Jean Renoir – Biographie und Filmographie

Jean Renoir – Biographie und Filmographie

Der Titel einer umfangreichen Dokumentation, die sein früherer Assistent und später selbst hervorragende Filmemacher Jacques Rivette über ihn drehte, bringt das Ansehen zum Ausdruck, das der französische Regisseur Jean Renoir bei seinen zeitgenössischen Kollegen genoss: <strong>Cinéma de notre temps. Jean Renoir, le patron.</strong> Auch heute noch ist eine Betrachtung der französischen Filmgeschichte ohne die Erwähnung des Schaffens von Jean Renoir kaum denkbar, der die radikale Bewegung der Nouvelle Vague mit seiner ungefälligen wie avantgardistischen Haltung entscheidend inspiriert hat. <br />
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Geboren am 15. September 1894 in Paris und aufgewachsen als Sohn des berühmten Malers Pierre-Auguste Renoir in einem Künstlerhaushalt, dem auch sein älterer Bruder Pierre entstammte, der neben dem legendären Werk <strong>Kinder des Olymp </strong>/ <strong>Les enfants du paradis </strong>von Marcel Carné aus den 1940er Jahren in über sechzig Filmen zu sehen war, verlebte der Filmemacher eine von Bildung und Wohlstand geprägte Kindheit. Die Renoir-Söhne besuchten exzellente Schulen, doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs machte den jungen Jean zum Soldaten der französischen Armee, wo er eine Laufbahn als Pilot einschlug. Nach dem Krieg beschäftigte sich Renoir zunächst mit Keramikarbeiten, doch bald zog es ihn unwiderstehlich zum Film, dem seine große Leidenschaft galt, und 1924 realisierte er gemeinsam mit Albert Dieudonné seinen ersten Stummfilm, in dem er auch selbst mitspielte: <strong>Catherine ou Une vie sans joie </strong>mit Catherine Hessling in der Hauptrolle, mit der von 1920 bis 1930 verheiratet war und die auch in seinen folgenden Filmen häufig zu sehen war, wie 1927 in dem Kurzfilm <strong>Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern / La petit marchande d´allumettes </strong>nach dem Märchen von Hans Christian Andersen. <br />
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Es folgten weitere Filme, schließlich mit Ton, und Renoir arbeitete auch immer wieder mit Kollegen zusammen, schrieb an Drehbüchern und beschäftigte sich ebenso mit theoretischen Aspekten der Filmkunst, nicht ohne ab und zu auch schauspielerisch in Erscheinung zu treten. 1937 erregte er mit <strong>Die große Illusion / La grande illusion</strong>, der mit Jean Gabin als Lt. Maréchal heute als ganz großes Werk gilt, einiges an ablehnender internationaler Aufmerksamkeit; im nationalsozialistischen Deutschland und den besetzten Gebieten wurde der filigrane pazifistische Film natürlich verboten. Ähnlich erging es <strong>Die Spielregel / La règle du jeu</strong> von 1939, der sogar im französischen Kino einen für jene Zeiten respektablen Misserfolg bedeutete. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Renoir für den Filmservice der französischen Armee, bis er 1941 in die USA flüchtete, wo er in Hollywood Filme wie <strong>Der Mann aus dem Süden / The Southerner </strong>(1945), für den er eine Oscar-Nominierung erhielt, und <strong>Tagebuch einer Kammerzofe / The Diary of a Chambermaid</strong> (1946) drehte. <br />
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In seinen späten Regiejahren wandte sich Renoir wieder verstärkt der Tradition des französischen Autorenfilms zu und es entstanden unter anderen <strong>Die goldene Karosse / La carrozza d’oro </strong>(1953), <strong>Das Frühstück im Grünen / Le déjeuner sur l’herbe </strong>(1959) und <strong>Der Korporal in der Schlinge / Le Caporal épinglé </strong>(1962) sowie 1970 nach einer langjährigen Pause sein letzter Film <strong>Le Petit Théâtre de Jean Renoir</strong>, der durchaus als Resümee seines Gesamtwerks bezeichnet werden kann, für das er 1975 mit einem Oscar geehrt wurde. Am 12. Februar 1979 verstarb Jean Renoir in Beverly Hills in den USA, doch sein Leichnam wurde nach Frankreich überführt und dort bei seiner Familie bestattet. <strong>Un tournage à la campagne </strong>von 1994 wurde von Alain Fleischer montiert und basiert auf teilweise nicht verwendeten Fragmenten des Films <strong>Eine Landpartie / Partie de campagne</strong> von 1936, den Renoir auf Grund der politischen Situation vorerst nicht vollenden konnte und der schließlich 1946 Premiere hatte, wobei Fleischer auch Impressionen von den Dreharbeiten mit dem Regisseur einfließen ließ. <br />
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Jean Renoir war ein politisch engagierter Filmemacher, der sich eher als Geschichtenerzähler denn als Regisseur verstand und über vierzig Filme inszenierte, die in ihrer experimentierfreudigen und innovativen Art ihrer Zeit weit voraus waren und vom zeitgenössischen Publikum selten gewürdigt wurden, so dass der kommerzielle Erfolg mehr als bescheiden ausfiel, während er von seinen Kollegen vor allem aus dem Kreis der Nouvelle Vague geradezu schwärmerisch verehrt wurde. Er verfasste für seine Filme und darüber hinaus zahlreiche Drehbücher, einige filmtheoretische und andere Schriften, betätigte sich als Schauspieler und veröffentlichte 1962 die Biographie <em>Mein Vater Auguste Renoir</em>. Der Stil vieler seiner Filme, die ein breites Spektrum an Genres wie beispielsweise Literaturverfilmungen, Komödien und Theater-Filme umfassen, gilt als Poetischer Realismus jener Zeiten, der sich unter anderen Aspekten abseits des Mainstreams mit sozialkritischen Themen beschäftigte. Renoir thematisierte gern das Verhältnis zwischen Kunst und Leben, Realität und Fiktion, wobei es ihm wichtig war, den Inszenierungscharakter seiner Geschichten zu betonen, was er nicht selten zum Beispiel durch das Element von Theatervorhängen innerhalb der Dramaturgie installierte, die sich mitunter durch eine ganz spezifische Farbästhetik auszeichnete, in der sich seine künstlerische Gestaltungsweise manifestierte. Über seine Biographie und seine Filme ist mittlerweile reichlich analytische Literatur entstanden, die seine große Bedeutung für die Filmgeschichte würdigt. Ein berühmtes Zitat von Renoir lautet: "A director makes only one movie in his life. Then he breakes it into pieces and makes it again." Ein Ausspruch, der seine Haltung zum eigenen Leben und Werk pointiert transportiert.<br />
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(Marie Anderson)<br />
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<strong>Filmographie – Jean Renoir</strong> (Regie, Auswahl)<br />
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1994 / 1936<br />
<strong>Un tournage à la campagne</strong><br />
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1970<br />
<strong>Le Petit Théâtre de Jean Renoir</strong><br />
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1962<br />
<strong>Le Caporal épinglé / Der Korporal in der Schlinge</strong><br />
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1959 <br />
<strong>Le déjeuner sur l’herbe / Das Frühstück im Grünen</strong><br />
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1956<br />
<strong>Elena et les hommes / Weiße Margeriten</strong><br />
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1955<br />
<strong>French Cancan / French Can Can</strong><br />
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1953<br />
<strong><a href="/node/31699">Le carrosse d’or / Die goldene Karosse</a></strong><br />
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1951 <br />
<strong><a href="/node/31880">The River / Der Strom</a></strong><br />
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1946<br />
<strong>The Diary of a Chambermaid / Tagebuch einer Kammerzofe</strong><br />
<br />
1945<br />
<strong>The Southerner / Der Mann aus dem Süden</strong><br />
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1943<br />
<strong>This Land Is Mine / Das ist mein Land</strong><br />
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1941<br />
<strong>Swamp Water / Sumpfwasser</strong><br />
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1939<br />
<strong>La règle du jeu / Die Spielregel</strong><br />
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1938<br />
<strong>La Marseillaise</strong><br />
<strong><a href="/node/31823">La bête humaine / Bestie Mensch</a></strong><br />
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1937<br />
<strong>La grande illusion / Die große Illusion</strong><br />
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1936<br />
<strong>Partie de campagne / Eine Landpartie</strong><br />
<strong>La vie est à nous / Das Leben gehört uns</strong><br />
<strong>Les bas-fonds / Nachtasyl</strong><br />
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1934<br />
<strong>Madame Bovary</strong><br />
<strong>Toni</strong><br />
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1932<br />
<strong>Boudu sauvé des eaux / Boudu – Aus den Wassern gerettet</strong><br />
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1931<br />
<strong>La chienne / Die Hündin</strong><br />
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1929<br />
<strong>Le bled</strong> (Stummfilm)<br />
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1927<br />
<strong>Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern / La petit marchande d´allumettes</strong> (Stummfilm)<br />
<strong>Marquitta</strong> (Stummfilm)<br />
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1926<br />
<strong>Nana</strong> (Stummfilm)<br />
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1924<br />
<strong>Catherine ou Une vie sans joie</strong> (Stummfilm)<br />
<strong>La fille de l’eau / Die Tochter des Wassers</strong> (Stummfilm)