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In „ÜberLeben in Brandenburg“ gibt Zoltan Paul den Filmkünstler in der Krise, der sich unbedacht ins Chaos stürzt.

ÜberLeben in Brandenburg (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Drunter und drüber

Als Filmemacher und Schauspieler war der im Juli 2022 verstorbene Zoltan Paul eine bemerkenswerte Erscheinung. In seinem ohne Fördergelder entstandenen Regiedebüt „Gone – Eine tödliche Leidenschaft“ (2004) schilderte er mit seiner damaligen Gattin Adele Neuhauser in der Hauptrolle ein abgründiges Psychodrama; in „Unter Strom“ (2009) knüpfte er an die Tradition der Screwball-Comedy an.

Mit ÜberLeben in Brandenburg kommt nun Pauls letztes Werk ins Kino, das er vor seinem Tod noch weitgehend abschließen konnte. Ben von Grafenstein führte die Arbeit in der Postproduktionsphase zu Ende. Erzählt wird von der Post-Midlife-Crisis des Autorenfilmers László Kovac (Zoltan Paul), der mit seiner Frau Emma Meisel (Adele Neuhauser), einer erfolgreichen Schauspielerin, in der brandenburgischen Provinz wohnt.

Gerade ist die Finanzierung seines neuen Projekts geplatzt, während Emma für ein lukratives Serien-Engagement nach Kanada reist. Er solle doch Naturschützer werden oder in die Politik gehen, wird ihm geraten. Zu allem Überfluss eröffnet ihm seine 90-jährige Mutter (Ulrike Bliefert), dass sein vermeintlicher (ahnungsloser) Vater gar nicht sein Erzeuger gewesen sei – sondern ein offenbar sehr netter Ministerpräsident, mit dem sie viel gelacht habe. Uff.

Inmitten dieser privaten und beruflichen Chaossituation begegnet László der schlagfertigen Unternehmerin Lisa Mühlberg (Sabine Weibel). Rasch entwickelt sich aus dem ziemlich unbeholfenen Flirt eine wilde Affäre. Lisas Ex Tilo Weidland (Joachim Assböck) kandidiert derweil mit eindeutig rechten Ansichten als Bürgermeister. Bei einem Volksfest lässt sich László dazu provozieren, als Gegenkandidat anzutreten. Trotz der Unterstützung durch seinen freundlichen Schwiegervater (Dietrich Hollinderbäumer) und seine meinungsstarke Masseurin (Gisa Flake) droht bald ein großer Schlamassel.

Als Milieustudie bleibt ÜberLeben in Brandenburg etwas zu oberflächlich; der Rechtsruck in ländlichen Gebieten wird nicht allzu spezifisch beleuchtet. Die absurden Momente, die sich bei einem dörflichen Wahlkampf ereignen können, fangen das Skript und die Inszenierung indes sehr treffend und amüsant ein. Zudem ist es spannend und aberwitzig, einem Protagonisten zuzuschauen, der sich eher aus einem Gefühl der Frustration heraus in eine folgenreiche Aufgabe stürzt. Ob er rechts, links oder in der Mitte stehe, wird László an einer Stelle gefragt. Er stehe „drüber“, antwortet dieser – was natürlich für Verwirrung sorgt.

Positiv hervorzuheben ist auch die Zeichnung und resolute Verkörperung von Lászlós Gattin durch Adele Neuhauser. Emma kommentiert das kindische Verhalten ihres Mannes mit angemessen harten Worten („Reiß dich zusammen, verdammt!“) und trägt so dazu bei, dass die Hauptfigur in ihrer planlosen Art nicht idealisiert wird. Flankiert von herrlichen Charakterköpfen wie Ralph Herforth und Gisa Flake liefert Zoltan Paul eine würdige Abschiedsvorstellung, die den Charme seines Œuvres passend zusammenfasst.

ÜberLeben in Brandenburg (2023)

Um die Wahl eines völkisch-nationalen Kandidaten bei der Bürgermeisterwahl eines winzigen Dorfes zu verhindern, stellt sich ein älterer Lebenskünstler und Hallodri mit zur Wahl auf. Eine zwielichtige Frau gerät zwischen die beiden Kandidaten, wodurch das Leben des Künstlers gewaltig durcheinander gewirbelt wird …

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