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Als ihr Freund stirbt, hat Una zunächst keinen Raum, in dem sie trauern kann. In Rúnar Rúnarssons „When The Light Breaks“ müssen sich junge Menschen mit dem Tod auseinandersetzen.

When the Light Breaks (2024)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Hebe den Blick und fliege

Küsse am Strand, kleine Pläne für die Ferne: Sie möchte gerne auf die Färöer, er ist noch nicht so viel gereist wie sie, aber Japan, das wäre für sie beide etwas. Die Kunststudentin Una, Performancekunst liegt ihr besonders, ist sehr verliebt in ihren Kommilitonen Diddi, aber noch darf niemand von ihren Freund*innen wissen, dass sie ein Paar sind: Diddi muss sich erst noch von seiner Freundin Klara trennen, gleich morgen will er den Flieger in die alte Heimat nehmen, um mit ihr zu sprechen.

When The Light Breaks hat einen fast aristotelisch engen Fokus: 24 Stunden Una, von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang an einem langen isländischen Sommertag, und zwischendrin stülpt ein Tod mehrere Leben um.

Der Flug wird abgesagt, Diddi leiht sich ein Auto für die Fahrt, aber während Una (die sensationall reduziert spielende Elín Hall) noch in seinem Bett ausschläft, später so verschlafen wie vergeblich ihre Stiefel sucht, stirbt der junge Mann bei einem Unglück in einem Autotunnel. Ganz Island steht unter Schock, die Fahnen hängen auf Halbmast, und Rúnar Rúnarssons Film bleibt unbarmherzig nah dran: Wie die Freund*innen erst einmal herausfinden müssen, ob Diddi wirklich unter den Opfern ist, wie Gewissheit kommt. Wie vielfältig dann die Art und Weise ist, zu trauern. Wie banal zugleich die Notwendigkeiten des Alltags.

Una aber hat in dieser gemeinsamen Trauer keinen rechten Platz; für die anderen ist sie zwar eine Freundin, aber die Tiefe ihres Schmerzes kann sie nicht kommunizieren – umso weniger, als Klara (Katla Njálsdóttir) dann auch anreist, um mit ihren und Diddis gemeinsamen Freunden zu trauern. When The Light Breaks beobachtet die junge Frau, die verzweifelte Hilflosigkeit ihrer Freunde und die unwahrscheinliche Annäherung zwischen ihr und Klara.

Rúnarsson findet dafür stellenweise atemberaubende, zuweilen überraschende Bilder, auch deshalb, weil ihm daran gelegen ist, die künstlerische Sensibilität einzufangen, mit der Una die Welt um sich herum wahrnimmt. Während Diddi in seinen Performances anscheinend zu lauter, jedenfalls sichtbarer Disruption neigte – die Freund*innen erzählen davon, wie er sich als Aktion morgens um neun mit Wodka betrank, erbrach und weitertrank, bis er das Bewusstsein verlor –, ist Unas Kunst offenbar stiller und aufmerksam. Fliegen durch veränderte Perspektive – das ahmt der Film an einer Stelle nach, und mit der beteiligten Figur kann man nicht anders als überrascht und beglückt erstaunen.

In diesen Momenten, wenn die Trauer kurz vergessen wird, sich die jungen Körper entspannen und strecken, steckt eine Vorahnung auf Zukunft. Am Schluss geht noch einmal die Sonne unter, „es ist, als wäre Diddi die Sonne und wir verabschieden uns.“ Es gibt kein Happy-End, keinen versöhnlichen Ausblick, sondern eine ganz und gar offene Perspektive aufs Weiterleben. Wir haben einander. Wir sind jung, aber der Schmerz ist es auch noch.

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2024.

When the Light Breaks (2024)

Una kämpft mit ihrer Trauer, während sie ein Geheimnis hütet und nicht in der Lage ist, ihre Gefühle vollständig auszudrücken. Sie versucht, sich durch die schwierigen Ereignisse um sie herum zu bewegen.

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