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Schauspieler Dev Patel gibt sein Regiedebüt und legt einen hochkinetischen Action-Thriller vor. Darin zu sehen: er selbst als Racheengel und Kämpfer der Unterdrückten. Inhaltlich geht zwar längst nicht alles zusammen. „Monkey Man“ scheint aber die Geburt eines aufregenden Filmemachers zu sein.

Monkey Man (2024)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Unter Strom

Ein junger Mann mit markanten Narben, der angibt, nicht zu schlafen, der sich wie ein Getriebener durch eine düster funkelnde Metropole bewegt, der zu einem Racheengel mutiert und es dabei auch auf eine politische Führungsfigur abgesehen hat. Willkommen in der Welt von „Monkey Man“, die irgendwie an Martin Scorseses Großstadtalbtraum „Taxi Driver“ erinnert, der sich aus ganz ähnlichen Bausteinen zusammensetzt. Mit seinen Bezügen zur indischen Mythologie und zur politischen Lage des südasiatischen Landes atmet das Spielfilmdebüt des britischen Schauspielers Dev Patel allerdings genügend Eigenständigkeit. 

Der Regisseur, selbst indischer Herkunft, spielt in seinem Erstling die Titelrolle, die ihre Wurzeln in der in Affengestalt auftretenden hinduistischen Gottheit Hanuman hat. Zu Beginn begegnen wir dem „Kid“ genannten Protagonisten bei einem Untergrundkampf, den er krachend verliert. Regelmäßig steckt das hinter einer Gorillamaske verborgene Muskelpaket heftige Prügel ein und wird von Promoter Tiger (herrlich schmierig: Sharlto Copley) dafür bescheiden entlohnt. Ziel seines auf Schmerz gegründeten Lebens ist Rache für den Mord an seiner Mutter Neela (Adithi Kalkunte).

Mithilfe eines Tricks kann er eines Tages einen Aushilfsjob im Luxusclub der taffen Queenie (Ashwini Kalsekar) ergattern und landet damit dort, wo er Polizeichef Rana (Sikandar Kher), dem Schuldigen, endlich nahe kommen kann. Eine mit seinem gesparten Geld erworbene Waffe schmuggelt er auf clevere Weise in den exklusiven Laden. Doch als er dem korrupten Cop gegenübersteht, versagen bei ihm die Nerven. Für Kid bricht daraufhin die Hölle los, und sein Vorhaben rückt in weite Ferne.

Wie viele andere Rachethriller erzählt auch Monkey Man eine recht einfache Geschichte, schmückt diese aber mit politischen Untertönen und allerlei Kuriositäten aus. In der Konsequenz wirkt der Film ambitionierter als der typische Ein-Mann-räumt-auf-Actionreißer. Der Mord an Neela hängt direkt mit einer brutalen Landnahme zusammen, hinter der ein mächtiger spiritueller Guru namens Baba Shakti (Makarand Deshpande) steht. Ein Wolf im Schafspelz, der seine reaktionären Ideen in wohlklingende Worte zu verpacken weiß und Minderheiten weiter an den Rand drängen will. Unverkennbar spielt das Drehbuch von Dev Patel, Paul Angunawela und John Collee auf die aktuelle indische Regierung unter Premierminister Narendra Modi an, die einen Hindu-Nationalismus predigt. 

Korruption, die Unterdrückung der Unterschicht, vor allem der Landbevölkerung, durch die Eliten und die Ausbeutung von Frauen – all diese Themen kommen auf den Tisch, werden mehr und mehr zu einem Antrieb für Patels traumatisierten Rächer, der nach dem gescheiterten Vergeltungsakt im Club eine Art Wiedergeburt erlebt. Die Reise des Affenmannes folgt einem ganz eigenen Rhythmus, driftet zuweilen ins Surreale ab und zeigt uns auch eher unbekannte Seiten Indiens. Seltsam faszinierend ist etwa der Mittelteil, in dem Kid Unterschlupf bei einer Tempelgemeinschaft findet. Die Hijras sind Personen, die sich weder als Frauen noch als Männer sehen und wegen ihres Andersseins ausgegrenzt werden. Menschen wie ihnen will Baba Shakti keinen Platz in der Gesellschaft einräumen. 

Dass Monkey Man ein Herz für Außenseiter*innen und Entrechtete hat, zeigt sich schon früher, wenn der Protagonist dank eines ausgeklügelten Botensystems im Untergrund in den Besitz von Queenies Geldbörse gelangt und sich damit Zutritt zu ihrem Luxusschuppen verschaffen kann. Die einfachen Leute in den Straßen der fiktiven indischen Großstadt Yatana greifen sich unter die Arme und wissen, wie man die Obrigkeit an der Nase herumführt. 

Die Edelprostituierte Sita (Sobhita Dhulipala) steht stellvertretend für all die Frauen, die misshandelt und zu Objekten degradiert werden, bleibt jedoch zu skizzenhaft, um als vollwertige Figur durchzugehen. Was seine Sicht auf die Repressionen, die ausbeuterischen Strukturen betrifft, ist der Film nicht immer konsequent. Denn manchmal scheint er sich auch ein wenig am Anblick der leichtbekleideten Damen in Queenies Nobeletablissement zu ergötzen.

Der Versuch, Racheimpulse mit Sozialkritik und mythologischen Elementen zu verbinden, hat seinen Reiz. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Monkey Man an dieser Mischung etwas verhebt. Gelegentliche Ausflüge ins Comichafte sorgen angesichts der grimmigen Grundstimmung für leichte Irritationen. Und zu exzessiv greift der Regisseur auf das Mittel der Rückblende zurück. Irgendwann haben wir verstanden, wie schwer der gewaltsame Tod der Mutter Kid erschüttert hat.

Dev Patel hätte sich schon deshalb einige Flashbacks sparen können, weil er in seine rastlosen Performance, in seinen nervösen Blick genug Schmerz hineinlegt. Sein Monkey Man steht ständig unter Strom, scheint jede Faser seines Körpers anzuspannen und hat des Öfteren Mühe, die Fassung zu bewahren. Die Unruhe der Hauptfigur infiziert den ganzen Film. Die zuckenden Lichter der nächtlichen Metropole, Sharone Meirs unstete Kamera, eine hohe Schnittfrequenz und furiose Actionexplosionen erzeugen eine fiebrige Intensität, die man von einem Debütwerk nicht unbedingt erwartet. In einigen Phasen ist Monkey Man pures Adrenalinkino mit knüppelharten, ungekünstelt wirkenden Fights, rassigen Verfolgungsjagden und einem Hauptdarsteller, den man derart entfesselt noch nicht gesehen hat. Dass der ursprünglich bei Netflix beheimatete Thriller einen breitflächigen Kinostart erhält, haben wir, so ist zu hören, übrigens Filmemacher Jordan Peele (Nope) zu verdanken. Als er Monkey Man sehen konnte, war er derart begeistert, dass seine Produktionsfirma und Universal den Film erwarben, um ihm seinen verdienten Leinwandplatz zu geben.

Monkey Man (2024)

„Monkey Man“ erzählt vom epischen Rachefeldzug eines Mannes gegen die skrupellosen und korrupten Mächte, die einst seine Mutter ermordeten und die Armen und Schwachen noch immer systematisch ausbeuten.

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