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Ishana Shyamalan begibt sich in ihrem Kinodebüt „They See You“ in den düsteren Wald – und konfrontiert Dakota Fanning mit rätselhaften Wesen.

They See You (2024)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Schau an!

Ein Mann (Alistair Brammer) eilt durch den finsteren irischen Forst – einen Wald, der auf keiner Karte zu finden sei und angeblich die Seelen von Menschen raube, teilt uns eine Stimme via Voice-over mit. Der Mann ist sichtlich in Panik und scheint im Kreis zu laufen. Plötzlich wird er von einer Kreatur attackiert.

Die Drehbuchautorin und Regisseurin Ishana Shyamalan lässt ihr Langfilmdebüt They See You als düsteres Gruselmärchen beginnen. Anschließend lernen wir die Protagonistin Mina (Dakota Fanning) kennen, die in einem Zoofachgeschäft arbeitet und einen Papagei an einen Ort in der Nähe von Belfast bringen soll. Es kommt, wie es im Genrekino kommen muss: Sie hat mitten im Wald eine Autopanne. Als sie umherirrt, landet sie in einem bunkerähnlichen Haus, in dem die ältere Madeline (Olwen Fouéré) sowie die verheiratete Ciara (Georgina Campbell) und der jugendliche Daniel (Oliver Finnegan) seit einiger Zeit Unterschlupf gefunden haben.

Die kleine Gruppe hat dort eine Strategie entwickelt, um zu überleben: Jede Nacht reiht sie sich vor dem verspiegelten Fenster auf, um sich draußen von besagten Gestalten, denen Ciaras Gatte womöglich zum Opfer fiel, betrachten zu lassen. Tagsüber kann sie sich wiederum frei bewegen – doch eine Flucht aus dem Wald scheint ausgeschlossen. Mina will sich zunächst nicht damit abfinden, muss aber rasch erkennen, wie bedrohlich die Lage tatsächlich ist.

Der von Shyamalan adaptierte Stoff basiert auf dem 2022 veröffentlichten Gothic-Horror-Roman The Watchers des irischen Autors A. M. Shine – und benötigt vermutlich die Introspektion in Form einer inneren Rede, um gänzlich zu funktionieren. In der Filmversion bleibt die Geschichte eine reizvolle Idee, die jedoch zu abstrakt daherkommt, um wirklich für sich einzunehmen. Ex-Kinderstar Dakota Fanning, die in ihrer Karriere noch nie eine schwache Leistung geliefert hat, spielt auch hier mit voller Intensität. Emotional nachvollziehbar ist das Verhalten ihrer Figur, ebenso wie das der anderen Beteiligten, dennoch selten.

Gewiss wird sich They See You etliche Vergleiche mit dem Œuvre von M. Night Shyamalan, dem als (Mit-)Produzent tätigen Vater der jungen Filmemacherin, gefallen lassen müssen. Einige Parallelen, etwa der Hang zum Märchenhaften und zum Esoterischen, lassen sich nicht von der Hand weisen. Die Dynamik innerhalb einer kleinen, von der restlichen Welt abgeschotteten Gruppe lässt an den Mystery-Thriller The Village (2004) denken – und offenbart eine klare Schwäche des aktuellen Werks: Statt die Figuren unentwegt den Plot und die aufgestellten Regeln erklären zu lassen, wäre es wahrscheinlich spannender gewesen, die Lebensbedingungen im entlegenen Bunker und im Wald präziser zu vermitteln und dadurch die klaustrophobische Atmosphäre und den existenziellen Kampf spürbar zu machen.

So bleibt das Ganze eher ein Experiment, das zunehmend ins Kitschige abgleitet und an spirituell angehauchten Soft-Grusel wie Im Zeichen der Libelle (2002) erinnert. Gegen Ende wandelt sich They See You zur Version eines (aus Spoiler-Gründen an dieser Stelle nicht genannten) Paranoia-Klassikers, die indes auf das grausige Unbehagen weitgehend verzichtet und damit deutlich an Schrecken verliert.

Was Shyamalan hingegen im Mittelteil gelingt, ist die effektive Nutzung der Ausstattung. Der Bunker mit diversen alten technischen Geräten und wenigen Möbelstücken ist eine interessante Kulisse. Überdies werden Motive der Dopplung und Nachahmung, von der Zwillingsschwester über den plappernden Vogel bis zum riesigen Spiegel, gekonnt eingesetzt. Rundum überzeugend und stimmig ist dieses Debüt nicht geraten; eine Abwechslung zu einfallsloser Stangenware, die sich nur auf eine Abzählreim-Dramaturgie und auf Jump-Scares verlässt, kann die Nachwuchsregisseurin aber bieten.

They See You (2024)

Der Film handelt von Mina, einer 28-jährigen Künstlerin, die sich in einem weitläufigen, unberührten Wald im Westen Irlands verirrt. Als Mina endlich einen Unterschlupf gefunden hat, trifft sie dort unversehens auf drei Fremde, die jede Nacht von rätselhaften Wesen beobachtet und verfolgt werden.

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