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Mit „Auch wenn ich nicht viel sage“ hat Pablo Solarz die Idee eines Jugendlichen aufgegriffen und verfilmt. Der junge Ideengeber spielt die Hauptfigur selbst, seine Freunde übernehmen die Nebenrollen. Ein besonderes Filmprojekt aus Uruguay, das bezaubert und berührt.

Auch wenn ich nicht viel sage (2022)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Improvisation auf allen Bühnen

Schon immer standen sich Theater und Film sehr nahe, auch wenn sie auf verschiedene Art und Weise ihre Geschichten erzählen. In Pablo Solarz’ jüngstem Film „Auch wenn ich nicht viel sage“ aber verschwimmen die Grenzen: Wenn die junge Hauptfigur ihre Rollen einübt, vom Theater träumt, die Träume aufschreibt und in Theaterdialoge verwandelt, muss man sich immer erst wieder gewahr werden, auf welcher Fiktionsebene man sich gerade befindet. Das ist eine Herausforderung, aber auch der besondere Reiz an der argentinisch-uruguayischen Filmproduktion.

Der 13-jährige Felipe (Lucas Ferro) kann vor allem eins: improvisieren. Er liebt es, zu improvisieren – im Theater-Workshop ebenso wie beim Rappen am Lagerfeuer, im Gespräch mit der Großmutter (Mirella Pascual), die er seit Jahren nicht besucht hat, wie im Casting für die Rolle in einem Film. Und das ist auch gut so: Denn Felipe nimmt heimlich Schauspielunterricht, seine Mutter (Romina Peluffo) soll davon nichts erfahren; jede Woche zieht er sich das Fußballtrikot über und beschmiert seine Beine mit Schlamm, um ihr glaubhaft zu machen, er liebe Fußball und gehe regelmäßig zum Training. Stattdessen aber trainiert er eine ganz andere Gabe: das Schauspiel.

Felipes Vater war ein guter und bekannter Schauspieler in der Gegend von La Paloma gewesen. Doch dann ist etwas passiert, das die Eltern auseinandergebracht und die Mutter hat Vorbehalte hegen lassen gegen die Schauspielerei. Viel weiß Felipe nicht von den Vorfällen, aber er ahnt, dass er seiner Mutter besser nichts von seiner eigenen Leidenschaft für das Theater erzählt. Dann jedoch erhält er die Gelegenheit, in Montevideo für eine Rolle in einem Film vorzusprechen. 

Die Idee zur Handlung hatte der junge Hauptdarsteller selbst: Lucas Ferro nahm an einem Drehbuch-Workshop von Filmemacher Pablo Solarz (Historias mínimas) teil und erzählte ihm davon. Dieser war sofort so begeistert, dass er zusammen mit dem jungen Talent daraus ein Drehbuch machte und es mit Lucas Ferro in der Hauptrolle verfilmte. Gedreht wurde in dessen Heimatort La Paloma, die Nebenrollen übernahmen Schulkamerad:innen und Freund:innen.

Gerade wohl deshalb ist der Film so unverfälscht ehrlich: Auch wenn ich nicht viel sage erzählt weniger über die Handlung als vielmehr über seine Darsteller:innen, die im Schauspielunterricht der Geschichte sich selbst spielen, improvisieren, vom Workshop-Leiter – gespielt von Regisseur Solarz selbst – immer wieder neu herausgefordert werden. Besonders gelungen ist die Improvisation am Lagerfeuer, bei der alle Jugendlichen einige Zeilen rappen und dann den Stab weitergeben, was schließlich in ein fulminantes Rap-Battle zwischen Felipe und einem anderen Jungen mündet.

Herausragend sind auch die Bühneneinheiten, die Dialoge und Situationen, die sich Felipe erträumt oder ausdenkt. Die Figuren sprechen die Sprache dieser Jugendlichen, authentischer könnten sie nicht sein. Voller Poesie, aber auch mit einem ungeschönten Blick auf das Leben aus eben der Perspektive junger Menschen, die dabei sind, erwachsen zu werden, ihre Träume zu entdecken, zu formen und wahrzumachen. Was davon dann letztendlich Theatermoment, Traum oder filmische Realität ist, bleibt unwichtig.

Auch wenn ich nicht viel sage (2022)

Felipe hat einen Traum: Er steht als Schauspieler auf der Bühne, während seine Mutter, seine Oma und sein verstorbener Vater im Publikum sitzen und ihm begeistert zuschauen. Nach dem Aufwachen holt ihn die Realität wieder ein. Mit seinen Freund*innen spielt er leidenschaftlich gern Theater, nachts schreibt er seine eigenen Stücke, aber er verheimlicht seiner Mutter, dass er Schauspielunterricht nimmt. In deren Wirklichkeit ist für solche Träume kein Platz, und auf das Theater ist sie ohnehin schlecht zu sprechen. Als Felipe zu einem Casting eingeladen wird und dort etwas über die Geheimnisse innerhalb seiner Familie erfährt, verschwimmen die Grenzen zwischen Traum und Realität, Wahrheit und Lüge, Inszenierung und Leben zunehmend.

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