Was ist eigentlich Tradition? Wie entwickelt sie sich? Darf man, oder muss man sie verändern oder weiterentwickeln? Diese Fragen bilden den Kern des Dokumentarfilms Beyond Tradition, in dem neben den erwartbaren Zentraleuropäer*innen auch eine Vertreterin der Sami und nach georgischer Tradition jodelnde Frauen zu Wort kommen. Gerade diese Diversität ist die größte Stärke des Films. Klar, in der Schweiz wird fleißig gejodelt, aber auch in Skandinavien und Georgien.

Der Naturgesang eint sie alle, vom Schweizer, der mit Insekten nachhaltigere Nahrung produzieren möchte, über die gegen Unterdrückung ansingende Sami bis nach Georgien, wo Tamar Buadze, die in Zeiten der Globalisierung für mehr Anerkennung seitens anderer europäischer Länder singt. Ebenso haben sie ähnliche Konflikte zu bewältigen, da sie mit ihren modernen Interpretationen althergebrachter Traditionen auch mit Gegenwind konfrontiert werden. Traditionalisten sehen ihre Bräuche in Gefahr, die junge Generation sehnt sich jedoch nach Wandel und Flexibilität.

Die Regisseurinnen Rahel von Gunten und Lea Hagmann zeigen all diese Konflikte auf die respektvolle Art und Weise, mit der auch ihre Protagonist*innen diesen Themen gegenübertreten. Die Porträts sind erfrischend gewählt und geben eine vielfältige Einsicht in das Leben von Menschen aus grundverschiedenen Hintergründen, bei denen trotzdem das Jodeln einen zentralen Aspekt ihrer Person ausmacht.

In schönen Kameraeinstellungen werden inspirierende Geschichten und Personen eingefangen, zu denen man sonst vermutlich keinen Zugang hätte. Lediglich die 100 Minuten Laufzeit fühlen sich gegen Ende ein wenig lang an, obwohl es auch lobenswert ist, den gezeigten Menschen und den Geschichten, die sie zu erzählen haben, die Zeit einzuräumen und diese auch in ihrer Fülle auszuschmücken.