchtfahrer für Überfälle abarbeiten. Noch ein paar Gigs und er ist quitt. Allerdings ist es nicht so, als hätte Baby andere Ideen, was er mit seinem Leben anstellen soll. Vielmehr irrt er, wenn er nicht virtuos Auto fährt, als in Musik verlorene Seele durch die Stadt. Oder er kümmert sich um seinen tauben Adoptivvater und macht Mixtapes aus mitgeschnittenen Dialogen der Gangster, die er abends rumkutschiert. Manchmal besucht er aber auch das Diner, in dem seine Mutter einst arbeitete. Dort trifft er eines Tages auf Debora (Lily James), die dort als Kellnerin angeheuert hat und genauso verloren ist wie er. Die beiden haben eine sofortige Anziehungskraft, sie unterhalten sich über Musik, das Leben und den Wunsch nach Freiheit. Und dann passiert das, was Babys Leben für immer verändern wird: Er bekommt eine Vorstellung, wie die Zukunft als freier Mann aussehen könnte. Nur noch ein paar Gigs und er kann das Gangsterleben endlich aufgeben. Aber die paar Jobs haben es in sich. Da sind Buddy (Jon Hamm) und Darling (Eiza González), das sexy, aber gefährliche Gangsterpärchen, Griff (Jon Bernthal), der sehr schnell sehr laut und aggressiv wird, aber auch nicht der Klügste ist, und der scharfsinnige, psychopathische Batz (Jamie Foxx), der Baby von Anfang an hasst und stets ein Auge auf den Jungen hat. Und neben diversen Banküberfällen spitzt sich dann die Lage alsbald zu, denn Doc denkt gar nicht daran, den besten Fahrer aller Zeiten einfach gehen zu lassen.

Bei Baby Driver spricht vieles für den Film: Die virtuos inszenierten Autojagden, die stets perfekt mit der Musik abgestimmten Bilder und Dialoge – sie bringen einen Schwung und einen Drive ins Kino, den man schon lange nicht mehr gesehen hat. Grundsätzlich mag dieser Film ein wenig wie Fast & the Furious oder Drive klingen, doch Baby Driver spielt in einer ganz anderen, viel wohlfeileren Liga. Hier kommt Action nicht zu kurz, keine Frage, aber das ist nicht die Basis, auf die Edgar Wright seinen Film stellt. Vielmehr ist er in seinen Charakteren verankert. Auffällig ist dabei, dass Baby als Figur recht unscharf gezeichnet ist und auch bleibt. Viel vermag man über den jungen Mann nicht erfahren. Doch die Bausteine, die man hat, deuten auf eine gute Seele hin und dies genügt zumindest, um mit ihm zu sympathisieren und auf seiner Seite zu sein. Es sind aber vor allem die verrückten Nebencharaktere, die mehr Background erhalten und einen interessanten sowie ambivalenten Gegenpol zu Baby bilden: allen voran der wunderbar korrekte und scharfzüngige Doc, der zwar knallhart ist, aber auch die eine oder andere weiche, ja fast väterliche Facette zeigt. Sie sind wie die Geister der Zukunft, die Baby zeigen, was aus ihm werden kann, wenn er nicht aus seiner Situation herauskommt. Einzig Debora bleibt ein recht unbelesenes und langweiliges Blatt. Sie ist verdammt, die Rolle der passiven Freundin zu spielen, die einzig als Katalysator für Babys Entwicklung herzuhalten hat. Eine eigenständige Figur wird sie niemals werden. Sie ist das hübsche Anhängsel mit ein bisschen Damsel in Distress.

Ansonsten ist Baby Driver quasi ein Musical im Form eines Action-Thrillers, dessen stetiger Beat wie ein Herzschlag den Geschehnissen Rhythmus gibt. Wrights Kinematografie, gekonnt umgesetzt durch Bill Pope (Matrix, Spiderman 1-3, Das Dschungelbuch), vermag dem musikalischen Sog ein perfekter Spielpartner zu sein. Ob Atlanta bei Nacht, ausgeklügelte Autojagden in einem Parkhaus oder das altmodische Diner seiner Mutter – die Bilder sind stets wohl kadriert und arbeiten vor allem mit Tiefe und Lichtern, um eine Stimmung zu erzeugen, die zwischen Noir und Tarantino-Retro-Neon-Chic hin und her wabern.

Was bleibt einem also noch zu sagen, außer dass Baby Driver, auch wenn er hier und da ein bisschen schwachbrüstig daherkommt, der Cineasten-Seele trotzdem große Befriedigung gibt?
 

Baby Driver (2017)

Ich möchte die gewagte These aufstellen, dass es nur zwei ikonische Filmfiguren in der gesamten westlichen Filmgeschichte gibt, die „Baby“ mit Vornamen heißen. Eine davon ist Baby (Jennifer Grey) aus „Dirty Dancing“. Die andere wird schon sehr bald Baby (Ansel Elgort) sein, die Hauptfigur aus Edgar Wrights „Baby Driver“. Dieser Film gehört auch noch in eine zweite Kategorie: großartige Filme mit total bescheuerten und irreführenden Namen.

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Meinungen

Hans im Glück · 13.01.2022

Ein eher anstrengender Film. Das Schneiden auf den Takt der Musik ist etwas, was man als Anfänger gerne macht. Es hat aber einen Grund, warum es in der späteren Karriere normalerweise nocht mehr gemacht wird. Es lenkt den Zuschauer zu sehr ab von den relevanten Dingen. Möglicherweise sollte es in diesem Film aber auch genauso gemacht werden, da hier keine neue Story kommt, sondern nur ein abklatsch von vielen anderen Filmen.