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Adam Sandler auf Weltraummission: Abgesehen vom Reiz, den Comedian einmal wieder in einer dramatischen Rolle zu sehen, ist „Spaceman“ eine sehr blutleere Netflix-Produktion.

Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt (2024)

Eine Filmkritik von Mathis Raabe

Therapiestunde mit einem Alien

Als 2019 die Netflix-Produktion „Elisa und Marcela“ Premiere im Wettbewerb der Berlinale feierte, gab es noch Protest: In einem offenen Brief befürchtete die AG Kino, der Streamer werde den Film nicht für reguläre Kinovorführungen freigeben. Man solle ihn deshalb aus dem Wettbewerb ausschließen. Der Film erhielt dann immerhin in Spanien einen Kinostart. Vier Jahre später ist Netflix bei den Filmfestivals normalisiert. Content-Chefin Bela Bajaria hat indes Anfang des Monats erst wiederholt, dass der Fokus des Unternehmens auf der eigenen Plattform liegt. Vorführungen bei Festivals bedeuten keineswegs, dass auch Kinobetreiber die Filme werden zeigen können.

In Berlin hat Netflix dieses Jahr eine Serie über den italienischen Pornodarsteller Rocco Siffredi – eine besonders merkwürdige Wahl der Festivalkuratoren – sowie den Sci-Fi-Film Spaceman uraufgeführt. Adam Sandler spielt den titelgebenden Astronauten. Er arbeitet inzwischen nahezu exklusiv für Netflix. Für die Regie wurde ein Serienspezialist engagiert: Chernobyl-Macher Johan Renck.

Der tschechische Astronaut Jakub befindet sich seit 189 Tagen auf einer Soloreise durchs All. Das europäische Weltraumprogramm liefert sich ein Space Race mit Südkorea. Das Ziel: Ein mysteriöser, lila glitzernder Wolkenwulst, der seit vier Jahren von der Erde aus am Himmel zu sehen ist. „Bist du der einsamste Mensch der Welt?“, fragt eine Schülerin von der Erde während einer Fernsehübertragung. Netflix-typisch findet alle Exposition in den Dialogen statt, alles wird ausbuchstabiert.

Auch dass Jakub seine schwangere Frau Lenka vermisst, während die längst genug von ihm hat und nicht mehr abhebt, wenn er per Weltraumkommunikation anruft. Eine Trennungsvideobotschaft hat Jakubs Team auf der Erde abgefangen, denn es ist um Jakubs psychische Gesundheit besorgt – und damit natürlich eigentlich nur um den Erfolg der Mission. Das Team auf der Erde ist überhaupt nicht sonderlich hilfreich: „Ich prüfe das“, ist die häufigste Antwort auf ein Problem, oder: „Ich werde einen Bericht schreiben.“

Zum Glück taucht ein blinder Passagier auf, der ernsthaft um Jakubs psychische Gesundheit besorgt ist, allerdings auch nicht ganz uneigennützig: Eine riesige Alienspinne, gesprochen von Paul Dano, interessiert sich für die Menschen und ihre komischen Gefühle. Der Außerirdische will nichts Böses. Auch das Publikum wird durch ein felliges Design und Glubschaugen beruhigt: Selbst als Arochnophob kann man sich vor diesen sechs Augen kaum fürchten. Jakub tauft den willkommenen neuen Freund Hanuš, nach dem Macher der astronomischen Uhr am Prager Rathaus.

Dann beginnt eine lange Alientherapiestunde, in der es leider nicht nur um die Einsamkeit von Astronauten geht, sondern vor allem um die Beziehungshistorie von Jakub und Lenka. Hanuš zeigt Flashbacks, die durch verzerrende Effekte am Bildrand von der Jetztzeit abgegrenzt werden, was gänzlich unnötig ist und bald nervt. Ein bisschen tschechische Geschichte wird in den Flashback-Sequenzen eingestreut, wozu der Film aber politisch überhaupt nichts zu sagen hat.

Immer wieder wechselt Spaceman auch zu Lenkas Position auf die Erde, für sehr kurze Szenen, die entweder rein pragmatisch und narrativ begründet scheinen – damit’s auch jeder checkt – oder Fragen stellen, bei denen es eigentlich wenig Ambivalenz bedarf: Darf man seinen Partner auch verlassen, wenn’s dem gerade nicht gut geht, oder er auf einer wichtigen Mission ist? Na klar.

Auf dem Raumschiff dreht sich die Kamera ununterbrochen langsam im Kreis, sodass man als Zuschauer bald selbst das Gefühl hat, zu schweben. Dazu ist auf der Tonspur ein nie enden wollendes Ambient- und Klassikgedudel aus der Feder von Sci-Fi-Spezialist Max Richter zu hören. „Was eine Stille“, sagen die Figuren ab und zu über die Atmosphäre im Weltraum. Es wäre schön, wenn das Publikum daran teilhaben dürfte, statt diesen Score ertragen zu müssen.

Schade, dass man nicht den Mut hatte, tatsächlich ein Kammerspiel zu drehen, mit nur einem Schauspieler. In dem sich die Kamera ununterbrochen dreht, und in dem nur ein einsamer Astronaut therapiert wird und nicht seine Paarbeziehung, denn als Beziehungsratgeber ist der Film überaus platt. Selbst Jakubs hochemotional in Szene gesetzte Entschuldigung bei seiner Frau klingt noch eher nach Selbstmitleid als nach Therapieerfolg.

Immerhin: Die lila Wolken, die das Schiff ansteuert, lassen auf ein wenig Psychedelik hoffen. Anfang und Ende des Universums haben dort ihren Knotenpunkt, erfahren wir. Auch dieses Motiv haben allerdings andere Filme schon besser von 2001: Odyssee im Weltraum geklaut. Spaceman macht aus einer interessanten Prämisse den offensichtlichsten aller möglichen Filme.

Gelungen sind immerhin die wenigen Momente, in denen Spaceman tragikomisch wird: Auch Hanuš wird schließlich anhänglich – die Einsamkeit färbt ab. Die Riesenspinne lernt dann, dass Schokoaufstrich direkt vom Löffel zu naschen eine gute Medizin ist. Auch Adam Sandler ist überzeugend, der hier im Gegensatz zu seiner erratischen Rolle in Der schwarze Diamant sehr leise spielt. Schon damals lobte man ja sein Talent für dramatische Rollen und fragte, warum man das nicht häufiger zu sehen bekomme. Vielleicht, weil er seitdem nur Netflix-Filme produziert hat?

Gesehen auf der Berlinale 2024

 

Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt (2024)

Ein Astronaut, der zum Rand der Galaxie geschickt wird, um rätselhafte Staubproben zu nehmen, erkennt, dass sein Leben auf der Erde in Trümmern liegt. Also hört er auf die einzige Stimme, die ihm dabei helfen kann, alles zu retten. Diese gehört jedoch zu einem Wesen vom Anbeginn der Zeit, das sich in seinem Raumschiff verborgen hält.

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