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Langstreckenschwimmen im offenen Ozean – im Alter von 64 Jahren wuchs Diana Nyad über sich selbst hinaus und bewältigte die sagenhafte Strecke von 177 Kilometern zwischen Kuba und Florida. Netflix strickt daraus einen konventionellen Ermutigungsfilm mit einer enervierenden Protagonistin. 

Nyad (2023)

Eine Filmkritik von Nathanael Brohammer

Einfach schwimmen

Es gibt viele Sportarten, bei denen so bescheuerte wie beeindruckende Rekorde aufgestellt werden: Freeclimbing, Surfen auf Monsterwellen, Vulcano-Boarding und so weiter und so fort. Wenn Alex Honnold im Dokumentarfilm „Free Solo“ ungesichert Felswände erklimmt oder Joseph Gordon-Levitt als Hochseilartist Philippe Petit in „The Walk“ zwischen den Türmen des World Trade Centers balanciert, treibt das schon beim bloßen Zusehen im Kinosessel (oder auf der heimischen Couch) Schweißperlen auf die Stirn. Auch Langstreckenschwimmerin Diana Nyad verewigte sich mit einer sportlichen Errungenschaft sondergleichen: Im Alter von 64 Jahren bewältigte sie die die 177 Kilometer lange Strecke zwischen der kubanischen Küste und Florida. Netflix hat diesen immensen Kraftakt nun als erwartbare Ermutigungsgeschichte mit einer auf die wichtigen amerikanischen Filmpreise schielenden Annette Bening in der Hauptrolle verfilmt.

Na ja, etwas zurückgerudert: Motivierende Binsenweisheiten à la „Wenn du nur fest genug an dich glaubst und hart arbeitest, kannst du alles schaffen!“ werden immerhin etwas erträglicher, wenn sie großartigen Schauspielerinnen wie Annette Bening und Jodie Foster in den Mund gelegt werden. Und auch über die Prämisse von Nayd kann man sich eigentlich nicht beschweren. Denn Hollywood ist nicht gerade bekannt dafür, seine älteren Schauspielerinnen zu hofieren. Es ist nicht allzu lange her, dass man sie ab einem gewissen Alter gnädigerweise noch als exzentrische Großmütter oder neurotische Tanten in Nebenrollen großer Produktionen platzierte. Insofern ist es mehr als begrüßenswert, dass Netflix als Diversitätspionier im Mainstream neben Queerness und Ethnie auch den Faktor Alter berücksichtigt. 

Dennoch fällt es mit fortschreitender Laufzeit nicht unbedingt leicht, die Bockigkeit – so weichgezeichnet sie auch sein mag – nachzuvollziehen, mit der die Protagonistin ihrem Ziel nachjagt. Diana Nyad, jedenfalls so wie Annette Bening sie im Film porträtiert, ist ein ziemlicher Besen. Aus einem selbstzweckhaften Ehrgeiz heraus, den vielleicht nur andere Extremsportler*innen in dieser Radikalität nachvollziehen können, will sie als Ü-60-Jährige die Route meistern, an der sie schon einmal mit 28 Jahren gescheitert ist. Ihre beste Freundin Bonnie (Jodie Foster) soll sie für dieses Unterfangen coachen. 

Gut gemeinte Ratschläge und zaghafte Versuche, Diana von diesem selbstmörderischen Wahnsinn abzuhalten, scheitern. Um die Waghalsigkeit zu finanzieren, verpfänden die beiden aus Mangel an Sponsoren sogar ihr Haus, wie einmal in einem kurzen Streit beiläufig eingeworfen wird. Mit wenig Überzeugungskraft, aber sehr viel Sturheit zieht Diana schließlich auch weitere Mitspielende auf ihre Seite, die sie für ihren persönlichen Lebenstraum in die Pflicht nimmt. Als sie dann endlich das erste Mal ins Meer springt, steht ein sehr treuherziges Team hinter ihr, das ihr trotz ihrer Garstigkeit auch im weiteren Verlauf nicht beziehungsweise nicht wirklich von der Seite weichen wird.

Der Name Nyad leitet sich ab aus der griechischen Mythologie und steht für Wassernymphe, wie mehrfach schicksalsträchtig betont wird. An Stürmen, giftigen Quallen, Haien, Halluzinationen und Trauma-Flashbacks mangelt es nicht, um dieser Unausweichlichkeit ein paar Steine in den Weg zu legen. Den wohlmeinenden Prämissen zum Trotz ist und bleibt Nyad ein manchmal fragwürdiger, mit seiner uramerikanischen – nennen wir sie mal so – Message unzeitgemäß naiver Crowdpleaser, den selbst die engagiert gegen das einfallslose Skript anspielenden Stars nicht vor der Belanglosigkeit retten.

Nyad (2023)

„NYAD“ ist die bemerkenswerte Geschichte der Langstreckenschwimmerin Diana Nyad, die sich im Alter von 60 Jahren vornahm, sich mithilfe ihrer besten Freundin und Trainerin ihren Lebenstraum zu erfüllen: die Strecke von 177 Kilometern zwischen Kuba und Florida im offenen Meer zu bewältigen.

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